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9328

Der Sturm, der alle (Dell durchbraust,

Gr bat auch dich, auch dich gezaust:

So manches Berz, das für dich stand,

Uerblutete in Mord und Brand.

So manches Bim, das zu dir schwor,
ln trüben Zweifeln sieb verlor,

So mancher Mund, der für dich sprach,

Mit gift'ger Zunge nach dir stach.

Dann weckt wohl deiner Stimme Schall
Ein frohes 6cbo überall,

Und wer’s noch treu und redlich meint
frdgt ihr. zu neuer Cat geeint.

So soll cs sein! Dun schlage tief
Die (Uitrzeln in die Zeit, die rief
Und ruft nach dir aus dunklem Seid:
Gib Licht, das meinen Pfad erhellt!
Aus Nebel, Crug und Possenspiel
Aufleuchten lass das grosse Ziel:
Erlösung von des Baders Not!

Dem Uolke Recht, dem Uolke Brot!

Zur Cat, die frei von Zank und Zwist,

Uns zeigt, dass du ein Schöpfer bist:

Die Kraft, die stark sich selbst vertraut
Und eine neue dielt erbaut! ?->».

fln die Partei!

Die Zwietracht schlich durch unsern Bund
Und wühlte auf ihn bis zum Grund,

Bis du dich mit entschlossner Kraft
Dem blinden Corenspiel entrafft;

Bis aneinander neu gesebweisst
Der treuen Brüder treuer Geist
Und eines (Uollens feste Macht
fruchtbar die Causende gemacht.

In der Klemme.

Reichskanzler Dr. Michaelis richtete an die französische
Regierung einige Fragen über den Geheimvertrag mit
Rutzland betreffs Zerstückelung Deutschlands.

Feldpostbriefe.

LXXV1II.

Geliebte Ricke! Diese» Brief Hebe Dir a»f,
denn es ist der feinste, den Du bis jetzt von
mir erhallen hast. Wenn ich stolz wäre, würde
ich von jetzt ab Sie zu Dir sagen und so tun,
als wenn ich Dir überhaupt niemals intimer
gekannt hätte. Denn ich berichte Dir heute über
die nobelste Situation meines Lebens, wo ich
mit die höchsten militärischen Spitzen hinter
denselben Zaune gesessen habe. Ich mußte
nämlich bei unsern Generalstab den mili-
tärischen Handlanger machen, der die Karten
auszubauen und die Gestelle zu befestigen hat,
weil Müller von die Siebente, der das sonst
besorgt, an eine leichte Geistesstörung —
Größenwahn mit Brechdurchfall — vorüber-
gehend erkrankt war.

Der Tag fing schon sehr dementsprechend
an. Wir lagen in ein Schloß einquarliert, >vo
aber so eins wie Bellevue nicht gegen an-
stinken kann. Morgens frühstückte ich mit eine
ganze Horde von Burschen und Ordonnanzen
an einen richtigen gedeckten Tisch, der im

Garten auf eine grüne Wiese aufgestellt war,
und wo wir Kaffee mit Brötchen kriegten.
Ich befand mir in eine derartig gehobene
Stimmung, daß ich mir gar nicht weiter ge-
ivundert hätte, wenn es auch noch Butter und
Sahne dazu gegeben hätte, was aber in Er-
mangelung dessen nicht der Fall war.

Um 9 Uhr vormittags fuhren die Autos
vor, und wir begaben uns nach die vorderste
Linie. Wir bemühten uns auf eine Anhöhe, wo
sich den Eintretenden ein überraschender An-
blick darbot. Vor uns lag ein Iveiter Talkessel,
der von zahlreiche Bodenwelle» durchzogen
ivnr. Die Schlacht war mitten im Gange,
über ein Dorf platzten egal Granaten, und
in fast jede Bodenfalte entdeckte das Auge
des Kenners eine von unsere Batterien, die
auf die gegenüberliegenden Hügel funkte. So-
bald das Feuer heftiger wurde, wußten wir,
daß jetzt die Infanterie einen Sprung vor-
wärts machen würde. Dieses Ganze übersah
man wie auf ein Kriegsbild in die National-
galerie, und ich wunderte mir über das un-
gewohnte Schauspiel. Denn wenn man selber
mitten mang ist, hat man keine Ahnung, was
eigentlich los ist. Hier bei die höchsten Char-
gen genießt man erst den verständnisvollen
Überblick über die ganze Schweinerei.

Auf die Straße neben mir ging während-
dem ein kommandierender General auf und
ab und rauchte eine Zigarre nach die andere,
indem er dabei seine weiteren strategischen
Pläne entwarf. Im Schatten unter einer alten
Akazie war ein Stuhl aufgestellt, wo auch einer
draufsaß, und wie ich näher hiusehe, denke
ich, mir laust der Affe: es war wahrhaftigen
Gott der alte Haeseler! Er aß eine Schinken-
stulle, und ich dachte bei mir, ob die wohl von
ein Harnecoger Schwein stammen mag, und
fühlte mir überhaupt sehr interessant angeregt.

Inzwischen war es Mittag geworden, und
ivir wollten noch an einen andern Punkt nach
dem Rechten sehen. Bei diese Fahrt wurden
wir von mehrere feindliche Salven bewill-
kommt. Ganz in unsere Nähe schlug auch ein
Geschoß ein und verursachte einen Trichter
von, schätze ich. zehn Meter Breite und fünf
Meter Tiefe. Mit solches Material wird na-
türlich bloß auf ganz was Feines geschossen,

und ich habe mir einen von die Stahlsplitter
zum ewigen Angedenken ausgelesen. Da ivir
aber im. Quartier noch eine wichtige schrift-
liche Arbeit z» verrichten hatten, gingen wir
bald wieder zurück.

Im Quarlier war vorläufig für mir nichts
zu tun, und ich setzte mir, nachdem ich mit
große, Entschiedenheit Miltag gegessen hatte,
gegenüber dem Generalslabshause hinter einen
Gartenzaun ins Gras, wo es sehr gemütlich
war und ich eine Weile pennte. Wie ich auf-
wache, steht vor mir plötzlich Mackensen mit
zwei Adjutanten. Ich springe in dienstliche
Haltung auf, aber er ivinkt mir ab und lagert
sich mit die beiden Herren dichte neben mir.
Ich höre, wie sie sich von Hindenburg'n unter-
halten, und gleich darauf ist dieser auch wirk-
lich selber da und hinter ihn selbstverständ-
licherweise Ludendorff. Sie nahmen ebenfalls
hinter den Zaun Platz, und so befand ich mir
eine gute halbe Stunde in die vertrauteste
Fühlung mit die allerhöchsten Dienststellen.
Aber ich fühlte mir ganz wie zu Hause und
lange nicht so geniert, als wenn zum Beispiel
unser Feldwebel dabei gewesen wäre. Denn
diese hohen Vorgesetzten sind viel angenehrner
im persönlichen Umgang, weil sie nicht so die
richtigen dienstlichen Ausdrücke an sich haben.
Ich konnte deutlich hören, was sie sich er-
zählten, aber ich darf es Dir nicht schreiben,
weil wir beim Generalstab zu strategische Ver-
schwiegenheit verpflichtet sind und ich aus das
meiste auch nicht klug werden konnte.

Zwei Tage darauf wurde Müller als ge-
heilt entlassen, und ich mußte zu die Kom-
pagnie retour. Jetzt bin ich leider wieder bloß
meinesgleichen, grüße Dir aber freudigst in
die stolze Erinnerung an das ltberstandene
als Dein getreuer Bräutigam

August Säge jun.. Garde-Grenadier.

Nachschrift. Den obigen Granatsplitter
möchte ich mir gerne in Gold einfassen lassen,
habe aber gerade keins bei mir, und in Berlin
gibt es, wie ich Hörle, auch keins mehr, son-
dern bloß noch Papier. Sei daher so gut und
überrasche mir unter diese Umstände wenig-
stens durch die Zusendung eines Fünfmark-
scheins, in den ich den Splitter einwickeln
könnte.
 
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