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9556 —

Wandlung.

Jedes Herz hat selben Stern.
Millionen Herzen glühen,
Millionen Sterne sprühen
alle um den lichten Kern.

Himmel dunkelt stündlich ab.
Schwarz sind seine blauen Wiesen.
Sonne, Mond und Sterne fliehen
in ein nebelgraues Grab.

Letzter Schuh, der da verhallt,
wird den Himmel donnernd brechen,
wird der Zeit das Arteil sprechen:
„Schuldig bist du der Gewalt!"

Millionen sind zerstampft
in der Kelter blutiger Stunden,
und mit jedem Leib voll Wunden
ist ein klarer Stern verdampft.

Einmal fällt der letzte Mann.

Blut wird dann sein Amen schreien,
Hah wird letzten Geifer speien.

Alle Zeiten enden dann.

Alter Himmel stürzt ins Nichts.
Seine Sterne sind zerronnen....
Sieghaft steigen neue Sonnen
auf mit Fülle jungen Lichts.

Tote Brüder flammen auf.

And am Himmel unserer Herzen
zünden sie die neuen Kerzen.
Schlanker Tag wölbt seinen Lauf.

Liebe heiht die lichte Kraft.

Komm, o komm, du Tag der Weihe!

Alle Menschen eine freie,

neue Slerngenossenschaft! Karl Bröger.

Nach dem Krieg.

Der Diplomat.

Das Stahlbad.

Ein sittliches Stahlbad, das ist der Krieg,
So taten die Dichter ihn preisen,

Und solche Mevschheitsvervöllkommnung will
Gewißlich nicht wenig heiße».

Er weckt den Mut und die Tapferkeit,

Er schafft die modernen Leiden,

Von denen die späte Nachw'elt wird
Bewundernd noch immer melden.

Und durch Jahrhunderte weithin wird
Das Lob ihrer Taten ertönen.

Sie werden alle verewigt sein
In Denkmälern, großen und schönen.

Wenn einer mal daran zweifeln will.

Gewiß ist's eine Canaille —

Und doch — eine garstige Kehrseite hat
Auch leider diese Medaille.

Denn mit dem Kriege sind unserem Volk
Nicht lauter Leiden erstanden.

Es schossen wie Pilze die Wucherer aus
In unabsehbaren Banden.

Die Menschen rennen nach dem Profit
In ihrer Gier grad wie rasend,

Die ausgebeutete Menschheit sitzt
Im Winkel, dort Trübsal blasend.

Der Kriegsgewinner im Übermut,

Der lebt sich aus unterdessen

Und wird der ganzen Menschheit ein Lohn

Mit Protzen und Saufen und Fresse».

And wenn ich dann wieder vom Slahlbad hör'.
Von dem sie singen und sagen,

Möcht' die mißtönende Leier ich

Im Zorn solchen Dichtern zerschlagen. A. T.

Kriegsfabel.

Von A. S>.

Das Erlengebüsch am Bachrand lag im
Abendsonnenschein. Linde spielte der Wind
mit jungem Laub. Die Nachtigall sah blinzelnd
»ach dem roten Licht. Wenn es verglommen
sein würde, war die Zeit zum Singen ge-
kommen. Die Schwalbe huschte noch einmal
über den Bach, nahm ein letztes Schlücklein
»nd dachte ans Schlafengehen. Ein zerzauster
Spatz saß im Gezweig und sah zwinkernd auf
die beiden anderen.

Die Schwalbe und die Nachtigall, die sonst
einander fremd sind, setzten sich zusaninie».
Der Spatz, der sich in solche Gesellschaft nicht
wagen darf, aber der neugierig war, hockte
sich zehn Schritte davon nieder, um auch etwas
von dem Gespräch zu erlauschen.

„Was hast du gesehen?" fragte die Nachtigall.
„Kriegsvölker im Agyptenland," sagte die
Schwalbe. „Hundert Farben und Nationen
— mit Granaten beladene Kamele — hundert-

tausend Zelte, in denen Kriegsvolk schläft —
Kanonenboote im heiligen Strom .... die
Pyramiden stehen wie wartende Särge —
und nur die Sphinx lächelt wie immer. Kaum
fiel ein Schuß aber die Luft da unten ist
heiß und krank."

„Ich habe die Lust brüllen hören an der
Grenze Italiens," sagte die Nachtigall. „In
früheren Jahren sah ich Hunderte und Tau-
sende meiner Brüder und Schwestern sterben,
wenn wir im Frühling nach der Heimat ziehen
wollten. Dann standen die Italiener mit ihren
Vogelflinten und schossen »ach uns, denn sie
sind gierig nach unserem arme», zarten Leib.
Jetzt wird aus die Italiener geschossen. Der
getroffene Vogel sinkt klaglos zur Erde; die
Menschen schreien, wenn sie sterben. Es war
ein furchtbares Geschrei!"

Inzwischen war der Spatz bis auf drei
Schritte herangerückt, die beiden anderen sahen
ihn, und da auch sie etwas vom deutschen
Burgfrieden empfanden, vergaßen sie den
Rangunterschied und luden den Spatz ein,
vollends heranzukommen.

„Was hast du erlebt?" fragten sie ihn. „Ich,"
sagte bescheiden der Spatz, „ich Hab' durch-
gehalten!"

„Was hast du?"

„Durchgehalte»! Die ältesten Spatzen er-
' inner» sich an keinen Winter, der so schlecht
war wie der letzte. Es ist nämlich eine Sünde,
Brotgetreide zu verfüttern. Wenn nun schon
die Hunde keine Brotkrume erwischen und
. die Kikerikihähne pleite sind, was soll ein
armer Spatz sagen? Das Schlimmste ist: der
Pferdemist taugt auch nichts mehr; er hat
keinen rechten Wohlgeschmack mehr und ist
von geringem Nährgehall."

Die Nachtigall sah die Schwalbe an, als
ivollte sie sagen: das sei eigentlich eine un-
poetische Wendung in ihrer Unterhaltung am
Frühlingsabend, und man hätte sich doch mit
dem Gesellen nicht einlassen sollen, da er keine
Art habe, sich zu benehmen.

Aber die Schwalbe, die etwas Hausmütter-
liches hat, sagte gerührt: „Armer Freund, du
hast hungern müssen und bist doch dem Vater-
land treu geblieben?"

„Ja," sagte der Spatz, „mein dritter Bruder
aus der zweiten Hecke ist nach Frankreich
 
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