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J

9477

Reklame.

»Na, Steffens, schon wieder betrunken! Wie machst du das eigentlich bei
den teuren Spirituspreisen?"

„Herr Pfarrer, ick kriege bei der Spirituszentrale täglich einen Reklameliter."

M KobeWüne. rs)

Wilson redet von „Gewalt",

„Von Gewalt ohn' Maß und Grenzen",
Gruslig soll's Europa iverden
Vor dem rabiaten Herrn.

Und der zweite Chainpion,

Roosevelt heißt er mit Namen,

Strafft voll Kriegslust seine Muskeln,
Tutet in das gleiche Horn.

Grinsend hört's des Weltmeers Geist,
Mächtig ivühlt er auf die Wellen,

Blitze zucken. Stürme brausen — —

Läßt sie reden von „Gewalt".

Wenn es richtig ist, daß überall Diplomaten durch ihre Agenten
Friedensfühler ausstrecken lassen, so ist das zum mindesten ein sehr
langivieriges Geschäft, bei dem die Völker die Diäten zu zahlen haben.

Lange schnuppert Japans Panther
Nach Sibiriens fettem Happen,

Wie's die Katzen alle machen.

Um nun endlich zuznschnappen.

Doch John Bull, der neidbetörte.

Will sich auch am Braten laben.

Allemal muß er beim Mausen
Seine Hand im Spiele haben.

Wie ick aus zuverlässijer Quelle erfahre, wird am 1. Mai der Hexen-
tanzplatz auf dem Blocksberg jeschlossen sein. Der Vorsteher hat erklärt,
mit der alten Zeit sei's doch vorbei, da die janze Well jetzt als Hexen-
tanzplatz dienen könne. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Wilson.

Den Schafspelz trug er ständig
Recht malerisch drapiert.

Und in die Irre hat er
Manch gutes Lerz geführt.

Auch mocht er manchmal blöken
So zart und sänftiglich.

Daß einem jungen Lämmchen
Er mit der Stimme glich.

Den Schafspelz hat geschleudert
Er nunmehr in den Dreck,

„Gewalt" beginnt zu brüllen
Er wie ein Wolf so keck.

Wir grüßen dich, du edles
Wolfstier zu dieser Frist,

Run bist du, was du scheinest,

Und scheinst auch, was du bist. L. Fl.

Ein Revolutionär.

Ul; Umsturzmann ist gar kein Zwerg
Oer Herr Geheimrat Hilgenberg.

Oer will uns die Entwicklung kürzen
Und will die Einzelstaaten stürzen.

.. Er sagt, sie seien in der Tat
? (Ein zu kostspieliger Apparat.

Was Bismarck fertig nicht gebracht,

Wird nun von Hugenberg gemacht.

Oes großen Krieges Umsturzmacht
Hat uns des Neuen viel gebracht.

Und jetzo kommt heran auch der
Geheimrats-Nevolutionär!

Lieber Jacob!

Unser Leben währet siebzig Jahre, un ivenn
et hoch kommt, denn sind et achtzig, un wenn
et köstlich jewesen is, denn waren sicher 'n
paar Kriegsjahre mang! Aber bis uff hun-
dert bringt et man selten eener, un wenn
Karl Marx dieses zweifelhafteJlickzujestoßen
wäre, un er heite noch lebte, denn wirde er,
jloobe ick, sich sehr jeschmeichelt stehlen von
wejen de jlorreichen Erfolje, die seine Lehren
in de moderne birjerliche Praxis jejenwärtig
errungen haben. Det der janze Zukumftsstaat
schon da is, wird ja keener nich zu behaupten
wagen wollen, aber in eene sozusagen jemil-
derte Form besteht er janz bestimmt. De all-
jemeene Arbeetsflicht is durch det Hilfs-
dienstjesetz injefiehrt, un man kann janz deit-
lich beobachten, wie jeder Staatsbirjer jenau
nach seine »atierliche Bejabüng beschäftigt
wird: den eenen schickt man uff Jrund von
seine jeistige Veranlagung zum Sandkarren
nach Polen, der andere hat een ausjesproche-
nes Talent zum Sitzen in Klubsessel un wird
deswejen in 'ne Kriegsjesellschaft beschäftigt.
De Lebens- un Jenußmittel, de Kleeder un
Stiebe!» sind unter alle Volksjenossen jleich-
mäßig razjoniert, un jeder Jewohnheits-
bummler un Taschendieb hat denselben An-
spruch druff wie der ehrwirdigste Inhaber
von Daimler-Aktien. Der Schleichhandel wirkt
dabei bloß als das mildernde Prinzip der
ausjleichenden Jerechligkeit. De Uffleesung
der privaten Haushaltungen hat bereits
eenen sehr sortjeschrittenen Jrad erreicht, un
et jibt hier in Berlin zahllose Familjen, wo
ieberhaupt keen Schornstein nicht mehr roochen

tut, sondern alle Mitjlieder ihr Essen aus de
Volkskiche beziehen. Det sich daneben immer
noch ’» paar Kommerzjenräte finden, die sich
aus unbekannte Jrinde von den Sejen der
Berliner Massenspeisungsanstalten ausschlie-
ßen, beweist ebent bloß, det det Volk noch nich
jeniejend uffjeklärt is, um von alle ihn zu Je-
bote stehenden Jlicksmeeglichkeeten Jebrauch
zu machen. Der Jrundsatz von de Enteig-
nung alles Privatbesitzes hat jetzt mit
de Beschlagnahme der messingenen Spuck-
schalen un Hosenknöppe de heechste Stufe der
kulturellen Entwicklung erreicht, un wenn de
Beheerden noch Bedenken tragen, ooch in unsere
Amtsjebeide det Kupfer jejen minderwerlije
Ersatzstoffe umzuwechseln, so halte ick det for
'ne sehr bejrindete Vorsicht; denn et is nich
empfehlenswert, det in die Räume, wo die
Obrigkeet wirkt, jeden Besucher jleich det Blech
in de Oogen springt. Un wat schließlich de
idealen Jrundsätze Freiheit, Jleichheit un
Briederlichkeit anbetrefft, so haben ooch
diese sich bereits Zujang in de birjerliche Welt-
ordnung verschafft, allerdings ebentfalls man
bloß mit mildernde Umstände: indem det näm-
lich de Freiheit durch dem Belagerungszustand,
de Jleichheit durch det Dreiklassenwahlrecht,
un de Briederlichkeit durch de Valerlauds-
partei bis uff weiteres noch immer in een
wohltätijes Jleichjewicht jehalten wird.

Kurz un jut: wenn Marx seinen hundertsten
Geburtstag erleben wirde, denn kennte er mit
Recht lachen!

Womil ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthils Rauke,

a»'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redakttonsschluß 15. April 1918.
 
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