Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9428

Alldeutsches Trommelfeuer.

Man spannt das Ohr. Mein Himmel, wie das knackt:
Die Hirne knirschen und die Federn eilen.

Die Tinte spritzt in wildem Katarakt,

Und die Empörung zischt aus tausend Zeilen:

Was, einen Frieden ä la Scheidemann?
Verständigung? Das heißt auf deutsch: Verzichten.
Faust auf den Tisch! And wer noch reden kann,

Scheu keine Heiserkeit und schrei: Mit Nichten!

Entrüstung tut uns bitter, bitter not,

Drum ausgeholt zur Welterobrergeste.

Es schadet nichts, wenn ihr ein bissel droht
Nach obenhin. Man immer los und feste!

Wir sind natürlich dreifach loyal.

And unsre Sorge geht um Reich und Krone,

Doch rettet sie jetzt nur ein Mordsskandal.

So ein Konzert, ihr Brüder, ist nicht ohne!

Hallo, hurra! Und tschingbumschnedderendeng.

Wo Dreie skaten, knallen die Pistolen,

Und der Herr Aktuar sagt kalt und streng:

„Ja, die Regierung soll der Deibel holen!

Was schnüffelt sie bescheiden nur am Kork,

Statt sich die selten Suppen einzubrocken?

Da frag' ich mutig: Wo ist unser Bork?

Sie wissen: wie der Brave von Tauroggen.

„Ich weiß die Antwort. Aber keine Namen!

Für heut berichten wir nur stolz und stramm.

Daß, die wir zahlreich hier zusammen kamen.
Erschüttert sind — zunächst im Telegramm.

Li cetera. . . . Hm, etwas lang geraten.

Die Kosten schlagen bitter auf die Milz,

Absender drei, — hm, — und vier Adressaten.

Was hilft's, ihr Herrn, die heil'ge Sache will's...."

Man spannt das Ohr. Es klingeln alle Drähte.

Das Postamt schluckt und würgt und speit Papier.

In diesem Fisch steckt mehr als eine Gräte,

Und unbekömmlich war schon stets die Gier.

Die ihren Hals nach einem Bork verrenken.

Weil länderhungrig sie der Magen drückt,

Sie dürfen mal ganz still bei sich bedenken.

Daß es nicht immer so wie damals glückt! Pan.

Die alldeutsche Wut und ihre Folgen.

„Jawohl, Bork läßt grüßen!"

Feldpostbriefe.

X6.

Geliebte Riete! Die Nachricht, daß ich Ge-
freiter geworden bin, hat Dir ganz unnötig
beängstigt. Du willst in die Zeitungen öfters
gelesen haben, daß die Feinde mit besondere
Niedertracht immer auf die oberen Kommando-
stellen zu zielen pflegen. Diese Nachrichten sind
richtig, aber sie treffen bei mir nicht zu, weil
zwar die Quartiere der Armeebefehlshaber
und Divisionskommandeure durch besondere
Abzeichen kenntlich gemacht werden, man aber
an den Standort von einen Gefreiten keine
Flagge nicht hissen tut, so daß der Feind
glücklicherweise nie genau wissen kann, wo ich
mir jedesmal befinde. Deinen freundlichen
Rat, mir wenigstens die Gcfreitenknöppe durch
Bewickelung mit graues Tuch gegen Sicht un-
kenntlich zu machen, brauche ich ebenfalls nicht
zu folgen, denn die italienischen Flieger wagen
sich nicht einmal so dichte auf uns herab, daß
sie einen Garde-du-Korps-Wachtmeistervon eine
Rote-Kreuz-Schwester unterscheiden können,
geschweige denn ein paar Gefreitenknöppe.
Leider kann ich zu meinen lebhaften Bedauern
auch Deinen dringenden Wunsch nicht ent-
sprechen, sofort zu eine Kriegstrauung Urlaub
zu nehmen. Denn Du befindest Dir in eine
irrtümliche Auffassung in betreff der Löhnungs-
verhällnisse eines Gefreiten. Der kriegt nicht
mehr als ein Gemeiner, und zum Heiraten
sind so viel Knöppe nötig, daß man auf Grund
von zwei Gefreitenknöppe noch keine standes-
gemäße Ehe mit einen Garde-Grenadier nicht
schließen kann.

Dagegen will ich Dir in die nachfolgenden
Zeilen gerne Mitteilen, wodurch ich mir die
unverhoffte Auszeichnung verdient habe. Kurz
gesagt: ich bin befördert worden, weil ich
hinter die Kirche gegangen war. Nämlich vor
uns lag eine mit einen sehr hohen Turm. Aus
diesen sollte ein Beobachtungsposten und eine
Fernsprechstelle eingerichtet werden, und zu den
Zweck mußte die Gelegenheit ausgekundschaf-
tet werden. Da ich mir sonst zu Kirchgängen

nicht gerade gedrängelt hatte, so wollte ich
bei die Gelegenheit beweisen, daß ich nicht
so bin, und meldete mir als Freiwilliger für
diesen Dienst. Die Sache war recht brenzlich,
und sobald ich meinen Kirchengang angetre-
ten hatte, überschwemmte mir auch schon von
alle Seiten ein himmlischer Segen von feind-
liche Jnfanteriegeschoffe. Daher war ich froh,
wie ich das Ziel erreicht hatte und mir in
sichern Gewahrsam des Gotteshauses befand.
Ich suchte sofort hinter die Sakristei und in
alle Ecken und Winkel nach die Eingangstür
zum Turm, aber zu meine Bestürzung war
nichts dergleichen zu entdecken, und mit einen
Mal überkam mir das schreckliche Bewußt-
sein: in dieses gottverdammte Italien bauen
sie ja die Türme immer ein Ende von die
Kirchen entfernt! Also hieß es wieder raus
aus das Heiligtum und rin ins dienstliche
Vergnügen! Sobald ich aber die Deckung ver-
lassen hatte, prasselten die Geschosse mir wie
Hagelkörner um die Horchlappen, und obwohl
ich nicht wußte, welchem Heiligen die Kirche
gehörte, so kann ich doch sagen, daß ich diesen
alten Herrn sehr dankbar war für den wun-
derbaren Schutz, den er mir bei meine Tour
um seinen Wohnsitz angedeihen ließ. Ich mußte
nämlich um das ganze Gebäude herum und
hinter die Kirche laufen, bis ich dem Turm
fand, dem ich bis hoch oben erkletterte. Der
Rückmarsch war natürlich eben so angenehm,
aber der italienische Heilige errettete mir wie-
derum, und ich glaube jetzt beinahe, daß es
wohl eine weibliche Heilige wird gewesen sein,
denn die italienischen Damen haben immer eine
sehr große Zuneigung für das deutsche Militär.

Jedenfalls wurde ich bei meine wunder-
tätige Rückkunft sofort zu unfern Major ge-
führt, den ich eine genaue Instruktion über
das ganze Gelände gab, das man von die
Turmspitze beobachten konnte, und der Major
reichte mir die Hand und sagte: „Das haben
Sie sehr brav gemacht; Eie haben Mut und
Intelligenz bewiesen!" Nächste Nacht wurde
dann die Fernsprechleitung und der Beobach-
tungsposten auf dem Turm gelegt, und zwei
 
Annotationen