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— 9405

71 us dem Preußifflien TUipcorduetenliaus.

jrs nobelfpäne. ra

Dies Kind, kein Engel ist so rein.
Laßt eurer Huld empfohlen sein!

Im Osten steigt die Sonne
Aus Eis und Schnee empor,
Es öffnet sich den Völkern
Weit auf des Friedens Tor.

Nun schweigen die Kanonen
Ringsum auf weitem Feld,
Der Ruf nach Frieden brauset
Erlösend durch die Welt.

Heil euch, Parteigenossen,

Im großen Russenreich,

Ihr habt den Bann gebrochen.
Die Menschheit dankt es euch!

Als der fromme Wilson erfuhr, daß Rußland und die Mittelmächte
einen Waffenstillstand abgeschlossen hatleu, sagte er, daß er Europa
gleichfalls ein Weihnachtsgeschenk machen wolle, und erklärte an Öster-
reich-Ungarn — den Krieg.

Heydebrand und von der Lasa
Will das freie Wahlrecht nicht;
Lieber gleich die Republike,
Ganz erbost der Kleine spricht.

Ei, sieh an, du kleine Kröte,
Hochmut kitzelt dich gar sehr, -
Laut tönt dir der Ruf entgegen
Spiele nicht mit Schießgewehr!

Ich habe immer anjenommen, bet ick zu die Friedensverhandlungen
einberufen werde, — aber da die Entente auf Wunsch Italiens ooch
den Papst nich dabei haben will, werde ick mir in meine Stammdestille
mit'n Lippentriller bejniejen müssen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

stellst und wie auch wir leider gehofft hatten.
Die Kälte ist jetzt beinahe ebenso heftig wie
bei uns, und wenn Du schreibst, daß in Italic»
die Nachtigallen wahrscheinlich den ganzen
Winter über singen werden, so befindest Du
Dir auf einem sehr irrtümlichen Holzwege.
Die Nachtigallen singen hier weder im Soin-
mer noch im Winter, sondern sie werden so-
fort bei ihre Ankunft an hölzerne Zahnstocher
gebraten und aufgefressen. Das mag auch sehr
poetisch sein, aber eine Gans mit Gurkensalat
halte ich für zweckentsprechender.

Entschuldige vielmals, daß ich mit diese
letztgenannte, aus Berlin längst entschwun-
dene Erinnerung schmerzhafte Gefühle in
Deinem Magen erweckt habe, und sei herz-
lichst gegrüßt und geküßt von Deinem ge-
treuen Bräutigam

August Säge jun.. Garde-Grenadier.

„Regimentsbefehl."

Als es zum sechstenmal Dörrgemüse gab,
tauften sie cs „Drahtverhau".

Die Offiziere lachten. Bis auf einen Leut-
nant, der sich darüber ärgerte. Natürlich war
der „Drahtverhau" jetzt unausrottbar. Aber
der Leutnant ging höher und setzte einen Regi-
mentsbefehl durch: „Die Mannschaft hat es
künftighin zu unterlassen, den Namen Draht-
verhau für Dörrgemüse zu gebrauchen."

Regimentsbefehl ist Regimentsbefehl.

Heute abend gab es wieder Dörrgemüse.
Der Leutnant spitzte die Ohren. Dort sprachen
sie vom Essen:

„Na, Kamerad, was gibt es heute abend V

„Regimentsbefehl."

Und von jetzt ab hieß das Dörrgemüse
„Regimentsbefehl". Unausrottbar. Denn einen
Regimentsbefehl durch einen Regimentsbefehl
anszurotten. wäre lächerlich. Fritz Müller.

Lieber Jacob!

Wat unsere Alldeitschen sind, die erleben
jetz eene beklagenswerte Reihe von schmerz-
hafte Schicksalsschläge. Zuerst kam de Wahl-
rechtsreform raus, die dem preißeschen Staat
in seine tiefsten Tiefen erschiltert, — da, wo
et am allerdustersten is un de Köppe aus fun-
damentalen Jranit bestehen. De Edelsten un
Besten wehklagten, det se nu in't Herrenhaus
init 'n janzen jroßen Haufen Volk zusammen-
sitzen sollen, det seine Abstammung von Adam
un Eva durch keenen Stämmboom nich be-
jlaubijen kann un sowenig Kinderstube jenossen
hat, det et sich ieber de durchlauchligsten Reden
in jänzlich unjezogene Weise lustig machen
wird. Un de Altonaer Bordellbefitzer fiehlten
sich in ihre jeheiligten Rechte jeneppt, indem
det alljemeene un jleiche Wahlrecht se mit
poplije Fabrikarbceter.Uneversetätsprofessoren
un unbemittelte preißesche Minister uff die-
selbe Stufe herabdricken wird.

Eenen kleenen lindernden Balsam uff de
frisch jeschlagene Wunde strich denn jlicklicher-
weise de Vereffentlichung der russeschen Je-
heimverträge. Aus diese Dokumente konnten
de Alldeitschen mit Jenugtuung ersehen, det
et nich bloß in Deitschlaud 'ne Vaterlands-
parlei jibt, sondern det 'n jewisser Jrad von
staalsinnnnesche Fernsichtigkeit der Alljemein-
besitz von auserwählle Kreise in alle eiro-
päeschen Kulturstaate» is. Det man for det

Projramm der Deitschen Vaterlandspartei det
Fremdwort „Patriotismus" braucht, während
man dieselbijen Jeister in't feindliche Ausland
mit det jut deilsche Wort „Räuberjesindel"
bezeichnet, ändert natierlich nischt an den er-
freulichen Tatbestand.

Aber dieses wohltuende Flaster pappte nich
lange. Denn jleich danach kam det russesche
Waffenstillstands- un Friedensanjebot, un nu
hieß et Zappen ab mit allens un de edlen
Seelen wurde mies for't Janze. De patriote-
schen Kreise der schwerindustriellen Kriegs-
interessenten, die zum Wohle des deitschen
Vaterlands ihre Dividenden mit hochherzijen
Opfermut noch jerne 'n paar Jährchen uff de
kriegsmäßije Höhe durchjehalten hätten, sahen
sich in ihre selbstlosen Hoffnungen erschiltert,
un in de Redaxion der „Deitschen Tages-
zeitung" brach 'ne Friedcnspauik aus. Der
kriegsverwendungsunsähije Jraf Reventlow
fiel bei diese Nachricht von seinen jranatenum-
brausten Schreibstuhl un setzte sich sofort de
Jasmaske uff, die er zur Abwehr jejen dem
verjiftenden Hauch von Vernunfljrinde immer
bei de Hand hat. Un wat der Jraf Westarp
is, dem lief zwee Stunde» lang een solcher
Schauder ieber'n Leib, det de Jänsehüute, die
kurz vorher noch neun Mark det Fund kosteten,
sofort im Preise zu sinken begannen, wat wieder
Kreth im Interesse der quietschfidel notleiden-
den Landwirtschaft heftig beklagen mußte. So
jagte een Schicksalsschlag dem andern un et
is oogenblicklich keen Jenuß nich, Miljlied der
Vaterlandsparlei zu sind.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke.

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redattionsschluß 10. Dezember 1917.
 
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