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9508

Der Friedensbau im Osten.

Nach bekannter Melodie.

Mir hatten gebauet
Ein stattliches Haus;

Die Friedensfahnen wehten
Ins weite Land hinaus.

Es war die Fassade
Gar sauber geziert.

Nur hatte man die Fugen
Nicht richtig verschmiert.

Nun Knackt es und Kracht es.
Und jeder erkennt:

Es war auch nicht solide
Des Hauses Fundament.

Die Arbeit war doch wohl
Am Ende stümperhaft —
Nun sitzt in Angst und Sorge
Die arme Nachbarschaft.

's ist Zeit, daß man finde.
Wo denn der Fehler steckt.
Und daß es fester baue
Ein andrer Architekt!

Feldpostbriefe.

o.

Lieber Maxe! Ich habe das Vergnügen, Dir
heute aus eine richtige französische gute Stube
zu schreiben. Unter meine Füße liegt ein Tep-
pich, unter mein Gesäß befindet sich ein Sofa,
darüber hängen Porträte von Gambetta und
Poincaree. Auf den Tische, wo ich schreibe,
steht eine Pulle ff. Kognak, und ein kaltes
Kotelett erwartet mir voll Sehnsucht zu Mittag.

Die Sache ereignete sich folgendermaßen.
Wie Du in die Zeitung gelesen haben wirst,
fand hier in diese Tage ein sehr rascher Vor-
marsch unserer Front statt. Die Franzosen,
die ihr Land kannten, wußten immer ganz
genau, wo die richtigen Wege nach rückwärts
führten. Wir aber, weil wir in die Gegend
fremd waren, konnten uns nicht überall hinter
ihnen zurechtfinden. So kam es letzten Diens-
tag abends, daß ich plötzlich den Zusammen-
hang mit mein ganzes dienstliches Zubehör
verloren hatte. Ich wußte weher, wo unser
Regiment, noch wo unsere Kompagnie, noch
wo unser Korporalschaftssührer, der Herr
Sergeant Lehmann, sich aufhielt. Unter andere
Verhältnisse ist es manchmal ganz angenehm,
wenn man seine Vorgesetzten eine Weile nicht
zu sehen kriegt, aber hier lag die Sache ziem-
lich dreckig. Ein Sperrfeuer von einen dichten
Eisenhagel hatte uns getrennt, und außerdem
befand ich mir mit noch zwei Kameraden, als
es schon anfing dunkel zu werden, mitten in
einen dichten Gehölz. Der eine war unser
Fritze Lehmann, der andere, der erst vor
kurzem zu die Kompagnie gekommen ist, war
in seine friedlichen Zeitverhältnisse Oberkellner
in ein feines Hotel Unter die Linden gewesen.
Er hieß damals Jean und konnte fertig Fran-
zösisch parlieren. Das erster«-hat er sich jetzt
abgewöhnt und heißt richtig Schultze VIII,
aber parlieren kann er noch immer. Wir
suchten in die Dunkelheit vergeblich nach den
richtigen Weg zu unsere Truppe und fanden
ihm nicht. Eine Unmasse gefallener Franzose»
lagen rings um uns herum, so daß ivir unsere
Not hatten, nicht über die Leichen zu stolpern.
Plötzlich hörten wir unkenntliche Laute und
entdeckten dicht vor uns eine starke französische
Feldwache. Die Situation war gefährlich und
verlangte einen raschen Entschluß. Schultze VIII
faßte diesen, indem er sich mit Entschlossenheit
die Uniform eines toten französischen Oberst

anzog. Wir »rußten uns in das Dickicht ver-
stecken und bekamen die Weisung, jedesmal,
wenn er „Allong" rufen würde, mit die Worte
„Wui, wui, mong Kolonel" zu antworten. Das
heißt auf deutsch soviel ivie: „Wird geschehen,
Herr Oberst!"

Schultze VIII gondelte nun frech wie Oskar
auf die Feldwache los. Es entspann sich zwi-
schen ihm und die französischen Soldaten eine
längere Unterhaltung;.rvir hörten, wie erste
ausführlich ausfragte und zum Schluß rnächtig
anschnauzte. Alles auf französisch. Dann hieß
es „Allong!" Wir antworteten in unser Ver-
steck „Wui, wui, mong Kolonel" und sahen zu
unser maßloses Erstaunen, wie Schultze an
die Spitze von zehn französische Infanteristen
an uns vorbeimarschierte. In einige Entfer-
nung schlossen wir uns ihm an, natürlich in
unsichtbare Deckung vor die Franzosen. Wir
kamen noch an drei feindliche Wachen vorbei,
die Schultze alle einzog und mitnahm, so daß
er schließlich von eine stattliche Heldenschar
umgeben war.

Inzwischen fing es aber an zu dämmern
der Wald war zu Ende, und wir konnten uns
in das Gelände zurechlfinden. Also machte
Schultze kehrt, ließ seine Mannschaft die Ge-
wehre ablegen und bewegte sich mit ihr in
gesicherte Deckung direkt auf unsere Stellungen
los. Fritze Lehmann und ich, für die Franzosen
unkenntlich, in einige Entfernung hinterher.
Es hieß noch einige Male ganz leise „Allong"
und „Wui, ivui, mong Kolonel" — dann waren
wir bei die deutsche Linie angelangt. Ich und
Fritze Lehmann sprangen hoch, riefen unsere
Leute an, die sich nach einige kurze Erläute-
rungen aufrafften und den französischen Oberst
mit seine Leibgarde abführten.

Schultze VIII gab sich natürlich sofort in
seine wahrheitsgemäße Gestalt zu erkennen,
und wir bestätigten ihn sein Alibi. Dann
wurden wir zum Regimentskommandeur ge-
führt, wo Schultze eine genaue Beschreibung
der.feindlichen Stellung gab und meldete, daß
er vier französische Feldwachen eingezogen
habe und die Linien an diese Stellen von jede
Sicherung entblößt seien. Es folgte nun ein
sofortiger Befehl zum Vorgehen, und eine halbe
Stunde später befanden wir uns mitten in die
vollständig überraschte Franzosenschaft, die es
sich in ein kleines, zum Teil noch recht gut
erhaltenes Schlößchen nebst umliegende Be-
amtenwohnungen sehr bequem gemacht hatte.

Die Gefangenenzahl war riesig, die Beute
nicht minder.

Wir drei aber, die wir dem ganzen Sieges-
taumel angerichtet hatte», bekamen als Be-
lohnung ein feines Quartier in ein französisches
Jnspektorhäuschen, in dessen gute Stube ich
augenblicklich mit Schultze VIII und Fritze
Lehmann mir in die oben geschilderte Weise
auf das in Erwartung stehende Mittagessen
vorbereite. Sehr lange wird das Vergnügen
hier ja nicht dauern, denn unser Vormarsch
ist noch immer unaufhaltsam, aber für die
momentane Gegenwart befinde ich mir in eine
sehrwohlverdiente Situation und wünsche, daß
es Dir in Berlin augenblicklich nicht schlechter
gehen möchte als Deinen alten Freund und
Gefreiten August Säge ju»..

Garde-Grenadier.

Der Herr auf Fanuschau.

Das ist der große Oldenburg,

Der Ianuschauer Lew,

Der brüllt in seiner Größe an
Die ganze kleine Welt.

Er ist in dieser Tätigkeit
Gewißlich niemals faul.

Gleich einem Abgrund tut sich auf
Sein großes, großes Maul.

And der Philister zitternd fühlt
Ins Bockshorn sich gejagt.

So daß er zu dem großen Mann
Nicht aufzublicken wagt.

Wir haben zu dem Schauspiel oft
Gar herzlich schon gelacht.

Doch eine Sorge hat uns jetzt
Der Oldenburg gemacht.

Er riß das Maul auf gar so weit.

And zu befürchten steht.

Daß er von solchem Überschwang
Maulsperre kriegen tat.

Daun tlappt' es nicht mehr wie bisher
Großartig auf und zu;

Es bliebe dies Prachtinstrument
Dann in erzwungner Ruh.

Das würden in solch ernsterxZeit
Wir doch beklagen sehr.

Wir haben ja schon ohnehin

Nicht viel zu lache» mehr. A. Titus.
 
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