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geschneit; der Schnee be-
gann zu schmelzen und
wandelte sich auf den
Straßen der Stadt in
nassen und glitschigen
Schmutz. Der Omnibus
war dichtgefüllt von
Menschen.Schtmmelund
Stute quälten sich nur
langsai» mit ihm vor-
wärts. Immer wieder
glitten die Hufe auf dem
nassen, glatte» Asphalt
aus, immer wieder riß
der fluchende Kutscher
die stolpernden Pferde
an den Zügeln empor.
Tiefgesenkt die Köpfe,
mit stöhnender Brust,
alle Muskeln gespannt
in letzter Kraft, so ging's
im Schneckentempo da-
hin. Wie faustdicke Strie-
ruen traten die Rippen
aus den abgemagerten,
dampfenden Leibern her-
vor. Als es die kleine Er-
höhung zur Brücke hin-
aufging, blieb derSchim-
mel keuchend und zit-
ternd stehen. Der Kut-
scher fluchte, die Peitsche
sprach, aber nichts ver-
mochtedem Versagenden
die fehlende Kraft ein-
zuflößen. Da traf ihn
die Schnur senkrecht über
die Stirn — er tat einen
kleinen Sprung, schlug
aus, zerschmetterte die
Deichsel, fiel und brach
ein Bein.
Wohl hundert Leute
standen um ihn herum
und betrachteten ihn mit-
Der unschuldsvolle John Bull
in Irland, Ägypten und Indien.
»England war und ist immer für die Freiheit und ist nie für egoistische Zwecke
in den Krieg gezogen.« <Bolfour.>
leidig. Sie sprachen zu
ihm. Da versuchte er es,
den Kops zu erheben,
wieherte schrill und kur;
auf, und legte ihn wie-
der aufs Pflaster. Viel-
leicht wußte er es, daß
sich sein Schicksal nun
vollendet hatte. . . .
Er wurde erstochen
und an einen Roßschläch-
ter verkauft. Der wird
ihm das letzte Fleisch von
den Rippen schaben, und
niemand wird es der
Wurst ansehen, daß sie,
die Hungrige erquickt, in
lebenderForm selbst ver-
hungerte. Die Haut wird
unsere Füße wärmen,
und Mähne und Schweif
wandern in kostbare
Polsterkissen, die irgend-
einen Diwan schmücken.
Nur das letzte Wiehern
kann nicht verarbeitet
werden. Und das ist gut
so. Denn es klang an-
klagend und grollend,
fast wie ein Schimpf-
wort: . .. Bande!
Pferde haben wohl Er-
innerungen, aber keinen
Verstand.
Glosse.
Zu der Kriegsfurie
Bändigung. — wie toll
sie's auch noch treibt, —
doch immer die Verstän-
digung — als letzte Zu-
fluchtbleibt.— Weilsonst
int Meer von Blut und
Not — der Untergang
der Völker droht.
Die beiden Grenadiere in Berlin.
Frei nach Leine.
Zum Klubhaus zogen zwei Grenadier',
Die waren im Kriege verstümmelt —
Man hat sie in der Versammlung dafür
Gefeiert und angehimmelt.
Da sprach der erste: „O weh! o weh!
Wie wird mir davon so übel!
Das ist noch der alte Kohl von eh'!
Fast zieht er mir aus die Stiebe!!"
Der zweite: „Man spricht nur von Annexion!
Kein Wort vom Leiden und Sterben!
Das ist wahrhaftig der reinste Lohn —
Die rede» als lachende Erben!"
Kaum ward es ruchbar, daß diese zwei
Nicht in das Lorn mit gedudelt.
Erhob sich donnernd ein groß Geschrei,
Schwer ward ihre Ehre besudelt.
Sie hieben >vild auf die Krüppel ein
Mit Fäusten und Schirmen und Stöcken,
Und alle benahmen sich hundsgemein.
In Fräcken und Untere öcken
Erst draußen vorm Tor, an der Straße Rand,
Da fanden die beiden sich wieder.
Befühlten die Knochen mit tastender Land
Und rieben die schmerzenden Glieder.
Der erste sprach: „Wie weh wird mir!
Mich brennt meine alte Wunde!
Uns hat die heuchelnde Sippe hier
Behandelt wie räudige Lunde!"
Der zweite sagte: „Das größte Maul
Lat immer der Wicht hinterm Ofen!
Es ist noch immer gar vieles faul
Im Land der Schranzen und Zofen!"
Und seufzend humpelten in die Nacht.
Die zwei, die doppelt geschlagen.
And haben noch allerlei gedacht.
Was hier nicht weiter zu sagen. s. Kl.
Aus deiu Tagebuch eines „Fuhnnanns".
Man kann auch hinterm Ofen tapfer sein, —
wenn man nur die nötige Frechheit dazu hat.
Bor dem Eisernen Kreuz alle Achtung, —
aber die eiserne Stirn siebt doch noch höher.
Es genügt nicht, daß einer seine gesunden
Knochen dem Vaterland gegeben hat, — er muß
nur auch noch seine Überzeugung dazu opfern.
Das weibliche Geschlecht hat seine Gleich-
berechtigung mit dem männlichen nunmehr
bewiesen, — die Damen der Vaterlandspartei
haben ebenso tapfer auf die Kriegskrüppel
drcingeschlagen wie die Herren.
Ein echter Fuhrmann muß nicht nur flu-
chen, er muß auch andern die Peitsche um
die Ohren hauen können.
Auch fürs große Maul sollte es eine Ver-
dienstmedaille geben, — denn von dem vielen
Auf- und Zuklappen könnte es leicht mal be-
schädigt werden. .
Wenn ich die Karre in den Dreck gefahren
habe, mögen sie die andern wieder herausziehen.
^eldpostbeftellungen + +
auf den Wahren Jacob
werden pünktlich ausgeführt durch die
Expedition des Wahren Jacob, Stuttgart.
geschneit; der Schnee be-
gann zu schmelzen und
wandelte sich auf den
Straßen der Stadt in
nassen und glitschigen
Schmutz. Der Omnibus
war dichtgefüllt von
Menschen.Schtmmelund
Stute quälten sich nur
langsai» mit ihm vor-
wärts. Immer wieder
glitten die Hufe auf dem
nassen, glatte» Asphalt
aus, immer wieder riß
der fluchende Kutscher
die stolpernden Pferde
an den Zügeln empor.
Tiefgesenkt die Köpfe,
mit stöhnender Brust,
alle Muskeln gespannt
in letzter Kraft, so ging's
im Schneckentempo da-
hin. Wie faustdicke Strie-
ruen traten die Rippen
aus den abgemagerten,
dampfenden Leibern her-
vor. Als es die kleine Er-
höhung zur Brücke hin-
aufging, blieb derSchim-
mel keuchend und zit-
ternd stehen. Der Kut-
scher fluchte, die Peitsche
sprach, aber nichts ver-
mochtedem Versagenden
die fehlende Kraft ein-
zuflößen. Da traf ihn
die Schnur senkrecht über
die Stirn — er tat einen
kleinen Sprung, schlug
aus, zerschmetterte die
Deichsel, fiel und brach
ein Bein.
Wohl hundert Leute
standen um ihn herum
und betrachteten ihn mit-
Der unschuldsvolle John Bull
in Irland, Ägypten und Indien.
»England war und ist immer für die Freiheit und ist nie für egoistische Zwecke
in den Krieg gezogen.« <Bolfour.>
leidig. Sie sprachen zu
ihm. Da versuchte er es,
den Kops zu erheben,
wieherte schrill und kur;
auf, und legte ihn wie-
der aufs Pflaster. Viel-
leicht wußte er es, daß
sich sein Schicksal nun
vollendet hatte. . . .
Er wurde erstochen
und an einen Roßschläch-
ter verkauft. Der wird
ihm das letzte Fleisch von
den Rippen schaben, und
niemand wird es der
Wurst ansehen, daß sie,
die Hungrige erquickt, in
lebenderForm selbst ver-
hungerte. Die Haut wird
unsere Füße wärmen,
und Mähne und Schweif
wandern in kostbare
Polsterkissen, die irgend-
einen Diwan schmücken.
Nur das letzte Wiehern
kann nicht verarbeitet
werden. Und das ist gut
so. Denn es klang an-
klagend und grollend,
fast wie ein Schimpf-
wort: . .. Bande!
Pferde haben wohl Er-
innerungen, aber keinen
Verstand.
Glosse.
Zu der Kriegsfurie
Bändigung. — wie toll
sie's auch noch treibt, —
doch immer die Verstän-
digung — als letzte Zu-
fluchtbleibt.— Weilsonst
int Meer von Blut und
Not — der Untergang
der Völker droht.
Die beiden Grenadiere in Berlin.
Frei nach Leine.
Zum Klubhaus zogen zwei Grenadier',
Die waren im Kriege verstümmelt —
Man hat sie in der Versammlung dafür
Gefeiert und angehimmelt.
Da sprach der erste: „O weh! o weh!
Wie wird mir davon so übel!
Das ist noch der alte Kohl von eh'!
Fast zieht er mir aus die Stiebe!!"
Der zweite: „Man spricht nur von Annexion!
Kein Wort vom Leiden und Sterben!
Das ist wahrhaftig der reinste Lohn —
Die rede» als lachende Erben!"
Kaum ward es ruchbar, daß diese zwei
Nicht in das Lorn mit gedudelt.
Erhob sich donnernd ein groß Geschrei,
Schwer ward ihre Ehre besudelt.
Sie hieben >vild auf die Krüppel ein
Mit Fäusten und Schirmen und Stöcken,
Und alle benahmen sich hundsgemein.
In Fräcken und Untere öcken
Erst draußen vorm Tor, an der Straße Rand,
Da fanden die beiden sich wieder.
Befühlten die Knochen mit tastender Land
Und rieben die schmerzenden Glieder.
Der erste sprach: „Wie weh wird mir!
Mich brennt meine alte Wunde!
Uns hat die heuchelnde Sippe hier
Behandelt wie räudige Lunde!"
Der zweite sagte: „Das größte Maul
Lat immer der Wicht hinterm Ofen!
Es ist noch immer gar vieles faul
Im Land der Schranzen und Zofen!"
Und seufzend humpelten in die Nacht.
Die zwei, die doppelt geschlagen.
And haben noch allerlei gedacht.
Was hier nicht weiter zu sagen. s. Kl.
Aus deiu Tagebuch eines „Fuhnnanns".
Man kann auch hinterm Ofen tapfer sein, —
wenn man nur die nötige Frechheit dazu hat.
Bor dem Eisernen Kreuz alle Achtung, —
aber die eiserne Stirn siebt doch noch höher.
Es genügt nicht, daß einer seine gesunden
Knochen dem Vaterland gegeben hat, — er muß
nur auch noch seine Überzeugung dazu opfern.
Das weibliche Geschlecht hat seine Gleich-
berechtigung mit dem männlichen nunmehr
bewiesen, — die Damen der Vaterlandspartei
haben ebenso tapfer auf die Kriegskrüppel
drcingeschlagen wie die Herren.
Ein echter Fuhrmann muß nicht nur flu-
chen, er muß auch andern die Peitsche um
die Ohren hauen können.
Auch fürs große Maul sollte es eine Ver-
dienstmedaille geben, — denn von dem vielen
Auf- und Zuklappen könnte es leicht mal be-
schädigt werden. .
Wenn ich die Karre in den Dreck gefahren
habe, mögen sie die andern wieder herausziehen.
^eldpostbeftellungen + +
auf den Wahren Jacob
werden pünktlich ausgeführt durch die
Expedition des Wahren Jacob, Stuttgart.