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* 9457


Schiebers Freud und Leid.

»Na, wie ist dein Prozeß ausgegangen?«

»Zwölfhundert Mark Strafe habe ich berappen müssen, so daß nur noch 8800 Mark
von meinem Verdienst bei der Schiebung übriggeblieben sind.«

Sorgen.

Skizze von Karl Bröger.

Kommerzienrat Theobald
Beck, Inhaber der großen
Webwarenfabrik, trommelte
mißvergnügt auf den schwe-
ren Eichentisch in seinem
Privatkontor. Eine heillose
Zeit, seit dieser Krieg aus-
gebrochen ist! Man hatte es
als vermögender Mann nicht
leicht gehabt, als noch Frie-
den war. Doch jetzt war es
kaum mehr auszuhalten.

Der Herr Kommerzienrat
dachte angestrengt nach. Und
worüber wohl? Er dachte
an die Zeit vor dem Krieg.

Damals war man im Januar
nicht daheim. Entweder in
Davos, in St. Moritz oder an
der Riviera sah man regel-
mäßig jedes Jahr die Familie
Beck: Vater, Mutter und zwei
Töchter. Das war man seiner
gesellschaftlichen Stellung
einfach schuldig.

Fuhr man ivieder heiin,
dann hatte man acht oder
zehn braune Lappen weniger
in der Barschaft. Soviel Geld
war das Vergnügen nicht
immer wert gewesen, doch
darauf kam es ja gar nicht
an. Vermögen verpflichtet.

Ein Mann seines Einkom-
mens mußte im Winter an
der Riviera sein. Er mußte
auch im Sommer ins Ge-
birge und an die See gehen,
im Herbst Theater und Kon-
zertsaal bevölkern und Ge-
sellschaften geben. Daraus
bestand doch schließlich die Kultur, die man
vor den andern voraus hatte.

Jedes Jahr hatte Herr Beck ein neues Auto
gekauft. Länger als ein Jahr mit einem solchen
Vehikel zu fahren, hätte gegen den guten Ton
verstoßen.

Im Nachdenken überschlug der Herr Kom-
merzienrat, was der standesgemäße Friedens-
Haushalt so Jahr für Jahr gekostet hatte. Es
gab eine recht hübsche fünfstellige Zahl. Was
soll man auch mit dem Gelde anfangen? Man
erstickt ja schließlich im Vermögen, wenn man
nicht dafür sorgt, daß wieder ein Teil des
Geldes ins Rollen kommt. Reichtum wird
muffig, trägt man durch entsprechenden Auf-
wand nicht dazu bei, daß er wenigstens etwas
gelüftet wird.

Dann mußte dieser Krieg kommen. Zuerst
ging es ja noch an. Aber schon im zweiten
Kriegsjahr hatte es seine Haken mit dem
Geldausgeben.

Mit den Auslandsreisen war es gleich aus,
und sie waren doch die würdigste Gelegenheit
für einen besitzenden Menschen, Geld auf gute
und anständige Weise los zu werden.

Mit dem Luxus tut man sich immer härter.
Automobile sind nicht mehr zu kaufen. Das
letzte Benzinroß hat man ihm erst vor einem

Vierteljahr aus der Garage geholt. Es saust
wohl irgendwo im westlichen Etappengebiet
und besördert die Feldpost.

Zwar steigen die Preise für alle möglichen
Bedürfnisse unausgesetzt. Was kostet heute eine
halbwegs anständige Mittagstafel? Diese
Schleichhändler verstehen sich aufs Profit-
machen. Das muß ihnen der Neid lassen. Die
Frauen der Familie Beck haben auch immer
für schöne Kleider eine standesgemäße Schwäche
gehabt. Man muß ihnen den Willen lassen,
auch wen» die Kleiderrechnungen schon ins
Schwindelhafte steigen.

Vielleicht wäre das ein halber Ausgleich für
allen Aufwand, der unterbleiben muß, wenn
nur die Einnahmen nicht auch gestiegen wären.
Aber das Einkommen schwillt von Jahr zu
Jahr und wächst einem ehrlichen Mann schon
bald über den Kopf. WaS soll man nur mit
dem vielen Geld anfangen? Kriegsanleihe
zeichnen ist ja selbstverständlich. Ist ja auch
ein recht annehmbares Papier.

Kommerzienrat Theobald Beck schritt erregt
in seinem Privatkontor hin und her. Irgend
eine Gelegenheit, Geld anzulegen, muß es in
der Welt doch noch geben. Es ist doch nicht
alles beschlagnahmt. Auf dem Eichentisch lag
ein Katalog der Kunsthandlung Helbig. Wie

ein Blitz durchzuckte es den
Herrn Kommerzienrat. Hier
tat sich ein Ausweg auf.

Für Kunst hatte sich Herr
Beck nie weiter erwärmt. In
normalen Zeilen hat ein ver-
nünftiger Mensch auch andre
Sachen zu denken. Jetzt blät-
terte der Herr Kommerzien-
rat mißtrauisch in dem Ka-
talog.

Alle Wetter! Da drängten
sich die Tausender und Zehn-
tansendernurso. Geld konnte
man in der Kunst entschie-
den anlegen.

Herr Theobald Beck griff
ans Hörrohr.

„Ist dort Kunsthandlung
Helbig? . . . Schön! . . .
Hier Kommerzienrat Beck!
Ich habe eben Ihren Kata-
log vor und bin nicht ab-
geneigt, die eine oder andre
Sache zu kaufen. . . . Wie
meinen Sie? ... Wann Sie
meinen Besuch erwarten
dürften? Das ist gar nicht
nötig. ... Ich kann Ihnen
ja gleich am Apparat sagen,
waS ich will. Anschauen kann
man die Sachen ja gelegent-
lich. ... Also notieren Sie:
für Kommerzienrat Theobald
Beck . .. jawohl, Firma L.
C. Beck Söhne ... Nr. 7.12,
29, 43 und 87. . . . Haben
Sie? Die Bilder kosten nach
den Katalogpreisen züsam-
men 67000 Mark. Stimmt,
nicht wahr? ... Nein, nein!
Es genügt vollständig, wenn
ich die Sachen im Lauf dieser
Woche sehe. Ich bin von
Ihrer Kulanz vollkommen überzeugt.... Habe
die Ehre!"

Herr Kommerzienrat Beck hakte den Hörer
ein und zog sein Scheckbuch. Als er die Summe
von 67000 Mark, zahlbar an die Kunsthand-
lung Helbig, angewiesen hatte, drehte er sich
erleichtert dem Morgenblatt wieder zu.

Für dieses Jahr war der Herr Kommerzien-
rat eine drückende Sorge los.

Cf®

Tabak-Ersatz.

Nach den neuesten Bestimmungen darf jede Mischung als
Tabak verkauft werden, der nur fünf Prozent Tabak
beigegeben sind.

O rauch, so lang du rauchen kannst,

O rauch, so lang du rauchen magst —

Die Stunde kommt, die Stunde kommt.

Wo du nicht mehr zu rauchen wagst.

Was auf der Erde grünt und blüht,
Schleppt als Ersah der Händler her.

An Tabak hat es fünf Prozent
Und hundert — ko stet's dafür mehr.

Du sagst: »Ich lieb' das Wiesengrün,

Auch steht nach Kraut oft mein Begehr,
Besonders in dem Suppenlopf,

Doch — rauchen tu ich's nimmermehr!«
 
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