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-1—» 9489

o Fabeln, o

Bon Paulus.

Der ungeschickte Bär.

Ein junger Bär lernte Tan-
zen. Er brauchte viel Zeit
dazu, und als er das erste-
mal auftrat, stolperte er über
einen Stein, der gerade im
Wege lag, und fiel der Länge
lang hin — zum Gaudium
der zuschauenden Dorfkinder
und zum Arger seines Tanz-
lehrers und Besitzers. Dieser
schalt ihn heftig: „Wie kann
man nur so ungeschickt sein,
über ein so kleines Hindernis
zu fallen? Du bist ein Tölpel."

Aber der Bär antwortete
brummend: „Warum schiltst
du mich, da ich über einen
Stein fiel? Gibt es doch Men-
schen—und sogar Minister—,
die über einen Brief stolpern
und zu Fall kommen. ..."

Das kluge Schaf.

Ein Schaf wurde zum ersten-
mal in seinem Leben gescho-
ren. Es wimmerte und blökte
jämmerlich, als das Scheer-
messer über seinen Leib dahin-
fnhr und ihn; seinen einzigen
Reichtum, seine Wolle, nahm.

„Wie elend sind wir doch,"
klagte es später dem alten
Leithammel, dem Führer der
Herde. „Wo ist da die Ge-
rechtigkeit, daß wir Schafe
uns das von den Menschen
gefallen lassen müssen?"

„Du Schöps," antwortete
der Leithammel. „Weißt du
denn nicht, daß es bei den
Menschen gerade so ist? Auch bei ihnen wird
den Schwachen das Fell geschoren, und sie
dürfen noch froh sein, wenn ihnen das Fell
nicht über die Ohren gezogen wird."

Der neutrale Karrenhund.

Auf der Straße war großer Tumult: zwei
riesige Köter, ein englischer Boxer und eine
deutsche Dogge, rauften miteinander und bissen
sich fürchterlich.

Ein bescheidener Karrenhund stand am Wege
und fraß sein kärgliches Mittagessen, ohne sich
in den Streit der beiden zu mischen. Wie er-

Aus der Zeik.

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Ick Hab' jehörk, daß Sie Ihren alten Hund wegtun wollen,
mir, ick habe dafür Verwendung.«

Und welche, wenn ich fragen darf?«

Ick Hab' sechs Iöhren daheem, die ooch mal 'n Braten essen möchten

schrack er aber, als der Boxer, der arg zu-
gsrichtet war, wütend auf ihn zusprang und
voin Freßnapf wegdrängte! Den Rest des
Essens verschlang der Angreifer und warf
dann den Napf in den Schmutz.

„Warum tust du das?" jammerte der Karren-
hund, der sich nicht wehren konnte, da er der
schwächere war. „Ich habe dir doch nichts
getan."

„Das ist es ja gerade," fauchte der Boxer.
„Könntest du dich wehren, so täte ich das
nicht. Von einen» wehrlosen Hund brauche
ich mir aber keine Neutralität gefallen zu

lassen!" Und neugestärktnahm
er den Kampf wieder auf.

Der heimatlose Storch.
Ein Storch, der in Frie-
denszeiten in einem Dorfe in
Flandern genistet hatte, kam
auch in diesem Frühjahr vom
Süden herangeflogen, um sein
Nest zu bauen.

Aber wiederum war es ihm
nicht möglich, dort zu nisten.
Noch immer flog dort Eisen
und Feuer durch die Lust und
es fehlte nicht viel, so wäre
er getroffen worden. Traurig
entfaltete er seine Schwingen
und flog davon, sich anders-
wo eine andere Niststätte zu
suchen.

„Die Menschen sind noch
immer verrückt," dachte er.
„Am besten wäre es, wir
brächten ihnen keine Kinder
mehr, damit diese törichte
Rasse, die ihre und unsere
Nester mutwillig zerstört, ganz
verschwinde!"

Stadtspatz und Landspatz.

Ein Spatz, der zeitlebens
in den Häusern der Stadt
gelebt und dort sein gutes
Auskommen gehabt hatte,
fand zu seinen» Schrecken,
daß die Abfälle von Jahr zu
Jahr knapper wurden. Und
im letzten Winter wäre er
schier verhungert; so wenig
Brosamen waren für ihn aus-
gestreut.

Er sah bald zum Erbar-
me»» aus und flog einmal
auf ein benachbartes Dorf,
»im dort einen Freund zu besuchen, den» er

sein Herz ausschülten »vollte.

Der Landspatz hatte ein dickes, rundes,

»vohlgefülltes Bäuchlein »ind lachte ihn gründ-
lich aus:

„Mach es wie ich und lebe auf dein Lande,"
sagte er. „Hier gibt es noch alles in Hülle
und Fülle. Nur ein Dummkopf kann glauben,
daß er bei der städtischen Ernährung existieren
kann!!"

Der Stadtspatz folgte seinen» klugen Rat:
Er siedelte mit seiner Frau aufs Land über
»nid bald setzte er Fett an.

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