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9465 -

Die Russen in Paris.

Früher war 3wan das Schoßkind

Jetzt sitzt er am Kahentisch.

o Föhn, o

Wie schüchterne, zu
Boden gedrückte Men-
schen duckten sich die
niederen Bauernwohn-
stälten in die hartgefro-
renen Schollen. Durch
die holprige Dorfstraße
heulte fauchend von den
Bergen herab der eisige
Nordwind. Zuerst schrie
er in abgerissenen Heul-
tönen durch die duntlen
Wälder droben. Auf den
Höhen aber glänzten die
Firnen und Gletscher im
blaß-blauen Licht.

Von dort aus stürzten
sich die heulenden Wind-
wellen gierig und rasend
ins Tal. An den mor-
schen Holzläden der klei-
nen Hütten rüttelten sie
in wilder Wut und bra-
chen allen Hausschutz in
Trümmer. In wütender
Lust faßte der mit Eis-
nadeln gerüstete Sturm
schneebehangene Aste, riß
Baum und Wurzel aus
eishartem Grund und
trieb unter heulendem
Getöse ein tolles Spiel
mit allem, was er packte.

Den einsamen Wächter
am Eingang der Berg-
welt riß der Unbändige
zuBoden.warf mitmäch-
tigen Windschaufeln im-
mer neue Massen Schnee
auf ihn und wollte ihn
lebendigen Leibes be-
graben.

Da klang mitten ins Windgebrause hinein
Hundegebell. Das rauhe Echo brach sich an
den eisgekrönten Bergwänden. Hilfsbereite
Kameraden taten Samariterdienst, gruben den
Halbtoten aus und gaben ihn dem Leben zurück.

Am Ende des Dorfes wurde Licht in einer
elenden Hütte. Sanitäter taten da ihr Werk.
Draußen pochten 'donnernd Schläge des Stur-
mes an die niedere Haustür und wollten sie
aus den Angeln heben. Feste Hände trotzten
dem Ungebändigten.

Wütend warf sich der peitschende Föhn
tiefer ins Tal. Dort ragten von Freundes-
hand gesetzte Totenmale aus dem silberstrah-
lenden Neuschnee. Ein Kreuzlein am andern.
Mit grelljauchzendein Übermut warf der Sturm
immer neue Schichten über die Stätten des
Todes. Höher und höher stieg der Wall über
den Gräbern.

Über die Wälder flatterte ein Schwarm
schwarzer Vögel. Hinterher jagte der wilde
Sturmwind und schlug da und dort einen von
ihnen in den Schnee. Der dunkle Vogelkörper
zuckte im Todeskrampf auf dem reinweißen
Schneefeld. Fauchend stürzte der Sieger davon.

über Kirchhofmauern jagte er dahin. Im
blinkenden Neuschnee wühlten seine wilden
Begierden.

Droben in den Klüften der wilden Berg-
welt starb der Föhn. Ein leises Wimmern
blieb von ihm übrig. Der Morgenwind trug
es wieder ins Tal in die kleinen, elenden
Hütten drunten. .... L. P.

Der Kriegs-Schuster.

Gib' mir die Schuh'. Ich will sie jetzt ergänzen.
Bring auch das schwarze Glanzpapier herbei!
Oie Sohlen sollen wieder prächtig glänzen,
wie einst im Mai.

Zuerst von Löschpapier zwei dicke Schichten,
von Pappe auch ein Streifen sei dabei.

Vas wird die Schuhe wieder derb verdichten,
wie einst im Mai.

Geht man damit auf nassen Frühlingswegen,
verwandelt sich das Sohlenpaar zu Brei -
Doch kann ich etwas für den nassen Regen
Im Monat Mai?

Und reißt der klbsatz auch, den ich geründet,
Mich kränkt es nicht, kjauptsache ist dabei.

Daß mein Geschäft „reißenden klbsatz" findet
In jedem Mai.

Und was der Runde seufzend auch berappe,
Für papp'ne Sohlen, — mir ist's einerlei:

Venn mein Verdienst, Freund, der ist nicht „von
Pappe."

Li weih! Li weih! (Srei nach ffitlm.)

Lesefriichte.

Friedrich II. über Krieg
und Frieden.

„Augenscheinlich hat
die Natur uns nicht dazu
bestimmt, daß wir ein-
ander in der Welt aus-
rottcn, sondern in der
Not beistehen."

(Vorrede zu Voltaire?
„Henrtade".)

„Sollten dieMenschcn
ihr Blut vergießen und
ihr Leben wegwerfen, um
Ehrgeiz und Laune ein-
zelner zu befriedigen?"
(„Dsnlwürdigtetten."-

„Jn Staatsgeschäften
darf man weder Vor-
urteile noch Leidenschaf-
ten habe»; erlaubt ist
nur der Eifer für das
Gemeinwohl."

(Brief an Voltaire.)

„Das kostbarste Gut,
das den Händen der
Staatslenker anvertraut
ist, ist das Leben ihrer
Untertanen.

(„Antt-Machtawell.")

„Der Krieg ist eine
Sache der Ehrenmänner,
indem Bürger ihr Leben
für das Vaterland hin-
geben. Aber wenn sich
Eigennutz hineinmischt,
artet diese edle Sache in
gemeine Raubsucht aus."
(»Moralisches Gespräch.")

„Der Krieg ist etwas
Fürchterliches. Wer ihn
ungorechterweise anfängt, begeht eine tyran-
nische Grausamkeit. („Anti-Machiawell.")

Glossierte Sprichwörter.

„Ehrlich währt am längsten" —, bis man
Millionär wird! ^

„Die Liebe geht durch den Magen" —. da
kommt sie also „hinten" wieder heraus!

,,6b' immer Treu und Redlichkeit" — du
brauchst es ja in diesem Fache nicht gerade
bis zum Meister zu bringen!

„Jeder ist seines Glückes Schmied" —, was
nützt ihm das aber, wenn er keine Kohlen
zum Schmieden hat?

„Das Glück konimt oft über Nacht" —, und
gerade dann 'hat es gewöhnlich den Haus-
schlüssel vergessen!

„Wenn das Glück anpocht, soll man ihm
auftun" —, wenn es nun aber der Gerichts-
vollzieher ist?

„Unverhofft kommt oft" ~, siehe Einberu-
fungsorder!
 
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