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9469

Der unglückliche Staatsanwalt.

„Wenn jetzt eine Amnestie kommt, freut mich meine sonst so segensreiche
Tätigkeit nimmer."

koveWAne. r®

Viermal boten wir den Frieden
Unserm grimmen Feind im Westen,
Doch die Angelsachsen höhnten
Dies- und jenseits der Antlantic.

Frieden? Ja, den wollen alle;

Aber erst muß unterliegen
Deutschland, der verfluchte Racker,

Mit den Knien auf der Brust.

Und nun geht das Morden weiter,
Gasgebläse, Flammenspeien,
Bombenwerfen, U-Bootgrauen,

Bis der Hunger alle zähmt.

Ein Ägyptologe hat festgestellt, daß Pharaos sieben fette Kühe tat-
sächlich existiert haben, aber von damaligen Schiebern hintenrum ver-
kauft worden waren, woraus sich die Not erklärt, in der Ägypten
sich bis zum heutigen Tag befindet.

Michaelis, Altreichskanzler, •

Ward verseht jüngst nach Stettin,

Denn das Vor- und Hinterpommern
Ist Berlin doch vorzuziehn.

Gänsebrüste, Speck und Schinken
Und Kartoffeln riesengroß,

Schaffen dort ihm ein Dorado
Und beneidenswertes Los.

„Was dem einen recht ist, ist dem andern billig," ist das Lieblings-
sprichwort meines Freundes Eduard. Eine gute gebratene Gans wäre
mir schon recht, aber billig ist sie nicht! ggt^gugj Säg e, Schreiner.

Frühling 1918.

Kamst nun wieder mit deiner Pracht,

Alles jubelt und alles lacht.

Wiesen, Wälder und Lecken grünen.

Über die Fluren summen die Bienen,
Blumen blühen im jungen Busch,

Vögel flattern mit scheuem Losch,

Singen in Wipfeln und blauen Löhn,
Jauchzend ihr Lied vom Auferstehn.

Und die Bäche murmeln so Helle,

Und die Wolken ziehen so schnelle,

Locken zum Wandern und fröhlichen Fahren
Gleich den luftigen, duftigen Scharen —
Ach, wie wird da das Lerz so weit
In der sonnigen Frühlingszeit!

Eine Wolke hänget noch schwer
Uber dem lachenden Limmel her.

Weil das Wüten und grausige Morden,
Das im Osten nun still geworden.

Sich im Westen mußte entzünden
Unter heisern Kanonenschlünden!

Weil sich lodernd der wilde Brand
Wälzte über das Frühlingsland!

Mußte noch einmal vom Massensterben
Blutigrot der Acker sich färben?

Noch einmal unter Stöhnen und Kreischen
Gierig die Menschheit sich zerfleischen?

Ach, schon wuchs ja so riesengroß
Weh und Leid aus der Erde Schoß!

Soll das Blühen, das heilige Werden
Endlich nicht lösen die arme Erde»?

Soll die rings erwachende Liebe
Fesseln nicht die verruchten Triebe?

And der Vögel jubelnder Sang
Wecken nicht uns einen gleichen Klang?

Woll'n wir nicht lieber der Bäche Rauschen
Als dem Lall der Kanonen lauschen?

Nicht uns lieber zum Spiele setzen,

Als uns wütend den Leib zerfetzen?

Nicht uns reichen die Bruderhand,

Fröhlich, selig von Land zu Land?

Ach, was wär' das ein Frühling schön

And ein herrliches Auferstehn! E. Kl.

Lieber Jacob!

Also nu is de Bombe mit Lichnowski'n
endlich jeplaht, un ooch in Deutschland durfte
de Enthillung seiner Enthillungen stattfinden.
Det Schauspiel war een erhebendes. Beson-
ders de Alldeitschen zeigten sich in ihre janze
Jreeße, indem det se ohne Wimperzucken so-
fort erklärten, der Mann wäre jeistig minder-
wertig un misse interniert werden. Also eenen
von de einflußreichsten Diplomaten, der bei'n
Kriegsbejinn 'ne Hauptrolle jespielt hat, soll
det ärztliche Zeignis uff Bräjenklietrigkeit aus-
jestellt werden. Det mag for de deitsche Di-
plomatie wenn ooch nich jerade sehr schmei-
chelhaft, so doch jedenfalls recht bequem sind
— aber ob et jerade jeeijent is, uff deni be-
schränkten Untertanenverstand des deitsche»
Volkes beruhijend un treestlich zu wirken,
niechte ick mir erjebenst zu bezweifeln die
Ehre jeden. Aber villeicht trefft ooch uff Lich-
nowski'n man bloß det volkstiemliche Sprich-
wort zu, det der Prophet in't Vaterland nischt
selten tut. Solange wie der Mann in London
saß, jalt er for 'ne jroße Nummer un hielt
Reden, als wie wenn er direkt 'ne impulsive
Natur un ick weeß nich wat wäre — aber
soivie det er zu Hause kam un de Leite ihm

in de Nähe bekiekten, estimierten se ihm for'n
Stiesel. Jeder dieses Schicksal muß er sich ebent
zu treesten suchen, u» ick bemitleide ihm nich
weiter: denn ivoso mußte er unter die Pro-
pheten jeheu? Det det 'n mießes Jeschäft is,
konnte er von alleene wissen. Wer de Wahr-
heet sagt, wird injespunnt, un wer wahrsagt,
blamiert sich!

Det letztere is im Laufe dieser jroßen Zeit
schon mehrmals deitlich bewiesen worden. Erst
neilich bei de Etatsberatungen in'n Reichs-
tag weissagte der Reichsschatzsekretär Jraf
Rödern: „De letzte Viertelstunde von'n Welt-
krieg hat bejonnen!" Ick habe damals jleich
nach de Uhr jesehen, un ick kann den edlen
Jrafen bloß dem untertänigsten Rat jeden,
seine Knarre schleunigst rejulieren zu lassen;
denn det Biest scheint unverschämt vorzu-
jehen.

Jeberhaupt is et am besten,wenn eener weder
an alldeitsche Wunderzeichen noch an diplo-
matische Orakelspriche mehr jlooben tut, son-
dern sich an de bejreifbaren Ereignisse hält.
Sowie de Brotrazjon uff fuffzehn Fund de
Woche erheht is un mein Jrienkramfritze wie-
der in heeflichen Ton mit mir zu reden an-
fängt, denn werde ick von det herannahende
Kriegsende ieberzeigt sind. Aber solange wie
wir trotz de jlorreichsten alldeitschen Friedens-
schlüsse von det ieberwundene Ausland weder
Mehl noch Speck noch Stiebeln, sondern bloß ’»
ollen Herzogshut anjeboten kriejen — kann ick
mir von die optimistische Weltlage noch nich
ieberzeije».

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redattionsschluß I. April 1918.
 
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