-. 9440
o 3n Italien, o
»Wenn Frieden gemacht wird, haben die italienischen Bau-
arbeiter bei sich zu Hause genug zu tun, — vor ihrer Konkur-
renz sind wir Maurer auf lange Zeit gesicherte«
Der Mantel.
Wozu ist ein Mantel gut?
Welche Frage! Nun, mir deucht:
Daß uns aus Gebein und Blut
Nicht die Wärme ganz entfleucht.
Ja gewiß, hm hm, ja ja.
Mildern dieser Kälte Joch,
Dazu ist ein Mantel da.
Aber wozu dient er noch?
Wann die Weste dir versengt
Oder löchrig und zerstückt
In den letzten Nähten hängt.
Kurz: wenn du beschmiert, geflickt
Meinst, daß besser still verborgen
Bleibt, was nach dem Schneider schreit.
Lullst du deine bangen Sorgen
In des Mantels Duldsamkeit.
Und nun sieh, was mich bewegt:
Wenn um Wahlgesetze man
Fingerfix 'nen „Mantel" schlägt,
Was bedeutet dieses dann?
Kneift der Frost in den Gedärmen?
Wird die Weste scheu versteckt?
Will man uns das Blut erwärmen?
Oder ist der Rock bedreckt? Pec.
Winter-Bilder.
Skizzen von tz). E.
Mann über Bord.
Um zwölf Uhr meldet der Ausguck:
„Helgoland an Steuerbord", Das U-
Boot jagt weiter. Wachwechsel tritt ein; die
Backbordwache löst ab. Das U-Boot jagt dahin.
Sternenlos und schwarz ist der Himmel, an
dem sich schwere Wolken ballen und zerfließen.
Der Wind pfeift über die Wasserfläche und
wuchtige Spritzer platschen auf das Deck.
Es ist eisig kalt. Das ganze Schiff ist von
einer dicken Eisschicht überzogen, die seine
Umrisse seltsam und lustig verändert. Wenn
der Mond einmal darüber huscht, sieht es wie
ein Werk aus Zuckerguß aus, das der Kon-
ditor noch nicht geglättet und gesäubert hat.
Aber es ist niemand da, der dafür Sinn hat.
Einsam jagt das Schiff durch die Wasserwüste.
Der Ausguckposten meldet: „Feindlicher
Doppeldecker achteraus in Sicht!" Und schon
hört man das Surren der Propeller im Nebel-
dunst. Das Signal ertönt, das Boot klar zum
Tauchen zu machen. Denn das Boot ist vom
Flieger anscheinend bemerkt worden. Eine
Bombe schlägt ins Wasser — • aber soweit ab,
daß nicht einmal ein Spritzer das Ziel trifft.
Die obere Turmklappe wird geschlossen, rau-
schend strömt das Wasser in die Außenbord-
tanks ein; das Schiff taucht. Die Petroleum-
motoren schweigen; der Elektromotor treibt
die Schrauben an.
Tie Matrosen sind schweigend an der Ar-
beit. Sprechen ist unmöglich: der Lärm des
Motors, das Donnern des Wassers erstickt
jeden Laut; dazu lähmt der Petroleumdunst
in deni engen Raum die Lungen.
Aller Gedanken sind bei dem unsichtbaren
Feind da droben. Wenn er trifft, daß die
Maschine zerstört wird und das Wasser ein-
dringt, sind sie alle verloren. Dann sinien sie
rettungslos zum Grund — mit ihnen die Hoff-
nungen ihrer Lieben zu Hause.
Eine bange, qualvolle Viertelstunde. Einmal
schlägt etwas hart und schwer an die Eisen-
wand -geht es zu Ende?
Gott sei Dank, das Signal „Auftauchen"
leuchtet an der Signalscheibe auf! Das Boot
steigt. Aber das Periskop scheint beschädigt-
Zwei klettern nach draußen. Aus der Ferne
verklingt das Surren der Propeller; vielleicht
meldet der feindliche Flieger, daß er das
U-Boot in den Grund gebohrt hat, und trägt
eine Belohnung davon. Mag er.
Die Beiden sind warm eingehüllt. Aber die
Hände, die sich an der Eiskruste halten müssen,
erstarren trotz der Pelzhandschuhe.
Und nun gleitet der eine aus: der junge
Henrichs von der Wasserkante! Er hat eine
Mutter und eine Braut zu Hause-
Der Kamerad will ihm die Hand geben.
Aber es ist zu spät. Im Morgendämmern
sieht er ihn in den grünen Wellen der Nord-
see versinken.
Eine Weile sucht das Schiff nach dem Ver-
sunkenen. Dann muß es fort, denn die See
geht hoch und der Feind ist nah.
Zwei Frauen in Hamburg werden nun
weinen müssen. . . .
Der Traum.
Sie sitzen in der Teestube, mißmutig und
schlechter Laune.
Der Tee ist noch echter schwarzer Tee, nicht
das Kräutcrzeug, das sonst überall dafür aus-
gegeben wird. AberdieseSacharintabletten statt
Zucker und das Kriegsmehl im Apfelkuchen
brr! Selbst die Musik — drei blasse geigende
Mädchen — scheint nicht bei Stimmung zu
sein. Die Langeweile nistet in dem eleganten,
überfüllten, einst so unterhaltenden Lokal.
Die Blonde seufzt: „Sonst unterhielt
man sich um diese Jahreszeit vom be-
vorstehenden Ball. Ach ja!"
Die Brünette stimmt ein: „Und man
überlegte sich, welchen Rivierakurort
man wählen sollte."
Riviera —-! Und nun sind sie
Feuer und Flamme. Das Gespräch, das
bisher langsam wie Tautropfen dahin-
lief, wird nun ein fröhlich plätschern-
des Gewässer.
„Denkst du noch an den Karneval in
Nizza? An die lustigen Triumphbogen
und an die Blumenschlacht?"
„Auf dem Maffenaplatz ragte eine
riesige Giraffe, künstlich aus Glühlich-
tern geformt —"
„Warst du auf der silbergrauen Re-
doute und der weißen Samt- und
Seidenredoute im Kasino?"
„Ja. Ach, und diese Palmen —"
und dieser Tango —"
und die Spielsäle und die Oper
in Monte Carlo!"
Die Musik seht mit einem Operetten-
walzer ein, so einem recht schmalzigen
Sehnsuchtswalzer. Beide summen die
Melodie mit; sie paßt vortrefflich zu
ihren Träumen.
Dann übermannt sie wieder die Er-
innerung. Und laut, um gegen die
Melodie auszukommen, erzählen sie ein-
ander von den Fürstlichkeiten, die sie
dort gesehen: von dem portugiesischen
Thronprätendenten, von dem russischen Groß-
fürsten, der lächelnd ein Vermögen verlor, von
der Exkaiserin Eugenie in ihrer Villa Kyrnos,
von der Geliebten des früheren belgischen
Königs-
Die Musik schweigt.
Man muß wieder leiser sprechen.
„Ist nicht alles wie ein Traum, Edith?"
„Ja, wie ein Traum. Wann wird er wieder
in Erfüllung gehen?"
„Ach, Edith, ich glaube kaum mehr daran.
Dieser ekelhafte Krieg benimmt einem alle
Lebenslust."
Und seufzend verzehrt sie den letzten Rest
des Apfelkuchens.
Die Unbekannte.
Auf der Freitreppe drängt sich eine Menge
Herren und Damen. Alle sind in Pelze ge-
hüllt und die Hände der Damen sind in rie-
sigen Muffs verborgen.
Oben im Oberlichtsaal, wo in Friedens-
zeiten nur Konzerte abgehalten werden, findet
ein Verkauf von Kriegserfindungen statt. Es
ist dort eine ganze Ausstellung, auf die die
Zeitungen tagtäglich hingewiesen haben.
Heute ist der Eröffnungstag. Eine Rede wird
gehalten werden. Und dann kann der Verkauf
losgehen. „Zum Besten der-" Aber
wer kümmert sich hier darum, zu welchem
Besten das geschieht?
Die Rede ist auf die Sätze gestimmt: „Der
Erfindergeist ruht nicht. Der Krieg hat alle
geistige Fähigkeiten erst recht zur Entwicklung
gebracht. Es lebe die Kultur!"
Rasch verteilt sich dann die Menge in den
Sälen. Die Erfindungen aus dem Bereich der
Bekleidungsindustrie und derKriegsausrüstung
o 3n Italien, o
»Wenn Frieden gemacht wird, haben die italienischen Bau-
arbeiter bei sich zu Hause genug zu tun, — vor ihrer Konkur-
renz sind wir Maurer auf lange Zeit gesicherte«
Der Mantel.
Wozu ist ein Mantel gut?
Welche Frage! Nun, mir deucht:
Daß uns aus Gebein und Blut
Nicht die Wärme ganz entfleucht.
Ja gewiß, hm hm, ja ja.
Mildern dieser Kälte Joch,
Dazu ist ein Mantel da.
Aber wozu dient er noch?
Wann die Weste dir versengt
Oder löchrig und zerstückt
In den letzten Nähten hängt.
Kurz: wenn du beschmiert, geflickt
Meinst, daß besser still verborgen
Bleibt, was nach dem Schneider schreit.
Lullst du deine bangen Sorgen
In des Mantels Duldsamkeit.
Und nun sieh, was mich bewegt:
Wenn um Wahlgesetze man
Fingerfix 'nen „Mantel" schlägt,
Was bedeutet dieses dann?
Kneift der Frost in den Gedärmen?
Wird die Weste scheu versteckt?
Will man uns das Blut erwärmen?
Oder ist der Rock bedreckt? Pec.
Winter-Bilder.
Skizzen von tz). E.
Mann über Bord.
Um zwölf Uhr meldet der Ausguck:
„Helgoland an Steuerbord", Das U-
Boot jagt weiter. Wachwechsel tritt ein; die
Backbordwache löst ab. Das U-Boot jagt dahin.
Sternenlos und schwarz ist der Himmel, an
dem sich schwere Wolken ballen und zerfließen.
Der Wind pfeift über die Wasserfläche und
wuchtige Spritzer platschen auf das Deck.
Es ist eisig kalt. Das ganze Schiff ist von
einer dicken Eisschicht überzogen, die seine
Umrisse seltsam und lustig verändert. Wenn
der Mond einmal darüber huscht, sieht es wie
ein Werk aus Zuckerguß aus, das der Kon-
ditor noch nicht geglättet und gesäubert hat.
Aber es ist niemand da, der dafür Sinn hat.
Einsam jagt das Schiff durch die Wasserwüste.
Der Ausguckposten meldet: „Feindlicher
Doppeldecker achteraus in Sicht!" Und schon
hört man das Surren der Propeller im Nebel-
dunst. Das Signal ertönt, das Boot klar zum
Tauchen zu machen. Denn das Boot ist vom
Flieger anscheinend bemerkt worden. Eine
Bombe schlägt ins Wasser — • aber soweit ab,
daß nicht einmal ein Spritzer das Ziel trifft.
Die obere Turmklappe wird geschlossen, rau-
schend strömt das Wasser in die Außenbord-
tanks ein; das Schiff taucht. Die Petroleum-
motoren schweigen; der Elektromotor treibt
die Schrauben an.
Tie Matrosen sind schweigend an der Ar-
beit. Sprechen ist unmöglich: der Lärm des
Motors, das Donnern des Wassers erstickt
jeden Laut; dazu lähmt der Petroleumdunst
in deni engen Raum die Lungen.
Aller Gedanken sind bei dem unsichtbaren
Feind da droben. Wenn er trifft, daß die
Maschine zerstört wird und das Wasser ein-
dringt, sind sie alle verloren. Dann sinien sie
rettungslos zum Grund — mit ihnen die Hoff-
nungen ihrer Lieben zu Hause.
Eine bange, qualvolle Viertelstunde. Einmal
schlägt etwas hart und schwer an die Eisen-
wand -geht es zu Ende?
Gott sei Dank, das Signal „Auftauchen"
leuchtet an der Signalscheibe auf! Das Boot
steigt. Aber das Periskop scheint beschädigt-
Zwei klettern nach draußen. Aus der Ferne
verklingt das Surren der Propeller; vielleicht
meldet der feindliche Flieger, daß er das
U-Boot in den Grund gebohrt hat, und trägt
eine Belohnung davon. Mag er.
Die Beiden sind warm eingehüllt. Aber die
Hände, die sich an der Eiskruste halten müssen,
erstarren trotz der Pelzhandschuhe.
Und nun gleitet der eine aus: der junge
Henrichs von der Wasserkante! Er hat eine
Mutter und eine Braut zu Hause-
Der Kamerad will ihm die Hand geben.
Aber es ist zu spät. Im Morgendämmern
sieht er ihn in den grünen Wellen der Nord-
see versinken.
Eine Weile sucht das Schiff nach dem Ver-
sunkenen. Dann muß es fort, denn die See
geht hoch und der Feind ist nah.
Zwei Frauen in Hamburg werden nun
weinen müssen. . . .
Der Traum.
Sie sitzen in der Teestube, mißmutig und
schlechter Laune.
Der Tee ist noch echter schwarzer Tee, nicht
das Kräutcrzeug, das sonst überall dafür aus-
gegeben wird. AberdieseSacharintabletten statt
Zucker und das Kriegsmehl im Apfelkuchen
brr! Selbst die Musik — drei blasse geigende
Mädchen — scheint nicht bei Stimmung zu
sein. Die Langeweile nistet in dem eleganten,
überfüllten, einst so unterhaltenden Lokal.
Die Blonde seufzt: „Sonst unterhielt
man sich um diese Jahreszeit vom be-
vorstehenden Ball. Ach ja!"
Die Brünette stimmt ein: „Und man
überlegte sich, welchen Rivierakurort
man wählen sollte."
Riviera —-! Und nun sind sie
Feuer und Flamme. Das Gespräch, das
bisher langsam wie Tautropfen dahin-
lief, wird nun ein fröhlich plätschern-
des Gewässer.
„Denkst du noch an den Karneval in
Nizza? An die lustigen Triumphbogen
und an die Blumenschlacht?"
„Auf dem Maffenaplatz ragte eine
riesige Giraffe, künstlich aus Glühlich-
tern geformt —"
„Warst du auf der silbergrauen Re-
doute und der weißen Samt- und
Seidenredoute im Kasino?"
„Ja. Ach, und diese Palmen —"
und dieser Tango —"
und die Spielsäle und die Oper
in Monte Carlo!"
Die Musik seht mit einem Operetten-
walzer ein, so einem recht schmalzigen
Sehnsuchtswalzer. Beide summen die
Melodie mit; sie paßt vortrefflich zu
ihren Träumen.
Dann übermannt sie wieder die Er-
innerung. Und laut, um gegen die
Melodie auszukommen, erzählen sie ein-
ander von den Fürstlichkeiten, die sie
dort gesehen: von dem portugiesischen
Thronprätendenten, von dem russischen Groß-
fürsten, der lächelnd ein Vermögen verlor, von
der Exkaiserin Eugenie in ihrer Villa Kyrnos,
von der Geliebten des früheren belgischen
Königs-
Die Musik schweigt.
Man muß wieder leiser sprechen.
„Ist nicht alles wie ein Traum, Edith?"
„Ja, wie ein Traum. Wann wird er wieder
in Erfüllung gehen?"
„Ach, Edith, ich glaube kaum mehr daran.
Dieser ekelhafte Krieg benimmt einem alle
Lebenslust."
Und seufzend verzehrt sie den letzten Rest
des Apfelkuchens.
Die Unbekannte.
Auf der Freitreppe drängt sich eine Menge
Herren und Damen. Alle sind in Pelze ge-
hüllt und die Hände der Damen sind in rie-
sigen Muffs verborgen.
Oben im Oberlichtsaal, wo in Friedens-
zeiten nur Konzerte abgehalten werden, findet
ein Verkauf von Kriegserfindungen statt. Es
ist dort eine ganze Ausstellung, auf die die
Zeitungen tagtäglich hingewiesen haben.
Heute ist der Eröffnungstag. Eine Rede wird
gehalten werden. Und dann kann der Verkauf
losgehen. „Zum Besten der-" Aber
wer kümmert sich hier darum, zu welchem
Besten das geschieht?
Die Rede ist auf die Sätze gestimmt: „Der
Erfindergeist ruht nicht. Der Krieg hat alle
geistige Fähigkeiten erst recht zur Entwicklung
gebracht. Es lebe die Kultur!"
Rasch verteilt sich dann die Menge in den
Sälen. Die Erfindungen aus dem Bereich der
Bekleidungsindustrie und derKriegsausrüstung