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9336

das neue preußische Wahlrecht.

Im Gründe freilich steht es fest,

So hört man nun von manchen Leuten;
jedoch, genau betrachtet, läßt
Es sich auch jetzt noch ürehn und
deuten.

Der Reichstag hat sich nicht bewährt!
Beweis: Die fansten Kriedensworte.
Ein Wahlrecht von derselben Sorte?
Na, dieses wäre unerhört!

Geheim?... haha... nun, unsertwegen,
Direkt! Gewiß, auch das steht da.

Doch gleich? hm, wird denn wer ver-
legen,

Der sich das Wort nur recht besah?

Denn was ist „gleich"? Sechs triste Laute.
Ihr stellt sie kaum zur Diskussion,

So schmiegen, biegen sie sich schon
Aach rechts und links, habt nur die traute!

Der B>n, er macht die Melodie.

Was sollen wir uns da lange zieren?
Der ist da. jedoch das Wie,

Das wollen wir erst komponieren!
flus zehn mach eins,aus eins mach zehn,
Mein Gott, man braucht nur ein paar

Nullen,

Und alle üemokrat'fchen Schrullen
verschwinden wie im handumdrehn.

Soweit so gut. Und richtig leider. Bringt uns der Mann ein Kleid aus Klicken,

Doch fei noch dieses aufgehellt: Dann werden wir - wir sind so frei! -

Der Kunde fordert von dem Schneider Ihn mit der ganzen Pfuscherei

Den finzug, den er sich bestellt! höchst prompt und schnell nach Hause schicken! per.

Kerenski.

2. Die Versuchung.

3. Der Diktator.

Feldpostbriefe.

LXXIX.

Geliebte Eltern! Letzte Woche habe ich etwas
erlebt, was sogar in diesen unwahrscheinlichen
Weltkrieg einen deutschen Soldat nur sehr selten
zustößl: ich habe an zwei aufeinanderfolgende
Tage ein Kommando bei die serbische Armee und
eine Führerstellung in die deutsche innegehabt!

Wir waren in eine neue Linie vorgerückt,
die schwierig instand zu setzen war. Unser
Regiment buddelte sofort die landesüblichen
Schützengräben aus. Unterstände, die mehr zu
die außerdienstliche Bequemlichkeit dienen,
wurden aber zunächst nicht gebaut, so daß
das Regiment ein sehr mieses Quartier in
Gottes freier Wildnis genoß. Mir war das
aber schnuppe, denn ich hatte das Vergnügen,
die erste Nacht Vorposten zu schieben, und
hätte von ein herrschaftlich eingerichtetes Logis
sowieso keinen Gebrauch nicht machen können.
Uns gegenüber standen serbische Truppen, und
es war stockfinster. Knapp hinter mir befand
sich eine sogenannte Schutzpatrouille, die mir
aber nicht das geringste nützte, denn kaum
hatte ich meinen Posten in die Dunkelheit be-
zogen, so machten die Serben auch schon einen
überlegenen Flankenangriff, vertrieben unser
Regiment aus seine Stellung und schnitten
mir von alle Freundschaft ab, während die
Schutzpatrouille sich einen eilfertigen Rückzug
hingab. Wie ich gerade anfangen wollte, mir
die strategische Bredouille zu überlegen, war
auch schon eine starke feindliche Abteilung zur
Stelle und vergewaltigte mir.

So geriet ich unverhofft in Gefangenschaft
und wurde sofort in ein benachbartes feind-
liches Stabsquartier komplimentiert, wo ein
paar serbische Offiziere unter furchterregende
Gebärden mir auszukundschaften versuchten.
Geliebte Eltern, ich bin, wie Ihr wißt, mit
Spreewaffer getauft und fühlte sogleich, daß
ich die Situation gewachsen war. Sowie ich
mir etwas organisiert hatte und sah, worauf
es ankam, sprudelte es aus mir wie aus eine
Wasserleitung, wenn das Rohr geplatzt ist.
So ausverschämt gelogen hatte ich seit meine
glückliche Schulzeit nicht mehr gehabt! Die

serbischen Offiziere waren sehr zufrieden mit
mir, lobten mir, gaben mir Zigaretten zu
rauchen und sagten, man müsse bloß den rich-
tigen Ton zu treffen wissen, dann könne man
aus einen Gefangenen die wertvollsten Mit-
teilungen herausholen. So nahm ich bald eine
angesehene Stellung in die feindliche Armee ein.

Nachmittags wurde ich mit eine größere
Abteilung Serben nach vorne transportiert,
wo wir die neueroberte Linie ausbauen sollten.
Ihr könnt Euch denken, wie ich mir freute,
als ich ausgerechnet in unsere alten Gräben
vom Tage vorher wieder einrückte! Ich gab
die Serben einige künstliche Handgriffe zum
besten, und bald merkte der Offizier, der die
ganze Schweinerei zu kommandieren hatte,
was ich für ein hervorragender Kenner in
diese Branche war. Er befahl die Leute, nach
meine Anweisungen zu arbeiten, und ich
schnauzte mächtig unter die serbischen Mann-
schaften herum, die nach meine Tips auch bald
einen sehr guten Schützengraben nebst groß-
artige Unterstände zuwege brachten. Wenn
die Sache noch länger gedauert hätte, würde
ich mir nicht gewundert haben, wenn ich eine
serbische Kriegsauszeichnung erhalten hätte.
Im übrigen vertraute ich auf mein altes Re-
giment und wußte sehr genau, was ich tat.

Bis in die späte Nacht hatten wir geschuftet,
und ich sollte eben wieder in das bewußte
Stabsquartier geführt werden, als ich eine
günstige Gelegenheit in die serbische Wach-
samkeit wahrnahm und mir seitwärts in die
Gebüsche empfahl. Der Weg zu unsere Linien
ging durch Sumpf, Gestrüpp, Wald und Dreck,
und es war schwer, sich in die Richtung zu-
rechtzufinden. Aber meine Intelligenz gelang
es doch, und bald erkannte ich von ferne einen
deutschen Vorposten. Jetzt fing die Sache aber
erst an, gesundheitsschädlich zu werden, denn
in die nächtliche Atmosphäre konnte man meine
Nationalität nicht erkennen, und es war leicht
möglich, daß man mir für eine serbische
Schleichpatrouille hielt. Ich benutzte daher
mit große Gewandtheit jede Deckung, die sich
mir darbot, sprang ungesehen vorwärts, be-
wegte mir aus dem Bauche schlängelnd seit-
wärts, verschwand in Geländefalten, um zu
 
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