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Der ungesühnte Mord.
Mer Jahre sind's, seitdem die frevle Tat
Begangen ward und brachte schlimme Saat.
Iaures, der große Volks- und Friedensfreund,
Der gern die Völker alle hält' geeint,
Ward finstern Mächten, die den Krieg entfacht,
Durch Meuchelschuß zum Opfer jäh gebracht.
Nie hör'n wir wieder den beredten Mund,
Der donnernd tat den Völkerfrieden kund —
Jedoch, der Mörder, der den Schuß getan,
Der brüstet sich in frechem Größenwahn.
Kein Kläger und kein Richter ist zur Stell',
Die sonst doch stets sich finden gar so schnell.
Sie wissen, wer die Mörderhand gelenkt.
Und jeder duckt sich, wenn er daran denkt.
Zur Hure haben sie in dieser Zeit
Gemacht die Göttin der Gerechtigkeit.
O Frankreich, einst der Völker Ruhm und Glück,
Du bist verfallen kläglichem Geschick!
Gar oftmals hast du revolutioniert,
Bis es dich doch zur Republik geführt.
Und mußtest nun versinken hintennach
In einer solchen unerhörten Schmach. A.T.
Kreuzzeitungs-Schmerzen.
Wenn das gleiche Wahlrecht käme,
Kinder, es ist nicht zu sagen.
Was man dann im schönen Preußen
müßte leiden und ertragen.
Denn es hieß dann nicht alleine:
„Gleiche Brüder, gleiche Kappen!"
Rein, Sie würden schließlich fordern:
„Gleiche Brüder, gleiche — Lappen!!"
Wenn das gleiche Wahlrecht käme,
ward' zur Arbeit man erkoren.
Ob man auf der Menschheit Lohen
auch wer weiß wie hoch geboren.
Ja, das ganze „echte" Preußen
wäre morgen 'ne Ruine,
Und an jeder Straßenecke
blitzte eine Guillotine.
Wenn das gleiche Wahlrecht käme,
regnete für diesen Frevel,
Wie auf Sodom und Gomorra,
Gott auf Preußen Pech und Schwefel.
Denn die Roten täten sonst ja
alles rings verungenieren,
Und die „Kreuzzeitung" — o Jammer! —
kät kein Mensch mehr abonnieren... .
Wie die Engländer in Archangelsk mit
ihrem früheren Bundesgenoffen umgehen.
l.
„Propaganda."
Sin Kriegserlebnis. Von Li.
Im strahlenden Himmel hängt ei» Nach-
richtenbnllon, goldgelb wie eine Orange. Über-
all flutet Licht und Wind. Der Ballon dreht
und wendet sich, und in die blauen Wälder
tanzen Aufrufe „An das arme deutsche Volk!"
Hoch oben auf dem zerklüfteten Berg sitzen
die Soldaten in der Sonne und blinzeln faul
in die Höhe, von der das Heil flaltert.
„Schwindel!" sagt der eine und spuckt aus,
„Alles Schwindel!"
Da springt sein Gegenüber auf. „Nein nein,
kein Schwindel!"
Und die Soldaten, die aus dem stinkenden
Stollen in die Sonne gekommen sind, schreien
erregt durcheinander. Ein Unteroffizier mit
neunjähriger Dienstauszeichnung und Ser-
geantenlöhnung, der als Kommißkopf ver-
schrien ist, nimmt aus seinem Postenbuch
einen zerknitterten Aufruf, den der Franzmann
gestern nacht herüberschoß; er glättet ihn mit
fiebernden Fingern. Und die großen Worte
Menschenfreiheit, Demokratie, Verbrüderung
und Weltsriede flammen in die Mittagsstille.
Wie ein dunkler Donner grollen die Worte
Junkertum, Militärpartei und Massenstreik
in der Stimme des Lesende».
„Ist es nicht so?" fragt er erschöpft. Seine
Augen glänzen.
Viele Stimmen rufen: „Ja ja! Friede,
Friede!"
Das abgelehnte gleiche Wahlrecht grinst die
Soldaten an. Der Buchenblättertabak dreht
ihnen den Magen um. Und dann der Krieg,
der ewige Krieg! Die Langeweile, die Sehn-
sucht, die Läuse, die Gräber! All das ist in
dem Aufschrei: „Ist es nicht so?" und in der
Antwort: „Ja ja!"
Ein junger Soldat, der als Sozialist bekannt
ist, lächelt zu dem Aufruhr der Gefühle. Er
sieht den Unteroffizier, die erregten Bauern,
de» Ballon, der immer noch über dem blauen
Wäldchen tanzt. Er lächelt und schweigt; denn
jenseits des Horizonts sieht er einen fränzö-
fischen Nachrichtenoffizier, einen satten Bour-
geois, der für die Revolution schwärmt, wenn
sie im Ausland wütet. Und hinter Gas, Tank,
Granate und tausendfältigem Tod hört er den
Lockspitzel kichern, der das Heiligste schändet,
dem das Recht Geschäft und Aufruhr Pose ist.
Nun singt ein französisches Flugzeug über
dem Berg. Die Flaks rülpsen und spucken
Schrapnelle, Maschinengewehre kläffen. Aber
das Flugzeug kreist und kreist und verschwin-
det. Jetzt kommt ein weißes Wolkenschiff und
führt den Ballon tiefer ins Land. Und der
Der ungesühnte Mord.
Mer Jahre sind's, seitdem die frevle Tat
Begangen ward und brachte schlimme Saat.
Iaures, der große Volks- und Friedensfreund,
Der gern die Völker alle hält' geeint,
Ward finstern Mächten, die den Krieg entfacht,
Durch Meuchelschuß zum Opfer jäh gebracht.
Nie hör'n wir wieder den beredten Mund,
Der donnernd tat den Völkerfrieden kund —
Jedoch, der Mörder, der den Schuß getan,
Der brüstet sich in frechem Größenwahn.
Kein Kläger und kein Richter ist zur Stell',
Die sonst doch stets sich finden gar so schnell.
Sie wissen, wer die Mörderhand gelenkt.
Und jeder duckt sich, wenn er daran denkt.
Zur Hure haben sie in dieser Zeit
Gemacht die Göttin der Gerechtigkeit.
O Frankreich, einst der Völker Ruhm und Glück,
Du bist verfallen kläglichem Geschick!
Gar oftmals hast du revolutioniert,
Bis es dich doch zur Republik geführt.
Und mußtest nun versinken hintennach
In einer solchen unerhörten Schmach. A.T.
Kreuzzeitungs-Schmerzen.
Wenn das gleiche Wahlrecht käme,
Kinder, es ist nicht zu sagen.
Was man dann im schönen Preußen
müßte leiden und ertragen.
Denn es hieß dann nicht alleine:
„Gleiche Brüder, gleiche Kappen!"
Rein, Sie würden schließlich fordern:
„Gleiche Brüder, gleiche — Lappen!!"
Wenn das gleiche Wahlrecht käme,
ward' zur Arbeit man erkoren.
Ob man auf der Menschheit Lohen
auch wer weiß wie hoch geboren.
Ja, das ganze „echte" Preußen
wäre morgen 'ne Ruine,
Und an jeder Straßenecke
blitzte eine Guillotine.
Wenn das gleiche Wahlrecht käme,
regnete für diesen Frevel,
Wie auf Sodom und Gomorra,
Gott auf Preußen Pech und Schwefel.
Denn die Roten täten sonst ja
alles rings verungenieren,
Und die „Kreuzzeitung" — o Jammer! —
kät kein Mensch mehr abonnieren... .
Wie die Engländer in Archangelsk mit
ihrem früheren Bundesgenoffen umgehen.
l.
„Propaganda."
Sin Kriegserlebnis. Von Li.
Im strahlenden Himmel hängt ei» Nach-
richtenbnllon, goldgelb wie eine Orange. Über-
all flutet Licht und Wind. Der Ballon dreht
und wendet sich, und in die blauen Wälder
tanzen Aufrufe „An das arme deutsche Volk!"
Hoch oben auf dem zerklüfteten Berg sitzen
die Soldaten in der Sonne und blinzeln faul
in die Höhe, von der das Heil flaltert.
„Schwindel!" sagt der eine und spuckt aus,
„Alles Schwindel!"
Da springt sein Gegenüber auf. „Nein nein,
kein Schwindel!"
Und die Soldaten, die aus dem stinkenden
Stollen in die Sonne gekommen sind, schreien
erregt durcheinander. Ein Unteroffizier mit
neunjähriger Dienstauszeichnung und Ser-
geantenlöhnung, der als Kommißkopf ver-
schrien ist, nimmt aus seinem Postenbuch
einen zerknitterten Aufruf, den der Franzmann
gestern nacht herüberschoß; er glättet ihn mit
fiebernden Fingern. Und die großen Worte
Menschenfreiheit, Demokratie, Verbrüderung
und Weltsriede flammen in die Mittagsstille.
Wie ein dunkler Donner grollen die Worte
Junkertum, Militärpartei und Massenstreik
in der Stimme des Lesende».
„Ist es nicht so?" fragt er erschöpft. Seine
Augen glänzen.
Viele Stimmen rufen: „Ja ja! Friede,
Friede!"
Das abgelehnte gleiche Wahlrecht grinst die
Soldaten an. Der Buchenblättertabak dreht
ihnen den Magen um. Und dann der Krieg,
der ewige Krieg! Die Langeweile, die Sehn-
sucht, die Läuse, die Gräber! All das ist in
dem Aufschrei: „Ist es nicht so?" und in der
Antwort: „Ja ja!"
Ein junger Soldat, der als Sozialist bekannt
ist, lächelt zu dem Aufruhr der Gefühle. Er
sieht den Unteroffizier, die erregten Bauern,
de» Ballon, der immer noch über dem blauen
Wäldchen tanzt. Er lächelt und schweigt; denn
jenseits des Horizonts sieht er einen fränzö-
fischen Nachrichtenoffizier, einen satten Bour-
geois, der für die Revolution schwärmt, wenn
sie im Ausland wütet. Und hinter Gas, Tank,
Granate und tausendfältigem Tod hört er den
Lockspitzel kichern, der das Heiligste schändet,
dem das Recht Geschäft und Aufruhr Pose ist.
Nun singt ein französisches Flugzeug über
dem Berg. Die Flaks rülpsen und spucken
Schrapnelle, Maschinengewehre kläffen. Aber
das Flugzeug kreist und kreist und verschwin-
det. Jetzt kommt ein weißes Wolkenschiff und
führt den Ballon tiefer ins Land. Und der