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Mittel-Europa.

Eine Wett liegt zerschlagen
In Wehe und Leid,

Eine Wett liegt zerschlagen
In blutigem Streik.

Das Blutmeer brandet
Wohl hin und her.
Umspült die Stätten
So wüst und leer.

Bald hat es Formen,
Bekommt es Gestalt —
Ein Bund der Staaten
Zusammen sich ballt!

Wer ist die Hand,

Die sie wieder erbaut?
Nur Schutt und Trümmer
Das Auge schaut.

Soll nie sie wieder
Zum Licht erstehn?

Soll'n milder nimmer
Die Lüfte wehn?

Da hebt ein Grund sich
Aus roter Flut,

Da wird ein Festes
Aus Feuer und Blut!

Und Teil um Teilchen
Gliedert sich an —
Bielleicht, daß ein Neues
Hier bilden sich kann!

Und lobt sie weiter,

Die würgende Schlacht —
Ein Anfang, ein Anfang
Ist endlich gemacht!

Sich dehnen und wachsen
Wird, was da entstand —
Bolk füget zu Bolk sich
Und Land sich zu Land!

Dann werden wir Brüder,
Ein einziger Bund,

Und Ernten trägt wieder
Der blutige Grund!

Kein Haß wird uns trennen —

Aus Grausen und Wehn
Wird endlich, ach, endlich
Die Menschheit erstehn! Ernst Klaar.

Das Schwert des Damokles.

Feldpostbriefe.

16.

Geliebte Elter»! „Erst gut essen, dann gut
schlafen", war Fritze Lehmanns Wahlspruch
schon von früheste Jugend an. Aber in Kriegs-
zeiten lassen sich manchmal die besten Vor-
sätze nicht ausführen, und auch mit Fritzen
seine haperte es geivaltig. Manchmal gab es
gut zu essen, manchmal gut zu schlafen, bei-
des zusammen kam sehr selten vor, keins von
beiden aber ivar leider die Regel.

Namentlich die letzte Zeit war es sehr schlecht
bestellt mit die Ausübung von Fritzen seine
Lebensphilosophie. Wir lagen seit mehrere
Wochen in einen lausigen Graben der vor-
dersten Linie, dem irgendwelche feindlichen
Kaffernstämme ausgebuddelt hatten, und die
Verpflegung ließ auch bas meiste zu wünschen
übrig, denn in ein ununterbrochenes Dauer-
feuer pflegt die Verbindung mit die nahr-
haften Hintergründe man schwach und spär-
lich zu sein. „Nichts zu essen und schlecht zu
schlafen!" knurrte Fritze Lehmann. Und er
hatte recht.

Uns gegenüber lagen Amerikaner, deren
Logis auch nicht besser war wie unsers. Wir
waren daher wenig erfreut, als unsere Kom-

pagnie letzten Donnerstag'den Befehl bekam,
die amerikanischen Herrschaften aus ihre Schü-
tzengräben zu vertreiben. Denn gerade hatten
wir unsere Unterstände ein klein wenig aus-
gebaut und konnten nun wenigstens die Nächte
auf eine einigermaßen menschenwürdige Weise
zubringen. Fritze schimpfte während die ganze
Sturmattacke und fragte, wieso wir eigent-
lich immer andere Nationalitäten ihre mise-
rablen Wohnräume ausbessern und dann nach
geleistete Arbeit sofort wieder ausziehen müß-
ten. Und wie er im feindlichen Graben an-
gelangt war und' sich mit einige verspätete
Amerikaner im Handgemenge befand, erklärte
er laut brüllend, daß er sich bei das Berliner
Mietseinigungsamt beschweren werde!

Aber zehn Minuten später war alle schlechte
Laune wie mit einem Schlage verschwunden.
Die ausgerückten Trockenwohner hatten näm-
lich knollige Massen von alle nur denkbaren
Nahrungsmittel zurückgelassen. Rindfleisch,
Gemüse, Marmelade, Pudding —s alles in
Konservenbüchsen! Diese Tatsachen trösteten
uns über dem schlechten Tausch, den wir mit
den Umzug gemacht hatten. Es wurde von
alle Kameraden feste in die amerikanische»
Viktabilien eingehauen, und ich brauche Euch
nicht extra zu versichern, daß Fritze Lehmann
auch hier in die vorderste Linie kämpfte. Erst
nach die dritte Mahlzeit schöpfte er ein wenig
Luft und sagte: „Gut gegessen habe ich endlich,
nu fehlt bloß noch die gute Schlafgelegenheit!"

Der Feind hatte sich in ein Gehöft zurück-
gezogen, das ganz dicht vor unsere neue Stel-
lung lag. Das Wetter war in jene Tage ge-
rade sehr schlecht, und wir ärgerten uns des-
halb um so mehr, daß die amerikanische Rück-
kompagnie unter Dach in feste Gebäude lo-
gieren durfte, während wir unglückliche Sie-
ger unsere Nächte bei Regen und Wind in
die elenden transatlantischen Schützenrinn-
steine zubringen mußten. Fritzen sein erfinde-
risches Genie war ununterbrochen tätig: „Die
Amerikaner müssen 'raus!" sagte er, „aber
wie — ?" Auf einen Befehl zu einen neuen

Sturmangriff war fürs erste nicht zu hoffen,
da der Feind in seine sichere Stellung uns
zu große Verluste .beigebracht haben würde.
Es mutzte daher eine Kriegslist erfunden wer-
den, mit die man die Wilson-Garde in ihre
dienstliche Unerfahrenheit neppen konnte.

Die Konserve» waren inzwischen bis auf
die letzte Erbse aufgegessen und die Büchsen
alle leer. Uns knurrte der Magen, und die
Gebeine klapperten in die feuchte nächtliche
Kühle. Da hatte unser Fritze in die Verzweif-
lung einen Geistesblitz. Er meldete sich bei
unser» Zugführer und erhielt die Erlaubnis,
sein Vorhaben zu probieren. Den ganzen Nach-
mittag über sammelte Fritze mit einige gleich-
gesinnte Kameraden zerrissene Putzschnüre von
die Gewehre und andere Strippen, band diese
zusammen und befestigte an das Ende eine
Anzahl leere Konservenbüchsen. Ein Dutzend
von dieses Kriegsgerät wurde kunstgerecht her-
gestellt, und in die nächtliche Finsternis legte
Fritze mit seine Leute die Blechbüchsen in die
Nähe der feindlichen Stellung aus, die Enden
von die Schnüre aber behielten wir in unser»
Graben. Gegen Morgen fingen wir nun an,
an die Strippen zu zupfen, wodurch sich die
ganze feindliche Linie entlang ein. furchtbares
Geklirr und Geklapper erhob. Die Amerikaner,
die in ihre kriegerische Dämlichkeit glaubten,
wir gingen zu einen Sturmangriff vor, ant-
worteten mit ein gewaltiges Schnellfeuer in
die dustere Nacht hinein. Wir hörte^i aber
nicht auf mit Zupfen, die Amerikaner schossen
immer wilder drauf los, und wie wir schließ-
lich ein Hurra-Gebrüll anstimmten, verließ
der Feind, der sich eine gewaltige Übermacht
gegenüber glaubte, Hals über Kopf seine Stel-
lung, und wir zogen mit Triumphgesang in
das schöne Gehöft ein.

„Siehstewoll!" sagte Fritze, wie er sich am
nächsten Abend in ein schönes trockenes Zim-
mer niederlegte und mit eine feine amerika-
nische Wolldecke zudeckte, „erst gut essen und
dann mit die klapperigen Überreste von die
Mahlzeit sich eine gute Schlafgelegenheit ver-
 
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