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9445

„Das ist brav von dir, mein Junge, deinen invaliden Vater zu fahren;

aber warum spielst du dabei die Harmonika?"

„Vater war bei die Spielleute und meint, init Musike gehts Fechten besser!"

M NovelMne.

I Von einer Frage wird bewegt die Welt,

Die von der Menschheit kaum zu lösen ist,
i Die blutend und zerfetzt am Boden liegt,

> Und deren Jammerschrei bis in die Wolken dringt;
Das ist die Frage, wer hat angefacht
Den Krieg, der ganz Europa bis ins Innerste
-Durchschüttert und zum Trümmerhaufen macht?

Kein Volk will schuldig sein an diesem Schrecknis,
Und dennoch trägt das Volk allüberall
Die gleiche Schuld an diesem Weltenbrand,
Der nur entstanden ist aus Habsucht,

" Mißgunst, scheelem Neid und Haß —
tf. Bis alles sprang im Tanz ums goldne Kalb.

Früher war der Deutsche das Schaf, auf dem alles abgeladen
iverden konnte, jetzt ist »ach amerikanischer Auffassung der Deutsche
der Inbegriff aller verschmitzten Schlauheit der Wilden, aber nur
noch raffinierter und mörderischer.

In den Archiven fanden
Die Russen manchen Wicht,

Der Spitzeldienste leistete
Dem zarischen Gezücht.

Auch hier ist's nicht viel anders,

Mit diesem säubern Htaud,

Der heut' noch wandelt in Ehren
Mit Stern und Ordensband.

Bei der Abreise amerikanischer Truppen nach Europa sagte Wilson:
Ich wünsche euch eine glückliche Ankunft, damit ihr den Germans
zeigen könnt, was 'ne Harke ist, — werdet ihr aber torpediert, dann
sollen eure Namen mit goldener Schrift in das goldene Buch der New
Aorker Börse eingetragen werden. Ahr getreuer Säge, Schreiner.

Annexionisten-Klagelied.

Beim Frieden mit der Ukraine.

Es, es, es und es
Stört alle Tradition:

Es, es, es und es
ging ohne Annexion!

Mein armes Herz kriegt einen Sprung:
Es gab auch nicht Entschädigung!

Was nützen da die Kriege
Und Siege?

So, so so und so

Lab' ich mir's nicht gedacht.

So, so, so und so

Ist es nicht klug gemacht:

Die Völker seh'n nicht meinen Schmerz
And machen's so auch anderwärts —

Was soll ich dann noch schwätzen

And Hetzen!? E.

Die drei Läufer.

Szene: Hintere Plattform eines Berliner Stratzen-
bahnwagenr. Personen: ein Großagrarier, ein Ber-
liner Bürger, ein Arbeiter.

Großagrarier (zum Bürger): Ja ja, mein
Verehrtester, die Fettlebe hat jetzt ein Ende
für die Berliner. Sie haben doch in den Zei-
tungen gelesen: alle Hamster kommen ins
Zuchthaus!

Berliner Bürger (wütend): Und die Nicht-
hamster ins Irrenhaus!

Arbeiter: Entschuldigen die Herren. Wissen
Sie auch, wohin alle die Großagrarier kom-
men, die bei ihren Schiebungen nicht abgefaßt
werden? (Großagrarier lind Bürger schweigen.1 Ins
Herrenhaus! Eugen.

Lieber Jacob!

De Pollezei hat jeder lieb. Wenn ick bloß
eenen Schutzmann bejejne, denn schlägt mein
Herz jleich in heheren Schwung, un det muß
schon een janz verrohter Roter sind, der nich
unwillkierlich uffjubelt, >venn een janzer
Siejeszug Blaue um de Ecke biegt un sich
sejenspendend unter det ieberraschte Volk
mischt! Ick hatte immer jejloobt, so ver-
ehrungswirdig wie bei uns in Berlin is de
Pollezei sonst nirjends; aber ick habe mir darin
jetäuscht: in andere Städte wird se noch ville
mehr jeschätzt, un de unieberwindlichste Hoch-
achtung scheint se in Breslau zu jenießen.
Dort bemieht sich Majiftrat un Birjerschaft
mit vereinte Kräfte, de Schutzjeister andauernd
in juten Futterzustand zu erhalten. Alle Brot-
un Fleeschmarken, die die aus de Stadt weg-
jezogenen Breslauer iebriglaffen, werden von
wohltätige Birjermädchen, die in de Karten-
ausjabe beschäftigt sind, an de Blauen ver-
schonken, die uff diesen Weje andauernd Fett-
lebe machen un det jemeine unvernimftije Volk
mit jütem Beispiel zeijen kennen, wie een echter
Patriot vermittelst de landesiebliche Opfer-
freidigkeit durchzuhalten imstande is. Un als
een Staatsanwalt det Jeschäft mißverstand un
jejen de Blauen Anklage von wejen Hehlerei
un unbefugte Benutzung von Lebensmittel-
karten erhob, da erklärte der Breslauer Maji-
strat, det er de Schutzmannschaft bis zum
Pollezeipräsedenten ruff for Schwerarbeeter
estimiere, un det er se deshalb ooch dem An-
spruch uff vermehrte Ernährungszufuhr un-
weijerlich zubillijen misse. Un det Jericht sprach
de anjeklagten Blauen frei, weil se sich de un-

befugten Brot- un Fleeschmarken in juten
Jlauben zu Jemiete jefiehrt hätten.

Warum — frage ick nu — kann diese ver-
ehrungsivirdije Jnrichtung nich ooch in Berlin
jetroffen werden? Denn ick habe ooch unseren
Pollezeipräsedenten un die ihm unterjebenen
Heerscharen schon lange in Verdacht, det se
verschämte Schwerstarbeeter sind un sich det
aus Bescheidenheit man bloß nich anmerkeu
lassen wollen. Aber leider ziehen aus Berlin,
wo et doch jetz so scheen is, verstehste, so
wenig Einwohner weg, det von ihre zurick-
jelassene Brotmarken keen Blauer nich fett
werden kann. Un dadrum schlage ick erjebenst
vor, det allen den Birjern, die wejen Wider-
stand jejen de Staatsjewalt un ähnliche Ver-
kehrssteerungen uff de Straße jefaßt worden
sind, ihre sämtliche Lebensmittelkarten entzogen
un de Schutzmannschaft zu jietije Benutz-
nießung anheimjestellt werden. Da wird 'ne
schwere Menge Zusammenkommen un diese
Maßrejelung wirde for alle Juljesinnteu een
scheenes abschreckendes Beispiel abjeben, un
dem Tätlichkeitsdrang der Pollezei womeeglich
noch zu jlanzvollere Leistungen anspornen!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

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pünktlich ausgeführt durch die

Expedition des Wahren Jacob, Stuttgart.

Redaktlonsschkuß 18. Februar 1818.
 
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