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9337

Nikolaus' Selbsterkenntnis.

„Warum soll die Vernunft Plötzlich siegen, nachdem der Wahnsinn
so lange regiert hat?"

fiobelfpäne.

Fürst Salm, der hatte prophezeit,

Zu End' sei's mit dem Kriege,

Da in drei Monden schon der Feind
Zermalmt am Boden liege.

Und wer's nicht glaubt' in vollem Ernst,
Der war ein Übeltäter,

Der sündigte am Vaterland
Grad wie ein Hochverräter.

Das war, ein fürstlicher Prophet,

Dazu fürwahr ein kühner.

Bald läuft der kurze Wechsel ab —

Da lachen ja die Hühner.

England fordert grundsätzlich, daß jede fremde Staatsmaschine,
die in seinem Dienst steht, mit dem Knochenöl des betreffenden Volkes
geschmiert wird.

Amerika ist die Mutter, an deren Brust sich schon heute ein weiteres
Kriegsjahr als Säugling befindet.

Die Menschen müssen von einem Tier abstammen, das bestialischer
ist als der Tiger.

Die Zeitungen klagen über Papiernot und bringen noch manches,
das weder wahr ist, noch hineingehört.

Hauptmann Or. Michaelis ist gleich Oberstleutnant geworden, nach-
dem er dem Kaiser sein Bataillon neuer Staatsmänner vorgeführt hatte.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und LandstüÄner.

beobachten, und benahm mir überhaupt genau
so, wie wir es im Felddienst zwischen Britz
und Bukow gelernt hatten. Schließlich aber
sprang ich doch aus die letzte Deckung vor und
hielt die Hände hoch, damit sie sehen konnten,
daß ich ihnen nichts tun wollte. Als Antwort
klang ein hundsgemeines, dreckiges Gelächter
von den Vorposten herüber, und eine mir be-
kannte Stimme rief: „Aujust, Menschenskind,
verstelle dir doch nich! Ick kenne dir ja schon
seit eine halbe Stunde!" Es war mein alter
Freund Fritze Lehmann aus die Ackerstraße,
der hier Posten stand und sich über meine
strategischen Boltigierkünste ins Gelände kin-
disch gefreut hatte!

Nächsten Tag wurde ich zu unfern Regiments-
stab befohlen, wo man mir nach meine serbischen
Erlebnisse ausfragte. Ich konnte mit die ge-
naueste Sachkunde angeben, von welche Stelle
aus die nach meine Befehle angelegte feind-
liche Linie am besten zu beschlängeln wäre.
Der Kommandeur beschloß darauf, wie ich
nicht anders erwartet hatte, einen Gegenangriff
und vertraute mir die Führung der Vorhut
an. So gelangte ich, nachdem ich kaum meine
Kommandogewalt bei die Serben niedergelegt
hatte, zu eine richtige Führerstellung in die
deutsche Armee, und abends elf Uhr hatten wir
unfern alten Schützengraben zurückerobert, der
sich jetzt aber, dank meine sachkundigen Leitung
und dem Fleiß der serbischen Soldaten, in
einen viel besseren Zustand befand, als wie
sie ihn uns weggenommen gehabt hatten. Ich
glaube, geliebte Eltern, daß ich jetzt zum
Eisernen werde bestimmt eingereicht werden.

In diese Erwartung grüße ich Euch herz-
lichst als Euer dankbarer Sohn

August Säge jun.. Garde-Grenadier.

Schicksal.

Im Dunkeln liegen unsre Wege,

Von Rätseln und von Fragen schwer.
Die Zukunft scheint uns hoffnungsleer.
Wir finden weder Weg noch Stege.

Erkenntnis hat uns lang gemieden
Durch blindes Wüten roher Kraft,

Wir wollen, daß Vernunft nun schafft.
And sehnen uns nach Licht und Frieden.

And gruben leidensschwere Stunden
Auch Seelenfurchen wund und weit:
Wir warten duldend jener Zeit,

Die heilt die tiefgeschlagnen Wunden.

Schon klingt ein leises, leises Künden,
H)aß blinder Laß vergeht und schweigt.
Ein Wegeweiser steht und zeigt,

Wie wir einander wieder finden.

Lieber Jacob!

Vorigten Winter hatten wir so ville Kohl-
rieben wie wir wollten un noch 'n bisken
drieber. Ob wir nächsten Winter Rieben
haben werden, is noch unjewiß, dahinjejen
steht et fest, det wir Kohlen nich haben wer-
den. Kohlen sind zwar mehr wie jenug in
Deitschland vorhanden, aber vermittelst eene
verschmitzte Verteilungsmethode is et jelungen,
et so inzurichten, det uff den eenzelnen nischt
kommen tut. Det hat zwar ville Miehe je-
macht, aber man is den Zeitjeist jewachsen
un schreckt vor keene Unmeeglichkeiten nich
zurick. Wir bauen dreimal so ville Kartoffeln,
als wie wir zum Essen brauchen, — aber wo

sind se? Wir produzieren sonne Masse Zucker,
det wir de janze Erdkugel zu 'neu Pralinee
machen kennten, — unfern Kaffee-Ersatz aber
missen wir bitter trinken. Det Kunststick macht
uns in diese schwierijen Zeiten so leicht keener
nach!

Jbrijens is et jut, det wenigstens de Be-
heerden von den projektierten Kohlenmangel
nich betroffen werden. In sämtliche Büros un
Amtszimmer soll nächsten Winter ebenso ville
verbrennt werden dirfen wie in'n verfangenen.
Denn wenn unsere Beamtenschaft am Ende
det Jehirn infrieren sollte, denn kennte doch
jar zu leicht in de fortlaufende Verordnungs-
erlassungsmaschinerie 'n Stillstand eintreten
oder sonst een nich wieder jut zu machendes
nazjonales Malöhr passieren, wodurch de jetzije
alljemeene Volksbelustijung Abbruch jeschehen
kennte.

Schließlich aber jloobe ick noch immer, det
se for die mangelnden Kohlen noch 'n Ersatz
ausfindig machen werden. Denn in diesen
Punkt steht Deitschland jetz in de Welt un-
weijerlich an de erste Stelle. Sojar 'n Ersatz
for de oogenblicklich nich vorrätije parlamen-
taresche Rejierungsform hat Michaelis erfun-
den, indem det er zwee Volksvertreter wie
Spahn'n un Kraus'n in de leitenden Ämter
bugsiert hat. Warum soll also nich mit den-
selben juten Humor ooch 'n entsprechender
Kohlenersatz an maßjebende Stelle ausjeknobelt
werden? Et wird jetz so ville jekohlt, det man
aus det täglich produzierte Material die paar
Millionen Zentner janz bequem wirde Her-
stellen kennen.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redatttonsschluß 20. August 1917.
 
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