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So spricht der Krieg:
Seit ich zum Kampf in den Sattel stieg.
Anführend dex Geschicke Reigen,. -
Lat alles andere zu schweigen!
Mein ist der Waid und mein das Feld,
Mein ist das Meer und mein die Welt!
Mein ist die Wissenschaft und Kunst —
Ich lös sie auf in blauen Dunst.
Und find ich Lande! und Verkehr —
Ein Wort von mir, sie stehen leer!
All Erdenwonne, Erdenglück —
Ich brech sie nieder Stück um Stück!
Was ist noch Liebe, ivaS noch Leben?
Ich kann sie nehmen, ich kann sie gebe».
Ich kann sie grollend zu Boden schlagen.
Daß rings nur schäbige Trümmer ragen!
Die Dörfer und Städte an meinem Wege
Ich höhnend in Schutt und Asche lege;
Die Felder und Fluren und grünen Saaten —
Krieg und Kultur.
Zerstampfen müssen sie meine Soldaten!
Ich kenne nicht Recht, nicht Eigentum —
Gewalt nur ist mein höchster Ruhm!
And Milde, Barmherzigkeit und Güte
Ersticke ich schon in ihrer Blüte.
Vor meinem Gluthauch geht das Verderben,
Ich Hab meine Lust am Morden und Sterben,
Verbündet bin ich dem Bruder Tod
Und seinen Geschwistern Qual und Not!
So spricht die Kultur:
Ich neige mich der zertretenen Flur,
Ich beuge erbarmend mich zu ihr nieder
Und gebe ihr Frucht und Ernte wieder.
Die Städte» die du am Weg verbrannt.
Ich baue sie auf mit starker Land,
Die Fäden, die du brutal zerrissen.
Ich werde neu sie zu knüpfen wisse».
Dann sollen nach gräßlichen Kriegeswehen
Linst Klaar.
Die Völker sich täglich besser verstehen.
Das Recht, das du so schmählich verletzt
Und frech in tausend Stücke zerfetzt —
Ich werde ein neues, besseres schaffen.
Das stärker ist als Gewalt und Waffen.
Und was du an Glück zu Boden geschlagen.
Und was du an Leben zu Grabe getragen —
Ich werde es an den Weibern und Kindern
Durch doppelte Liebe suchen zu lindern.
And Wissenschaft soll und Kunst gedeihen.
Wie Saat und Blüte im grünen Maien.
Das Rohe, Gemeine doch will ich dämpfen.
And Laß und Labsucht und Neid bekämpfen,
And Sorge sollen und Not verschwinden.
And Friede will ich und Freiheit künden!
Bist du auch jetzt noch Sieger im Streit,
Ich bin gewiß, es kommt meine Zeit,
Wo du zermürbt an Fleisch und Gebein —
Dann herrsche ich und die Welt ist mein!.
o-
Die Goldgrube.
Von Karl Bröger.
Eines Tages entdeckte Wilhelm Schäfer, daß
er als Maurer im Sommer zuviel schwitzte
und im Winter zuviel fror. Er ging also
vom Gerüst herunter, fest entschlossen, nicht
mehr hinaufzusteigen. Mit einigen Erspar-
nissen seiner Frau gründete er einen Grün-
kramladen draußen in der Vorstadt und fühlte
sich bald in seiner neuen Rolle als Kaufmann.
Das war zehn Jahre vor dem Krieg. Wil-
helm Schäfer zog Sommer und Winter mit
einem kleinen Federwagen in aller Herrgotts-
frühe los, und wenn es richtig Tag wurde,
hatte er sich schon den Mund fransig geredet
im zähen Feilschen mit den Bauern,
von denen er kaufen mußte. Die Frau
fand, daß er immer zu teuer einkauste,
und hielt diese Meinung aufrecht, wenn
Wilhelm auch noch so drohend brummte.
Sie suchte im Verschleiß der Gurken und
Salatstauden diesen kaufmännischen
Fehler einzuholen, indem sie da und
dort einen Pfennig für die Ware auf-
schlug. Das Geschäft ging mehr schlecht
als recht. Es war ein mühsames Hängen
und Würgen, ein arges Gefrelt, wie
sich Schäfer-Wilhelni ausdrückte.
Der Krieg kam. Unser Gemüsehänd-
ler schlüpfte ihm gerade noch unter den
Händen durch. Er war um einige Mo-
nate über das wehrpflichtige Alter hin-
aus. Er verfolgte von seinem sicheren
Platz aus die Ereignisse mit tiefem
Verständnis, gab anr Stammtisch der
Obersten Heeresleitung ausgezeichnete
Ratschläge und ließ sich im allgemeinen
von der großen Zeit nichdviel anfechten.
Er hatte nicht Kind noch Kegel, hauste
mit seiner Frau allein und wußte be-
stimmt, daß ihm nichts geschehen könnte.
Um die Angelegenheiten der anderen
Leute kümmerte sich Schäfer-Willi
wenig. Das hielt er für einen sehr
guten Grundsatz.
Nach einem Kriegsjahr stellte sich
schon ein kleiner Aufschwung des Ge-
schäftes ein. Früher waren manchen Tag einige
Salatstauden übriggeblieben, und es kostete
immer eine» Kampf, sie am nächsten Tag einer
Kundin anzuhängen. Nun blieb nichts mehr
übrig. Der kleine Laden war jeden Abend wie
aüsgekehrt, und manche Frau war tagsüber
fortgegangen, ohne zu bekommen» was sie
verlangte.
Schäfer-Willi dachte nicht viel. Er hielt
überhaupt vom Denken nicht viel. Diesen Um-
stand begriff er aber gleich. Er stand noch früher
auf als bisher, jagte den Zughund Tyras aus
seiner 'Hütte und schleppte sich schier halbtot
an dem Grünzeug, das er auf sein Feder-
wägelein packte. Draußen schlugen sie große
Schlachten im Osten und Westen. Sommer und
Winter folgten sich. Tausende und aberTausende
sanken in die Massengräber. Der Schäfer-Willi
saß über seinem greulich verschmierten Notiz-
buch, feuchtete den Bleistift mit der Zunge und
rechnete aus, was er diese Woche wieder an
den Gurken und Kartoffeln verdient hatte.
Eines Tages saß Schäfer-Willi stolz auf
dem Bock eines hübschen Brückenwagens, vor
dem ein Schimmel im Zug ging. Er war
schon vom Hund auf den Gaul gekommen.
Tyras wußte zunächst nicht, wie ihm geschah.
Ein paar tausend Tage hatte er den schweren
Wagen gezogen, daß ihm die Zunge aus dem
Maul hing. Jetzt sollte er auf seinen Lebens-
abend den Rentier spielen dürfen? Die Nach-
barschaft war erbittert über das Ehepaar
Schäfer. Man gönnte ihnen den Auf-
stieg micht. Die Wahrheit zu sagen:
Willi und Käthe Schäfer rechneten mit
einem immer größeren Einmaleins und
hatten überdies ein sehr herablassendes
Benehmen gegen die Kundschaft an-
genommen.
Seit vorgestern fährt Schäfer-Willi
zweispännig. Auch das Haus hat er
gekauft und will den Laden erheblich
umbauen lassen. Pferde, Häuser und
neue Läden kosten heutzutage viel Geld.
Schäfer-Willi muß also nicht wenig
haben. Er ist ein ansehnlicher Mann
geworden. Einst kam es vor, daß er
ungewaschen zum Einkauf fuhr. Heute
ist er jeden Morgen frisch rasiert, und
wenn er sich auf den Bock schwingt,
geschieht es mit einer fast eleganten
Bewegung. An diesen schönen Abenden
steht er nach Ladenschluß gern vor
seinem Haus, den Bauch vorgeschoben
und zwischen den verächtlich gerollten
Lippen ein Bohnenblatt, das er groß-
artig ausspuckt, wenn ein Bekannter zu
ihm tritt, um einige Worte zu wechseln.
Glosse.
Es fehlt gar sehr an Seife,
Das ist ein Trauerspiel,
Doch Kriegsziel-Seifenblasen
Gibt's immer noch zu viel.
Ungestillte Sehnsucht.
„Ach, wenn du wärst mein eigen.
Wie lieb sollst du mir sein-"
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So spricht der Krieg:
Seit ich zum Kampf in den Sattel stieg.
Anführend dex Geschicke Reigen,. -
Lat alles andere zu schweigen!
Mein ist der Waid und mein das Feld,
Mein ist das Meer und mein die Welt!
Mein ist die Wissenschaft und Kunst —
Ich lös sie auf in blauen Dunst.
Und find ich Lande! und Verkehr —
Ein Wort von mir, sie stehen leer!
All Erdenwonne, Erdenglück —
Ich brech sie nieder Stück um Stück!
Was ist noch Liebe, ivaS noch Leben?
Ich kann sie nehmen, ich kann sie gebe».
Ich kann sie grollend zu Boden schlagen.
Daß rings nur schäbige Trümmer ragen!
Die Dörfer und Städte an meinem Wege
Ich höhnend in Schutt und Asche lege;
Die Felder und Fluren und grünen Saaten —
Krieg und Kultur.
Zerstampfen müssen sie meine Soldaten!
Ich kenne nicht Recht, nicht Eigentum —
Gewalt nur ist mein höchster Ruhm!
And Milde, Barmherzigkeit und Güte
Ersticke ich schon in ihrer Blüte.
Vor meinem Gluthauch geht das Verderben,
Ich Hab meine Lust am Morden und Sterben,
Verbündet bin ich dem Bruder Tod
Und seinen Geschwistern Qual und Not!
So spricht die Kultur:
Ich neige mich der zertretenen Flur,
Ich beuge erbarmend mich zu ihr nieder
Und gebe ihr Frucht und Ernte wieder.
Die Städte» die du am Weg verbrannt.
Ich baue sie auf mit starker Land,
Die Fäden, die du brutal zerrissen.
Ich werde neu sie zu knüpfen wisse».
Dann sollen nach gräßlichen Kriegeswehen
Linst Klaar.
Die Völker sich täglich besser verstehen.
Das Recht, das du so schmählich verletzt
Und frech in tausend Stücke zerfetzt —
Ich werde ein neues, besseres schaffen.
Das stärker ist als Gewalt und Waffen.
Und was du an Glück zu Boden geschlagen.
Und was du an Leben zu Grabe getragen —
Ich werde es an den Weibern und Kindern
Durch doppelte Liebe suchen zu lindern.
And Wissenschaft soll und Kunst gedeihen.
Wie Saat und Blüte im grünen Maien.
Das Rohe, Gemeine doch will ich dämpfen.
And Laß und Labsucht und Neid bekämpfen,
And Sorge sollen und Not verschwinden.
And Friede will ich und Freiheit künden!
Bist du auch jetzt noch Sieger im Streit,
Ich bin gewiß, es kommt meine Zeit,
Wo du zermürbt an Fleisch und Gebein —
Dann herrsche ich und die Welt ist mein!.
o-
Die Goldgrube.
Von Karl Bröger.
Eines Tages entdeckte Wilhelm Schäfer, daß
er als Maurer im Sommer zuviel schwitzte
und im Winter zuviel fror. Er ging also
vom Gerüst herunter, fest entschlossen, nicht
mehr hinaufzusteigen. Mit einigen Erspar-
nissen seiner Frau gründete er einen Grün-
kramladen draußen in der Vorstadt und fühlte
sich bald in seiner neuen Rolle als Kaufmann.
Das war zehn Jahre vor dem Krieg. Wil-
helm Schäfer zog Sommer und Winter mit
einem kleinen Federwagen in aller Herrgotts-
frühe los, und wenn es richtig Tag wurde,
hatte er sich schon den Mund fransig geredet
im zähen Feilschen mit den Bauern,
von denen er kaufen mußte. Die Frau
fand, daß er immer zu teuer einkauste,
und hielt diese Meinung aufrecht, wenn
Wilhelm auch noch so drohend brummte.
Sie suchte im Verschleiß der Gurken und
Salatstauden diesen kaufmännischen
Fehler einzuholen, indem sie da und
dort einen Pfennig für die Ware auf-
schlug. Das Geschäft ging mehr schlecht
als recht. Es war ein mühsames Hängen
und Würgen, ein arges Gefrelt, wie
sich Schäfer-Wilhelni ausdrückte.
Der Krieg kam. Unser Gemüsehänd-
ler schlüpfte ihm gerade noch unter den
Händen durch. Er war um einige Mo-
nate über das wehrpflichtige Alter hin-
aus. Er verfolgte von seinem sicheren
Platz aus die Ereignisse mit tiefem
Verständnis, gab anr Stammtisch der
Obersten Heeresleitung ausgezeichnete
Ratschläge und ließ sich im allgemeinen
von der großen Zeit nichdviel anfechten.
Er hatte nicht Kind noch Kegel, hauste
mit seiner Frau allein und wußte be-
stimmt, daß ihm nichts geschehen könnte.
Um die Angelegenheiten der anderen
Leute kümmerte sich Schäfer-Willi
wenig. Das hielt er für einen sehr
guten Grundsatz.
Nach einem Kriegsjahr stellte sich
schon ein kleiner Aufschwung des Ge-
schäftes ein. Früher waren manchen Tag einige
Salatstauden übriggeblieben, und es kostete
immer eine» Kampf, sie am nächsten Tag einer
Kundin anzuhängen. Nun blieb nichts mehr
übrig. Der kleine Laden war jeden Abend wie
aüsgekehrt, und manche Frau war tagsüber
fortgegangen, ohne zu bekommen» was sie
verlangte.
Schäfer-Willi dachte nicht viel. Er hielt
überhaupt vom Denken nicht viel. Diesen Um-
stand begriff er aber gleich. Er stand noch früher
auf als bisher, jagte den Zughund Tyras aus
seiner 'Hütte und schleppte sich schier halbtot
an dem Grünzeug, das er auf sein Feder-
wägelein packte. Draußen schlugen sie große
Schlachten im Osten und Westen. Sommer und
Winter folgten sich. Tausende und aberTausende
sanken in die Massengräber. Der Schäfer-Willi
saß über seinem greulich verschmierten Notiz-
buch, feuchtete den Bleistift mit der Zunge und
rechnete aus, was er diese Woche wieder an
den Gurken und Kartoffeln verdient hatte.
Eines Tages saß Schäfer-Willi stolz auf
dem Bock eines hübschen Brückenwagens, vor
dem ein Schimmel im Zug ging. Er war
schon vom Hund auf den Gaul gekommen.
Tyras wußte zunächst nicht, wie ihm geschah.
Ein paar tausend Tage hatte er den schweren
Wagen gezogen, daß ihm die Zunge aus dem
Maul hing. Jetzt sollte er auf seinen Lebens-
abend den Rentier spielen dürfen? Die Nach-
barschaft war erbittert über das Ehepaar
Schäfer. Man gönnte ihnen den Auf-
stieg micht. Die Wahrheit zu sagen:
Willi und Käthe Schäfer rechneten mit
einem immer größeren Einmaleins und
hatten überdies ein sehr herablassendes
Benehmen gegen die Kundschaft an-
genommen.
Seit vorgestern fährt Schäfer-Willi
zweispännig. Auch das Haus hat er
gekauft und will den Laden erheblich
umbauen lassen. Pferde, Häuser und
neue Läden kosten heutzutage viel Geld.
Schäfer-Willi muß also nicht wenig
haben. Er ist ein ansehnlicher Mann
geworden. Einst kam es vor, daß er
ungewaschen zum Einkauf fuhr. Heute
ist er jeden Morgen frisch rasiert, und
wenn er sich auf den Bock schwingt,
geschieht es mit einer fast eleganten
Bewegung. An diesen schönen Abenden
steht er nach Ladenschluß gern vor
seinem Haus, den Bauch vorgeschoben
und zwischen den verächtlich gerollten
Lippen ein Bohnenblatt, das er groß-
artig ausspuckt, wenn ein Bekannter zu
ihm tritt, um einige Worte zu wechseln.
Glosse.
Es fehlt gar sehr an Seife,
Das ist ein Trauerspiel,
Doch Kriegsziel-Seifenblasen
Gibt's immer noch zu viel.
Ungestillte Sehnsucht.
„Ach, wenn du wärst mein eigen.
Wie lieb sollst du mir sein-"