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9&45

Der Mann
mit den Ellbogen.

Als der überfüllte Vor-
ortzug in den Bahnhof
einfuhr, stand er in der
letzten Reihe der War-
tenden. Kaum aber hielt
der Zug, war er in der
ersten. Einer alten Frau
riß er die Türklinke aus
der Hand, eine,zweite
wich nach links, eine
dritte nach rechts zurück,
und er bestieg als erster
den Zug. Die Frauen
stolperten hinterher, er-
regt, scheltend, und ihre
Augen blitzten den Mann
zornig an. Immer neue
Ausbrüche der Entrü-
stung ergossen sich über
ihn. Er schwieg und sah
in die Luft wie ein Un-
beteiligter. Die Passa-
giere saßen und standen
wie sestgekeilt in der
EngedesAbteils,schwitz-
ten und schnappten nach
Luft, ächzten, stöhnten,
schalten. Es schien un-
möglich, diese lebende
Mauer nur irgendwie
zu durchbrechen. Unser
Mann aber stand bald
am anderen Ende des
Abteils, zeigte den Zor-
nigen und Brummen-
den seinen breiten Rük-
ken, lehnte sich zum Fen-
ster hinaus und ruhte
seine Ellbogen aus. Alles
gierte nach frischer Luft,
er aber hatte sie. Man
suchte ihm begreiflich zu
machen, daß jeder ein
gewisses Anrecht auf Atem habe, daß seine
Breite die Fensteröffnung ausfülle, daß es
eine sehr große Unverschämtheit sei, keine
Rücksicht auf seine Mitmenschen zu nehmen —
er ließ hinter sich die Beleidigungen regnen
und blickte ruhig in den Sonnenschein da
draußen. Sein Rücken nahm jede Bosheit
gleichmütig auf sich. Wenn sie genug geschimpft
hatten, würden sie schon aufhörcn. Außerdem
begann jemand von Ernährungsschwierigkeiten
zu reden, und wem der Magen leer ist, dem
läuft der Mund über. Darum sprachen alle
gleichzeitig. Bis auf den Mann am Fenster,
der nichts sagte, sah und hörte. Dann hielt
der Zug wieder. Ein Passagier stieg aus, ein
Sitzplatz wurde frei. Fünf Frauen drängten
darauf hin. Sie kamen zu spät. Er saß schon.
Es war wie Zauberei. Er mußte an den meisten

Das verschleierte Bild von Berlin.

ihn, zog sein Zigarren-
etui, zündete sich eine
dicke mit 'ner „Bauch-
binde" an und blies den
Rauch aus wulstigen Lip-
pen in schönen Ringen
ins Gedränge. Zwanzig
Blicke — jeder ein Dolch-
stich — trafen ihn.' Er
lächelte flüchtig, träumte
mit seinen halbgeschlos-
senen Froschaugen ruhig
vor sich hin und lehnte
sich gemächlich hintenan.
Alles,was hier stand öder
saß, war eingepreßt. Er
hatte Spielraum. Alles
litt an unbefriedigtem
Appetit und schimpfte.
Er war offensichtlich satt
und verlor kein- Wort.
In allen gärte Nervosi-
tät und Unzufriedenheit
— er schien ruhig und
zufrieden. J

„Dieser Mann ist mir
ein Rätsel," sagte eine
schüchterne Stimme.

Er war aber kein Rät-
sel. Er besaß nur ein
paar gut ausgebildete
Ellbogen. Tec-

MaS ist das?

DaS Schicksal Deutschlands.

Nachdenklichkeiten.

Eine Mücke erzählte
einem Regenwurm, sie
sei zwei Meter über dem
Erdboden geflogen. „Du
leidest an überspannter
Phantasie," erwiderte
der Regenwurm.

Die Ungeduld ist eine
Zeitvertrödlerin.

vorbei, und daS Abteil war vollgestopft, wie
gesagt, und der Mann am Fenster hatte allen
den Rücken zugedreht und anscheinend auf
nichts geachtet. Aber nun saß er dort, die
Hände aus der Silberkrücke seines Stockes,
und sah gleichmütig in die Luft. Nicht, daß er
ein schlanker Gymnastiker oder ein Schlangen-
mensch gewesen wäre — nein, wie man erst
jetzt richtig sah: ein vierschrötiger Herr war's
mit breiter Brust und dicken, behaarten Hand-
gelenken. Die Frauen bebten vor Entrüstung
und begannen von neuem, ihn mit Bosheiten
und Scheltworten zu überschütten. Sie ver-
banden das Thema von den Lebensmitteln
mit der augenscheinlichen Tatsache, daß es
noch überernährte Individuen gäbe, und der
Mann hörte seinen Steckbrief: Stiernacken,
Kolbennase, Fettbauch und dergleichen. Hörte

prinzen-Kusverkauf.

Um de» litauischen Uänlgrthron haben sich deutsche Prinzen
aus verschiedenen Herrscherhäusern beworben.

wer will einen König haben,
wählt sich deutsche Prinzen aus,
denn an solchen edlen Knaben
reich ist unser Warenhaus.

In Litauen und in Finnland,
in der Krim, im Kaukasus,
so im Kurland wie im Inland
kennt man unsern Überfluß/

Der Bedarf wird.immer stärker,
Prinzen kauft man wie noch nie.

Nur dreihunderttausend Märker
kostet eine Dynastie.

Michel, laß das Schicksal walten!

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