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Zur Offiziersuiaöl ln Österreich.
„Was fang’ ich jetzt an? Bei der Offizierswahl durchgefallen, bleibt
mir nichts anderes übrig, als mich nach einer Stelle als Laternenanzünder
umznschen."
nobelfpäne. LT
Was ist heul Gerechtigkeit?
Sag’s, o Freund, ganz unverhohlen, — i
Denn es ist die Weltenfrage,
Die uns Deutsche stark bekümmert.
Recht und Freiheit ist der Wahlspruch
Des Amerikaners Wilson,
Aber Fach und seinesgleichen
Sind darüber andrer Ansicht.
Rechte hat nur die Entente,
Wie sie sagen, alle andern
Sind nur dazu noch vorhanden,
Um sie ratzenkahl zu scheren.
Wenn es je zum Völkerbund kommen sollte, dann wäre es doch
gleichgültig, ob die verschiedenen kleinen Völkersplitter sich unter einer
Miniatur-Republik zu vereinigen suchen, statt sich sofort der großen
europäischen Republik — die doch Raum für alle hat — anzuschließen,
„Abrüstung", hör' ich's rings erschallen,,
„Ist der Völker Morgenrot."
Gilt dieses Stichwort nur von allen
Deutschland, das in. bittrer Not?
Ach, man will sich doch betrügen
Bei dem vollen Futterlrog.
Wenn sie sich das Raufen kriegen,
Brauchen sie die Waffen doch.
„Willem kommt »ich mehr nach Berlin", sagte ick zu meiner Ollen,
„ihm riecht der Holländer anjenehmer als der Harzer." — „Na null,
meente sie, „er will doch ooch vaterlandsloser Jeselle wern, wat du so
lange jewesen bi,t." Dein getreuer Säge, Schreiner.
ist, Jesus wird unser Schlachtruf fein. — —
Dabei fiel sein Blick auf die Christusstatue
von Thorwaldsen; aber sein Blick erstarrte:
Christus hielt die Arme nicht mehr segnend
offen; er ballte seine Rechte und rief: „Du
sollst meinen Namen nicht unnützlich führen!
Ich habe gefordert: Liebet eure Feinde!" Und
bei jedem Wort fiel eine Faust auf seinen Kopf.
Pastor Buschinann schrie auf. Die Sonne
schien friedlich in das Zimmer.
Ich muß geträumt haben, dachte er, der
Schweinebraten war doch zu fett: ich habe
es Jette gleich gesagt. Und bekümmert sam-
melte er die Trümmer der Pfeife auf, die ihm
im Schlaf entfallen war. Ein Bismarckkops
war darauf und die schöne Inschrift: „Wir
Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der
Welt." Durch den Kanzlerkopf und den Spruch
war der Spalt hindurchgegangen. Es schien
ihm wie ein Symbol dieser ganz schlimmen
Zeiten.
Es klopfte. Seine Frau brachte ihm den
Kaffee. „Weißt du, Jette," sagte er, „ich werde
den Kaffee lieber bei euch trinken. Hier ist es
doch nicht so gemütlich."
Und mißtrauisch schielte er zu dem Christus
an der Wand, der wieder segnend die Arme
ausbreiteT... P. E.
es es
Lieber Jacob!
Der Krieg hat ja nu lang jenug jedauert,
aber wat richtijer Heldenmut is, det wissen
wir doch noch immer »ich recht. Dadrum is
et jut, wenn man de Jelegenheet benutzt, diese
Licke in de Kenntnisse auszufillen.
Neilich Sonntag jehe ick mit meinen Fremd
Edeward mittags iebern Keenigsplatz un be-
merke eene Menschenmenge, die sich um det
Bismarckdenkmal uffjepflanzt hat. Eener war
hochjeklettert un redete. Bill konnten wir nich
verstehen, aber eenzelne Worte schlugen uns
um de Ohren: „Jämmerliche Feigheit. - •
Schmachfrieden . . . keene Nachjiebigkeit nich
. . . Widerstand bis zu’n letzten Hauch!" Et
waren blaue Turner, lauter starke junge Män-
ner, die hier ihre nazjonalistischen Freiiebun-
gen ausfiehrten. „Schade," sagte ich zu Ed-
ward'», „det die Leite sich ejal mang uns
jämmerliche Feiglinge uffhalten! An de Front
war doch so ville Platz for Helden." „Wat
willste," entjejente Edeward, „det sind natier-
lich allens Kriegskombattanten, die ihre Flicht
for't Vaterland jetan haben un nu de andern
mit jlauzvolles Beispiel anfeiern wollen. Kieke
man dem, der immer Nieder mit de Juden-
rejierung drillt!" Un Edeward hatte recht:
der Jingling trug einen Arm in de Binde un
bewegte sich an'» Stock vorwärts, ,,'n Held
aus de flandrische Simpfe!" flisterte Edeward
mit ehrfirchtiges Schaudern. Wir drängelten
uns an ihm ran, un ick bejrießte ihm mit den
alldeitschen Kerngruß: „Heil! Heil! Wo haben
Se stch denn det jeholt?" „Heil!" schrie der
Verwundete zurück, „leider als Bankbeamter
dauernd nnabkeminlich. Aber heile vor acht
Tagen uff de Fahrt in'n Jrunewalh! Janze
Hochbahn proppendichte volljestoppt voll Ju-
deuweiber! Quetschten mir de Seele aus'n
Leibe, un wie ick Juden raus schrie, hat mir
det irrejeleitete Volk in diesen jewalttätigen
Zustand versetzt! Ne janze Woche mußte ick
liejen. Heite jeht's aber schon wieder, Jolt sei
Dank! Nieder mit Scheidemann! Nieder mit
den Schandfrieden! Vorwärts bis zu'n letzten
Hauch! Hoch Tirpitz!" Er drillte noch'n janzen
Fetzen weiter, ick aber kiekte bloß Edeward'n
mit'» beredten Blicke an, un mein Freind ver-
stummte.
Wir verließen dem Schauplatz des alldeit-
schen Opfermutes un bejaben uns in eene
benachbarte Stehbierhalle, wo ick mir in'n
alldeitsches Flugblatt vertiefte. Da stand
'n feiner Brief drin von den berühmten
Armeelieferanten un von Ludendorffs Inti-
mus, den keeniglichen Jeheimrat Duisberg,
der sich jejen dem schmachvollen Borwurf
verteidigt, 'n Krjegsjewinnler zu sind, un wo'
er mit Stolz erklärt, det er sein „bestes Kön-
nen un Wissen einjesetzt" jehabt habe, um in
seine Fabrike „trotz der damit verbundenen
Lebensjefahr" dem Munizjonsmangel 'abzu-
helfen! Ick reichte det Blatt meinen Freind
un nu wußten wir beede uff eenmal Bescheid.
De wahre Tapserkeet is nich in't Feld, son-
dern hier mang un hinter de Front zu finden.
Hoffentlich wird det befische Volk nich ver-
sessen, diesen Dank flichtschuldigst un nach-!
dricklichst abzustatten.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthils Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.!
Wegen Papiermangel mußte
diesmal die beabsichtigte zweite Bei-
lage ausfallen.
RedakUonsschluß 11. November 1918.
Zur Offiziersuiaöl ln Österreich.
„Was fang’ ich jetzt an? Bei der Offizierswahl durchgefallen, bleibt
mir nichts anderes übrig, als mich nach einer Stelle als Laternenanzünder
umznschen."
nobelfpäne. LT
Was ist heul Gerechtigkeit?
Sag’s, o Freund, ganz unverhohlen, — i
Denn es ist die Weltenfrage,
Die uns Deutsche stark bekümmert.
Recht und Freiheit ist der Wahlspruch
Des Amerikaners Wilson,
Aber Fach und seinesgleichen
Sind darüber andrer Ansicht.
Rechte hat nur die Entente,
Wie sie sagen, alle andern
Sind nur dazu noch vorhanden,
Um sie ratzenkahl zu scheren.
Wenn es je zum Völkerbund kommen sollte, dann wäre es doch
gleichgültig, ob die verschiedenen kleinen Völkersplitter sich unter einer
Miniatur-Republik zu vereinigen suchen, statt sich sofort der großen
europäischen Republik — die doch Raum für alle hat — anzuschließen,
„Abrüstung", hör' ich's rings erschallen,,
„Ist der Völker Morgenrot."
Gilt dieses Stichwort nur von allen
Deutschland, das in. bittrer Not?
Ach, man will sich doch betrügen
Bei dem vollen Futterlrog.
Wenn sie sich das Raufen kriegen,
Brauchen sie die Waffen doch.
„Willem kommt »ich mehr nach Berlin", sagte ick zu meiner Ollen,
„ihm riecht der Holländer anjenehmer als der Harzer." — „Na null,
meente sie, „er will doch ooch vaterlandsloser Jeselle wern, wat du so
lange jewesen bi,t." Dein getreuer Säge, Schreiner.
ist, Jesus wird unser Schlachtruf fein. — —
Dabei fiel sein Blick auf die Christusstatue
von Thorwaldsen; aber sein Blick erstarrte:
Christus hielt die Arme nicht mehr segnend
offen; er ballte seine Rechte und rief: „Du
sollst meinen Namen nicht unnützlich führen!
Ich habe gefordert: Liebet eure Feinde!" Und
bei jedem Wort fiel eine Faust auf seinen Kopf.
Pastor Buschinann schrie auf. Die Sonne
schien friedlich in das Zimmer.
Ich muß geträumt haben, dachte er, der
Schweinebraten war doch zu fett: ich habe
es Jette gleich gesagt. Und bekümmert sam-
melte er die Trümmer der Pfeife auf, die ihm
im Schlaf entfallen war. Ein Bismarckkops
war darauf und die schöne Inschrift: „Wir
Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der
Welt." Durch den Kanzlerkopf und den Spruch
war der Spalt hindurchgegangen. Es schien
ihm wie ein Symbol dieser ganz schlimmen
Zeiten.
Es klopfte. Seine Frau brachte ihm den
Kaffee. „Weißt du, Jette," sagte er, „ich werde
den Kaffee lieber bei euch trinken. Hier ist es
doch nicht so gemütlich."
Und mißtrauisch schielte er zu dem Christus
an der Wand, der wieder segnend die Arme
ausbreiteT... P. E.
es es
Lieber Jacob!
Der Krieg hat ja nu lang jenug jedauert,
aber wat richtijer Heldenmut is, det wissen
wir doch noch immer »ich recht. Dadrum is
et jut, wenn man de Jelegenheet benutzt, diese
Licke in de Kenntnisse auszufillen.
Neilich Sonntag jehe ick mit meinen Fremd
Edeward mittags iebern Keenigsplatz un be-
merke eene Menschenmenge, die sich um det
Bismarckdenkmal uffjepflanzt hat. Eener war
hochjeklettert un redete. Bill konnten wir nich
verstehen, aber eenzelne Worte schlugen uns
um de Ohren: „Jämmerliche Feigheit. - •
Schmachfrieden . . . keene Nachjiebigkeit nich
. . . Widerstand bis zu’n letzten Hauch!" Et
waren blaue Turner, lauter starke junge Män-
ner, die hier ihre nazjonalistischen Freiiebun-
gen ausfiehrten. „Schade," sagte ich zu Ed-
ward'», „det die Leite sich ejal mang uns
jämmerliche Feiglinge uffhalten! An de Front
war doch so ville Platz for Helden." „Wat
willste," entjejente Edeward, „det sind natier-
lich allens Kriegskombattanten, die ihre Flicht
for't Vaterland jetan haben un nu de andern
mit jlauzvolles Beispiel anfeiern wollen. Kieke
man dem, der immer Nieder mit de Juden-
rejierung drillt!" Un Edeward hatte recht:
der Jingling trug einen Arm in de Binde un
bewegte sich an'» Stock vorwärts, ,,'n Held
aus de flandrische Simpfe!" flisterte Edeward
mit ehrfirchtiges Schaudern. Wir drängelten
uns an ihm ran, un ick bejrießte ihm mit den
alldeitschen Kerngruß: „Heil! Heil! Wo haben
Se stch denn det jeholt?" „Heil!" schrie der
Verwundete zurück, „leider als Bankbeamter
dauernd nnabkeminlich. Aber heile vor acht
Tagen uff de Fahrt in'n Jrunewalh! Janze
Hochbahn proppendichte volljestoppt voll Ju-
deuweiber! Quetschten mir de Seele aus'n
Leibe, un wie ick Juden raus schrie, hat mir
det irrejeleitete Volk in diesen jewalttätigen
Zustand versetzt! Ne janze Woche mußte ick
liejen. Heite jeht's aber schon wieder, Jolt sei
Dank! Nieder mit Scheidemann! Nieder mit
den Schandfrieden! Vorwärts bis zu'n letzten
Hauch! Hoch Tirpitz!" Er drillte noch'n janzen
Fetzen weiter, ick aber kiekte bloß Edeward'n
mit'» beredten Blicke an, un mein Freind ver-
stummte.
Wir verließen dem Schauplatz des alldeit-
schen Opfermutes un bejaben uns in eene
benachbarte Stehbierhalle, wo ick mir in'n
alldeitsches Flugblatt vertiefte. Da stand
'n feiner Brief drin von den berühmten
Armeelieferanten un von Ludendorffs Inti-
mus, den keeniglichen Jeheimrat Duisberg,
der sich jejen dem schmachvollen Borwurf
verteidigt, 'n Krjegsjewinnler zu sind, un wo'
er mit Stolz erklärt, det er sein „bestes Kön-
nen un Wissen einjesetzt" jehabt habe, um in
seine Fabrike „trotz der damit verbundenen
Lebensjefahr" dem Munizjonsmangel 'abzu-
helfen! Ick reichte det Blatt meinen Freind
un nu wußten wir beede uff eenmal Bescheid.
De wahre Tapserkeet is nich in't Feld, son-
dern hier mang un hinter de Front zu finden.
Hoffentlich wird det befische Volk nich ver-
sessen, diesen Dank flichtschuldigst un nach-!
dricklichst abzustatten.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthils Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.!
Wegen Papiermangel mußte
diesmal die beabsichtigte zweite Bei-
lage ausfallen.
RedakUonsschluß 11. November 1918.