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o Die Börse, o
Oer Börse hat's in den Fingern gejuckt,
Oer Börse.
Oer Börse hat's durch die Glieder gezuckt,
Der Börse.
Oas Fieberthermometer stieg
lvie niemals noch in diesem Krieg.
Ts schrie in London, New lsork und Berlin
Die Börse.
Esjammerie „Goddam" und „lVaihgeschrien"
Oie Börse.
Der Kriegsspekulanten Hochfinanz
Drehte sich fast im Totentanz.
was hat aus Oämmerschlummer geweckt
Die Börse?
Was hat so gotterbärmlich erschreckt
Oie Börse?
Was bewegte den Grund des vörsenbaus?
Ts brach beinahe - der Friede aus!
Bald endet die wildeste Spekulation
Oer Börse.
Oas merkt allmählich der grünste Sohn
Oer Börse.
Tr seufzt: „Der Mensch gewöhnt sich an alles,
5Iuch an den Frieden und an den valles!"
Der Schimrnel.
Ein Pferdeschicksal. Von Pan.
Hat ein Pferd Erinnerungen? Der
Schimmel, der schon damals — zu Frie-
denszeiten — unseren Omnibus durch die
oft recht trüben Straßen der Stadt zog,
wieherte zuweilen fröhlich auf, wenn ihn
ein Sonnenstrahl traf. Die braune Stute
neben ihm hob kaum den Kops und trabte
gleichmütig dahin. Vielleicht war sie auf
dem Asphalt groß geivorden. Der Schim-
mel aber, dem sich damals das weiße Fell
noch glänzend über dem runden Rücken
spannte, mochte, wenn ihn die Sonne strei-
chelte, ivohl das Bild jener lichtgrünen,
eingehegte» Wiese am Waldrand sehen,
wo er seine ersten Sprünge gemacht und
sich mit anderen Fohlen in freien Spielen
und tollen Wettlaufen geübt hatte. Viel-
leicht stieg in ihm auch die Erinnerung an seine
Mutter, die weiße Stute, auf, die ihm so
bereitwillig Milch gab und Wärnie, wenn er
sich in den kühlen Sommernächten dicht an sie
schmiegte, den wetten, blauen Sternenhimmel
über sich. Und vielleicht waren es diese Sterne,
die in seinem Gedächtnis emportauchten, wenn
des Abends die unzähligen Lampen in den
Straßen der Stadt aufflammten, durch die
er dahintrabte. Denn so ermüdend auch sein
Tagewerk gewesen sein mochte: die ersten
Lichter begrüßte er mit erhobenem Kopf und
sreudigeni Wiehern.
Vielleicht auch gedachte er der späteren Tage
ruhmvollen Glanzes? Nach seiner ersten Ju-
gend war er in den Stall eines Trainers und
auf die Rennbahn geraten. Ja, da ging es
ihm gut. Man behandelte ihn wie eine höchst
kostbare, leicht zerbrechliche Sache, und in seiner
Krippe fand sich das beste, kräftigste Futter.
Er dankte es, indem er einigemal im Jahre
sein Höchstes an Kräften hergab und seinem
Besitzer einige Rennen mit großen Gewinnen
Am Sonntag!
Zum Gedächtnis des 23.Okkober 1917 am Südrande
des Houthoulster Waldes!
Sonntag ist's!
3n Flanderns sumpfiger Ebne tobt die Schlacht,
Vom wolkenlosen Himmel hell die Sonne lacht.
Die Lerche steigt im goldnen Morgenstrahl,
Bis hin zu ihren Höhn reicht nicht die Erdenqual.
And trillernd singt sie uns ihr schönstes Morgenlied,
Daß stilles Heimatsehnen unsre Brust durchzieht.
Sonntag ist's!
Und trotz des Tages heil'ger Weihe rast die Schlacht,
Der Donner rollt, es blitzt, es dampft, es kracht!
3m Trichter hocken zitternd wir, voll Kot,
Ergeben, stumpf erwarten wir den Tod!
Und einer Schwalbe, die im lichten Äther zieht,
Gibt jeder heiße Grüße an die Heimat mit!
Sonntag ist's!
Befrackt und lackgestiefelt, blendend weiße Weste,
Begibt der Kriegsgewinnler sich zum Feste.
Man ißt, man trinkt, beglückwünscht Hindenburg,
Bersichert ihm: Wir halten tapfer durch!
Was künimertwciter sie auch Kampfund Tod der andern,
Wenn die Profite nur in ihre Tasche wandern!
Wehrmann R.Frtlsch, Flandern.
erlief. Dann regnete es Lobsprüche auf den
Schimmel, man ivarf ihn mit Blumen, hing
ihm Kränze um den Hals, und feine Damen
und Herren drängten sich heran, um ihm an-
erkennend und schmeichelnd den glänzenden
Rücken zu klopfen. Das waren die, die am
Totalisator auf ihn gesetzt hatten_
Von der Rennbahn gelangte der Schimmel
in den Stall eines Offiziers. Auch dies war
eine gute Zeit. Es fiel ihm ja nicht schwer,
einen Manu auf seinem Rücken zu tragen,
über den Exerzierplatz dahinzufegen oder vor
der schmetternden Regimentskapelle im Takt
dahinzutänzeln.
Sein Schicksal verdüsterte sich erst, als man
ihn vor eine Equipage spannte. Er konnte
sich nur schwer an die Deichsel gewöhnen und
schlug einige mit wütenden Husschlägen in
Splitter. Da bekam er zum ersten Male die
Peitsche zu spüren und fühlte die rücksichtslose
Allmacht der Wesen, die ihn regierten. Dicke
Schwielen zogen sich über die Lenden; denn
jede zerbrochene Deichsel kostete auch einen
Peitschenstock. Schließlich gab er es aus,
der höhere» Macht zu trotzen, aber die
Macht der Gewohnheit bezwang ihn erst
völlig, als man ihn bald darauf zum
Zugtier für eine ganz gewöhnliche Droschke
degradierte.
Ja, die Gewohnheit erwies sich sehr
viel stärker als die Peitsche, von der sein
neuer Lenker nur einen sehr schonenden
Gebrauch machte. Er mußte oft stunden-
lang müßig an den Straßenecken stehen,
mit loseil Zügeln und den Kopf im Futter-
eimer vergraben. Die Hitze schläferte ihn
ein, Kälte und Regen ließen ihn erschauern,
Faulheit und Müdigkeit überfielen ihn,
und er senkte den Kops wie all die andern
seiner Schicksalsgenossen, die stumpf vor
sich hin dösend in gleicher Reihe mit ihm
harrten. Und vielleicht träumte er schon
hier von vergangenen schöneren Tagen und
merkte nicht, ivie ihm die stolze Nacken-
linie immer mehr verdorben und wie er
ein fatalistischer Kopfhänger wurde.
Der Omnibusgesellschast, die ihn dann
kaufte, machte das nichts aus. Ihr war
es nicht darum zu tu», das ästhetische
Straßenbild zu verbessern. Der Dividende
konnte er aber noch nützen, denn der Schim-
mel zeigte sich auch jetzt noch als ein kräf-
tiges Tier mit einer mehr als gewöhnlichen
Elastizität. Mit Hilfe der braunen Stute
brachte er einen mit zwanzig Personen be-
ladenen Wagen ohne sonderliche Ermat-
tung von einem Ende der Stadt zum an-
dern. Es gab damals ja noch Hafer, und
der Schimmel blieb voll, rund und glän-
zend trotz seiner schweren Arbeit.
Aber dann kam der Krieg und damit
auch seine Leidenszeit. Die Haferrationen
schrumpften zusammen, ja, ganz allmählich
minderten sie sich mehr und mehr. Die
Fähigkeit, sich veränderten Umständen an-
zupassen, verließ den Schimmel. Er ver-
schmähte das Häcksel nicht, aber sein Rücken
schrumpfte im gleichen Verhältnis, wie die
Haserrationen zusammen; das glänzende
Haarkleid wandelte sich mit der Zeit in ein
stumpfes, borstiges Fell, und die Rippen
zeichneten sich immer deutlicher darunter ab.
Auch mit den Beinen ging eine seltsame Ver-
ändcrungvorsich: ihre letzte Elastizität schivand,
und sie glichen vier dünnen Pfählen, die öfter
in ihren Scharnieren einknickten und bei jedem
Schritt zu zerbrechen drohte». Dazu rieb das
Lederzeug blutige Wunden in die fleischlose
Haut.
Schließlich erschien der Schimmel nur noch
wie sein eigener Schatten. Manche von uns,
die ihn lange kannten, meinten, er trauere
darüber. Seine großen, feuchten Augen blickten
melancholisch, und wenn er zu kurzer Ruhe
auf dem Halteplatz ausgespannt wurde, legte
er seinen Kopf müde auf den Hals der braunen
Stute. So standen sie beide, eng aneinander-
geschmiegt, und regte» sich nicht.
Sonnenschein und Lampen — der Schimmel
begrüßte sie schon lange nicht mehr. Wie vielen
Menschen das Lachen, so war ihm das fröh-
liche Wiehern vergangen.
Nur neulich lieh er seine Stimme noch ein-
mal hören, wenn auch nicht freudig. Es hatte
o Die Börse, o
Oer Börse hat's in den Fingern gejuckt,
Oer Börse.
Oer Börse hat's durch die Glieder gezuckt,
Der Börse.
Oas Fieberthermometer stieg
lvie niemals noch in diesem Krieg.
Ts schrie in London, New lsork und Berlin
Die Börse.
Esjammerie „Goddam" und „lVaihgeschrien"
Oie Börse.
Der Kriegsspekulanten Hochfinanz
Drehte sich fast im Totentanz.
was hat aus Oämmerschlummer geweckt
Die Börse?
Was hat so gotterbärmlich erschreckt
Oie Börse?
Was bewegte den Grund des vörsenbaus?
Ts brach beinahe - der Friede aus!
Bald endet die wildeste Spekulation
Oer Börse.
Oas merkt allmählich der grünste Sohn
Oer Börse.
Tr seufzt: „Der Mensch gewöhnt sich an alles,
5Iuch an den Frieden und an den valles!"
Der Schimrnel.
Ein Pferdeschicksal. Von Pan.
Hat ein Pferd Erinnerungen? Der
Schimmel, der schon damals — zu Frie-
denszeiten — unseren Omnibus durch die
oft recht trüben Straßen der Stadt zog,
wieherte zuweilen fröhlich auf, wenn ihn
ein Sonnenstrahl traf. Die braune Stute
neben ihm hob kaum den Kops und trabte
gleichmütig dahin. Vielleicht war sie auf
dem Asphalt groß geivorden. Der Schim-
mel aber, dem sich damals das weiße Fell
noch glänzend über dem runden Rücken
spannte, mochte, wenn ihn die Sonne strei-
chelte, ivohl das Bild jener lichtgrünen,
eingehegte» Wiese am Waldrand sehen,
wo er seine ersten Sprünge gemacht und
sich mit anderen Fohlen in freien Spielen
und tollen Wettlaufen geübt hatte. Viel-
leicht stieg in ihm auch die Erinnerung an seine
Mutter, die weiße Stute, auf, die ihm so
bereitwillig Milch gab und Wärnie, wenn er
sich in den kühlen Sommernächten dicht an sie
schmiegte, den wetten, blauen Sternenhimmel
über sich. Und vielleicht waren es diese Sterne,
die in seinem Gedächtnis emportauchten, wenn
des Abends die unzähligen Lampen in den
Straßen der Stadt aufflammten, durch die
er dahintrabte. Denn so ermüdend auch sein
Tagewerk gewesen sein mochte: die ersten
Lichter begrüßte er mit erhobenem Kopf und
sreudigeni Wiehern.
Vielleicht auch gedachte er der späteren Tage
ruhmvollen Glanzes? Nach seiner ersten Ju-
gend war er in den Stall eines Trainers und
auf die Rennbahn geraten. Ja, da ging es
ihm gut. Man behandelte ihn wie eine höchst
kostbare, leicht zerbrechliche Sache, und in seiner
Krippe fand sich das beste, kräftigste Futter.
Er dankte es, indem er einigemal im Jahre
sein Höchstes an Kräften hergab und seinem
Besitzer einige Rennen mit großen Gewinnen
Am Sonntag!
Zum Gedächtnis des 23.Okkober 1917 am Südrande
des Houthoulster Waldes!
Sonntag ist's!
3n Flanderns sumpfiger Ebne tobt die Schlacht,
Vom wolkenlosen Himmel hell die Sonne lacht.
Die Lerche steigt im goldnen Morgenstrahl,
Bis hin zu ihren Höhn reicht nicht die Erdenqual.
And trillernd singt sie uns ihr schönstes Morgenlied,
Daß stilles Heimatsehnen unsre Brust durchzieht.
Sonntag ist's!
Und trotz des Tages heil'ger Weihe rast die Schlacht,
Der Donner rollt, es blitzt, es dampft, es kracht!
3m Trichter hocken zitternd wir, voll Kot,
Ergeben, stumpf erwarten wir den Tod!
Und einer Schwalbe, die im lichten Äther zieht,
Gibt jeder heiße Grüße an die Heimat mit!
Sonntag ist's!
Befrackt und lackgestiefelt, blendend weiße Weste,
Begibt der Kriegsgewinnler sich zum Feste.
Man ißt, man trinkt, beglückwünscht Hindenburg,
Bersichert ihm: Wir halten tapfer durch!
Was künimertwciter sie auch Kampfund Tod der andern,
Wenn die Profite nur in ihre Tasche wandern!
Wehrmann R.Frtlsch, Flandern.
erlief. Dann regnete es Lobsprüche auf den
Schimmel, man ivarf ihn mit Blumen, hing
ihm Kränze um den Hals, und feine Damen
und Herren drängten sich heran, um ihm an-
erkennend und schmeichelnd den glänzenden
Rücken zu klopfen. Das waren die, die am
Totalisator auf ihn gesetzt hatten_
Von der Rennbahn gelangte der Schimmel
in den Stall eines Offiziers. Auch dies war
eine gute Zeit. Es fiel ihm ja nicht schwer,
einen Manu auf seinem Rücken zu tragen,
über den Exerzierplatz dahinzufegen oder vor
der schmetternden Regimentskapelle im Takt
dahinzutänzeln.
Sein Schicksal verdüsterte sich erst, als man
ihn vor eine Equipage spannte. Er konnte
sich nur schwer an die Deichsel gewöhnen und
schlug einige mit wütenden Husschlägen in
Splitter. Da bekam er zum ersten Male die
Peitsche zu spüren und fühlte die rücksichtslose
Allmacht der Wesen, die ihn regierten. Dicke
Schwielen zogen sich über die Lenden; denn
jede zerbrochene Deichsel kostete auch einen
Peitschenstock. Schließlich gab er es aus,
der höhere» Macht zu trotzen, aber die
Macht der Gewohnheit bezwang ihn erst
völlig, als man ihn bald darauf zum
Zugtier für eine ganz gewöhnliche Droschke
degradierte.
Ja, die Gewohnheit erwies sich sehr
viel stärker als die Peitsche, von der sein
neuer Lenker nur einen sehr schonenden
Gebrauch machte. Er mußte oft stunden-
lang müßig an den Straßenecken stehen,
mit loseil Zügeln und den Kopf im Futter-
eimer vergraben. Die Hitze schläferte ihn
ein, Kälte und Regen ließen ihn erschauern,
Faulheit und Müdigkeit überfielen ihn,
und er senkte den Kops wie all die andern
seiner Schicksalsgenossen, die stumpf vor
sich hin dösend in gleicher Reihe mit ihm
harrten. Und vielleicht träumte er schon
hier von vergangenen schöneren Tagen und
merkte nicht, ivie ihm die stolze Nacken-
linie immer mehr verdorben und wie er
ein fatalistischer Kopfhänger wurde.
Der Omnibusgesellschast, die ihn dann
kaufte, machte das nichts aus. Ihr war
es nicht darum zu tu», das ästhetische
Straßenbild zu verbessern. Der Dividende
konnte er aber noch nützen, denn der Schim-
mel zeigte sich auch jetzt noch als ein kräf-
tiges Tier mit einer mehr als gewöhnlichen
Elastizität. Mit Hilfe der braunen Stute
brachte er einen mit zwanzig Personen be-
ladenen Wagen ohne sonderliche Ermat-
tung von einem Ende der Stadt zum an-
dern. Es gab damals ja noch Hafer, und
der Schimmel blieb voll, rund und glän-
zend trotz seiner schweren Arbeit.
Aber dann kam der Krieg und damit
auch seine Leidenszeit. Die Haferrationen
schrumpften zusammen, ja, ganz allmählich
minderten sie sich mehr und mehr. Die
Fähigkeit, sich veränderten Umständen an-
zupassen, verließ den Schimmel. Er ver-
schmähte das Häcksel nicht, aber sein Rücken
schrumpfte im gleichen Verhältnis, wie die
Haserrationen zusammen; das glänzende
Haarkleid wandelte sich mit der Zeit in ein
stumpfes, borstiges Fell, und die Rippen
zeichneten sich immer deutlicher darunter ab.
Auch mit den Beinen ging eine seltsame Ver-
ändcrungvorsich: ihre letzte Elastizität schivand,
und sie glichen vier dünnen Pfählen, die öfter
in ihren Scharnieren einknickten und bei jedem
Schritt zu zerbrechen drohte». Dazu rieb das
Lederzeug blutige Wunden in die fleischlose
Haut.
Schließlich erschien der Schimmel nur noch
wie sein eigener Schatten. Manche von uns,
die ihn lange kannten, meinten, er trauere
darüber. Seine großen, feuchten Augen blickten
melancholisch, und wenn er zu kurzer Ruhe
auf dem Halteplatz ausgespannt wurde, legte
er seinen Kopf müde auf den Hals der braunen
Stute. So standen sie beide, eng aneinander-
geschmiegt, und regte» sich nicht.
Sonnenschein und Lampen — der Schimmel
begrüßte sie schon lange nicht mehr. Wie vielen
Menschen das Lachen, so war ihm das fröh-
liche Wiehern vergangen.
Nur neulich lieh er seine Stimme noch ein-
mal hören, wenn auch nicht freudig. Es hatte