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9461

Der Stockfisch-Karpfen.

„Kellner, ich habe doch Karpfen nach Ihrer Karte bestellt, — und Sie
bringen mir Stockfisch!"

„Sie irren, mein Herr, — der Karpfen ist nur ä la Stockfisch zubereitet/"

M liovelspüne. rs

Schon lauge wußte es die Welt,

Wo sich verkrümelt unser Geld, —

Die großen Dividendenmühlen
Verschluckten's, ohne Scham zu fühlen.

Als endlich der Skandal zu groß.

Brach auch das Ungewitter los.

Man packte dann, mit Roß und Wagen,
Die saubere Bande fest am Kragen.

Nu» hat Justitia das Wort,

Zeig' jetzt dich als der Ordnung Hort,
Und laß nicht rosten deinen Sabel
Hau kräftig ins moderne Babel!

In Berlin sollen statistisch nachgewieseü täglich fünfhundert Ein-
brüche stattfinden. Es wäre zweckmäßig, gleichfalls statistisch festzu-
stellen, wie viele Einbrüche der Kriegslieferanten täglich in die Taschen
der Steuerzahler Vorkommen.

Ihr sollt für die Entente siegen
Und nicht den Deutschen unterliegen,

Schnauzt Clsmenceau die Russen an,

Die doch ihr möglichstes getan.

Man sieht, der Sieger wird geachtet,

Der Unterlegne stets verachtet.

Da wird so viel vom russischen Chaos jeredet, — an dem Berliner
Chaos jetzt alles stillschweigend vorüber, bloß meine Karline nicht, die
jerne mal bei Kempinski essen möchte, aber immer wieder ihren jroßeu
Appetit in der Kriegsküche stillen muß, die sie beharrlich das „Chaos"
nennt. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

eine neue, sehr reichliche Lebensmittelzufuhr
eingetroffe» war, belebten sich seine Blicke und
nach die erste Mahlzeit fing er an, sich in seine
neue Würde einzuleben. Dem Schinken hat er
eigenhändig beerdigt, wobei er noch ein paar
stille Träne» vergoß. Heute ist er wieder der
alte Fritze und das schwarzweiße Band kleidet
ihm sehr schön.

Aus dieses Beispiel, lieber Maxe, kannst Du
ersehen, daß die Verfressenheit auch einen
Menschen zu Heldentaten verführen kann, der
sonst nicht so ist. In welche lehrreiche Er-
kenntnis ich Dir herzlich grüße als Dein alter
Freund und Gefreiter August Säge jun.,
Garde-Grenadier.

Nachschrift. Ich habe ein paar sehr inter-
essante Gegenstände für Deine Kriegssamm-
lung aufgetrieben. Leider aber besitze ich nichts,
um sie zu verpacken. Wenn Du mir also eine
Kiste Zigarren schicken möchtest, fo würde ich
Dir diese mit die Andenken gefüllt umgehend
retour senden.

Der Osterhase.

Er streikt. Den Rindlein, die heut seiner harrten,
verweigert wieder er den Eicr-Segen.
was soll man von dem lfasen auch erwarten,
Ivenn selbst die ljühner — keine Eier legen?

Rat.

Za, sei gerecht im große» wie im kleinen,

Doch rat' ich dir: verwundere dich nicht,
tveun die Betroffenen dann heimlich meinen,
vag es zum Unrecht dir au Mut gebricht. Lp.

Herr v. Vehr auf Pinnow.

Rammerherr v. Behr-Pinnow hat von Uriegersfrauen Säcke
nähen lassen und zahlte dafür den Frauen 42 Pfennig für
das Stück, während er selbst von der Heeresverwaltung
80 Pfennig erhielt. Kuf diese Weise erzielte er einen
Zwischengewinn von etwa 4'/s Millionen Mark.

Herr von Behr auf Pinnow näht keinen Sack.
Er schwänzelt geschniegelt im Rammerherrnfrack,
hat sechzehn Ahnen und blaues Blut,
und alles ist vornehm, was er tut.

wer Aufträge hat fürs Militär,

dem fällt es in dieser Zeit nicht schwer,

und schmückt ihn gar noch ein Rammerherrnfrack,

so hat er den Auftrag schnell im Sack.

Die Frauen nähn sich die Augen wund
um bare vier Groschen in der Stund',
vier Groschen steckt auch der Rammerherr ein
und geht spazieren im Sonnenschein.

Herr von Behr auf Pinnow näht keinen Sack.
Er schwänzelt und tänzelt im Rammerherrnfrack.
Ihm rollt der Legen auch so in die Hand
mit Gott für Röntg und Vaterland. Gicks.

Lieber Jacob!

Durch dem Belagerungszustand is zwar bet
alljemeene Waffentragen sehr erschwert wor-
den, aber der Jeist der jroßeu Zeit regt nu
mal unwillkierlich zum Schießen au, un dieser
Anrejuug entspricht de zielbewußte Volksseele,
jauz schnuppe, ob et strafbar is oder »ich.

Wo Du jetzt in Berlin hinkoinmst, da heerste
et knallen, bullern un bumsen. De Jugend uff
de Straße schmeißt Dir Knallerbsen vor de
Beene un erfreit Deine Ohren durch unver-
hofftes Abschießen von Zündblätter. Un wenn

Du Jlick hast un eene Milletärpatrnllje be-
jejenst, die eenen Jefangenen transportiert,
un Ihr befindet Eich jerade in eene recht be-
lebte Jejend, denn kannste Dir uff een an-
rejendes kriejerisches Schauspiel jefaßt machen.
Nämlich der Jefangene reißt pletzlich aus un
vermischt sich in bet menschliche Jedräuge.
De Patrullje hat nu keenen Jefangenen nich
mehr, sondern bloß noch ihre Jnstruxion, un
vermittelst diese ereffnet se een Schnellfeier in
del besagte menschliche Jedränge un schießt
unweijerlich jeden iebern Haufen, der sich
zwischen ihr un dem Ausreißer mang befindet.
Uff diese Weise sind schon sehr achtenswerte
Erfolje erzielt worden, un sojar Mitjlieder
der Vaterlandspartei haben beinahe ihr Leben
vor det alljemeene Wohl opfern missen.

Während sich in de Hauptverkehrsadern bei
Tage diese heldenmietijen Schauspiele entfal-
ten, knallt et zur Nachtzeit in alle iebrijen
Viertel nich minder. Der erste Schritt zur all-
jemeenen Volksbewaffnung is nämlich bereits
jetan: jeder Berliner Einbrecher hat seinen
Browning in de Tasche, un sowie er sich in
de Ausiebuug seines Gewerbes behindert
jloobt, entwickelt er een Feierjefecht.

So herrscht, dem Jeiste der jroßen Zeit
entsprechend, ooch in de deitsche Reichshaupt-
stadt een rejes un anrejeudes kriejerisches
Leben, un et is wirklich janich mehr neetig,
det der Reichskanzler de alldeitsche Ufforde-
ruug zu entsprechen braucht un ooch noch
seinerseits zu schießen anfängt!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke:

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redattionsschlutz 18. März 1918.
 
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