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9295

Zweierlei Offensiven.

<5S iioveispäne.

Der Himmel voll Gewölle,

Es bläst der Sturm mit Macht,

Es zucken wild die Blitze,

Der Donner rollt und kracht.

Die Mutter schließt die Fenster
Und betet in der Angst.

Der Sohn auf Urlaub lächelt:

„O Mutter, daß du bangst!

„Schreckt dich ein solch Gewitter,

Was hättest du gemacht
Wohl bei dem Trommelfeuer
Der großen Arras-Schlacht?"

Bald wird es kein Bier mehr geben. Ob dann unsere Stammtisch-
politiker dümmer oder klüger werden?

Gar mancher hat beim Ausbruch des Krieges gelobt, er werde Gut
und Blut für das Vaterland geben, und nimmt es jetzt vom Vaterland.

Es wird jetzt so viel guter Rat verzapft, daß die Leute manchmal
ratlos werden.

Der Wille ist das Pferd vor dem Wagen des Lebens; der Wunsch
rennt voraus wie ein losgelassener Hund.

Der eigene Kopf ist manches Menschen ärgster Feind.

Die Lüge hat kurze Beine; aber die Wahrheit kommt heute gar

nicht vom Fleck.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Die Geschichtschreiber derZukunst.

Von Sans Flux.

In ihren Gedanken plagen
Sich viele Menschen schon heut:

Was wird der Geschichtschreiber sagen
Einst über solch blutige Zeit?

Dem Volke wohl wird er erzählen.

Wie über so manches Land

Sich fresseud, verschlingend, verheerend

Gewälzt hat der schreckliche Brand.

Wie über und unter der Erde
Und in des Meeres Bereich,

In Lüften und unter dem Wasser
Gewütet der Kampf zugleich.

Wie menschliche Hekatombe»

Versenkt hat ins Meer von Blut
Das grausige Trommelfeuer
In unauslöschlicher Wut.

Und wie auch zugleich gekommen
Mit diesem Meere von Blut
Von Millionen der Witwen
Und Waisen die Tränenflut.

Wie Hunger und Mangel die Menschen
Alltäglich von neuem bedroht.

Und wie der schnöd'ste Gewinn ward
Geschöpft aus des Volkes Not.

And wie die Gelehrten und Weisen
Auf ausgetretener Spur
Nicht müde wurden, zu preisen
Die Höhe der Menschenkultur.

Es wird der Geschichtschreiber sagen.
Wenn er so rückwärts geblickt:

Noch niemals waren die Menschen
In so großer Anzahl verrückt.

Den Diplomaten!

Nun laßt das lange Reden
Und setzt euch um de» Tisch,

Helft von den schweren Röten
De» Völkern froh und frisch!

Fort mit den hohlen Phrasen
Und klugen Tüftelei»,

Hell einen Tusch geblasen.

Und sprecht: So soll cs sein!

Nur Ende, baldig Ende
Der grausen Völkerschlacht,

Dann Millionen Hände

Segnen, was ihr vollbracht! Kl.

Lieber Jacob!

Also mit de Friehjahrsoffensive von de
Entente is et wieder inal Essig jewesen. Nu
treesten sich aber de Herrschaften mit de be-
vorstehende Sommeroffensive, wo se erklären,
det det nu aber wirklich un wahrhaftig de
unwiderruflich letzte is un zu 'nen jarantiert
entscheidenden Durchbruch fiehren ivird. Wer
et jloobt, zahlt 'n Daler uff de franzee'sche
Siejesanleihe. Ick bin nich in diese Lage, son-
dern verhalte mir abwartend in jute Hoff-
nung, trotz den in Aussicht stehenden Anmarsch
der vereinigten Streitkräfte von Amerika, Hon-
duras un einije andere jeojrafische Staaten,
die sich fest entschlossen habe», in dem Welt-
krieg rinzutreten un sich det ihnen zukommende
Teil uff ihren Popokatlepettel abzuholen. Se
iverden in diesen nazjonalen Ehrjeiz nich je-
teischt werden! Wilson hat schon mehrere
Divisionen nach Frankreich expediert, wo se
sor de Bedirfniss« des Entente-Schitzenjrabens
zujerichtet werden. Ick kann mir nich helfen,
aber ick muß bei diese Prozedur immer an

den Betrieb mit de sojenannten Pensions-
schweine denken: de Entente läßt se sich aus
Amerika kommen un setzt se in Frankreich lang-
sam instand, damit se nachher an de Front
verwurstet werden kennen. Mein Freind Ede-
ward, der 'n sehr zartes Jemiete hat, meente
zivar, det wäre 'n liebloser Berjleich aber
ick sage, det Verfahren selber is noch ville
liebloser!

Inzwischen jehen in't deitsche Vaterland de
Jeschäfte ihren jesegneten Jang un de Preis-
steijerungen stehen in de scheenste Bliete.
Zu bezahlen is sor eenen Wähler dritter
Klasse ieberhaupt »ischt mehr meeglich; 'n
wahres Jlick, det et so wenig zu koofen jibt:
sonst wirde man janz melancholisch iverden
von wejen det, wat man sich allens nich
leisten kann. Zum Beispiel veriveijert mir
Batocki eenen Bezugschein sor Stiebeln, un da
sage ick Jott sei Dank, denn det Paar kostet
jetz zehn Daler im Schatten, un det wäre denn
doch eene jar zu schmerzhafte Empfindung sor
>nir. Iber de lieferen ekonomischen Jrinde von
diese Preissteijerung kann ick mir ibrijens ebent-
sowenig klar werden, wie zum Beispiel in be-
treff der jetzijen hohen Holzpreise. Wie ick in
de Zeitung las, wurden neilich uff eene Holz-
auxion in Meiningen vierhundertfuffzig Pro-
zent ieber de Taxe berappt. Det is mir 'n
schleierhafter Rebus. De janze Welt jerbt sich
det Leder un dabei steijen de Stiebelpreise —
in alle fimf Erdteile wird jeholzt un det Hol^
ivird trotzdem immer teirer! Verstehst Du det?
Icke nichtsdestowenijer!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke.

an ’» Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redatttonsschluii 11. Juni L917,
 
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