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Garten an diesem Abhang!
Ich glaube, hier würden
Aprikosen gedeihen, viel-
leicht sogar Mandeln. Un-
ten im Wasser ein Boot!
Und bei Sonnenuntergang
ließe ich mich langsam den
Fluß hinabtreiben, direkt
ins Abendrot hinein. . . ."
„Was du für Ideen hast,
Niels!" Der Schneider
lächelte.
Niels ließ sich nicht stören.
„Es ist soviel Dunkles um
uns und in uns, Nickel.
Auch wohl Häßliches und
Schlechtes. Und das kann
nur die Sonne ausbrennen.
Das Licht macht uns besser.
Wessen Augen einmal die
Schönheit gesehen haben,
wenn auch nur im Traum,
kommt nicht mehr los da-
von. Er sucht sie immer
wieder."
„Aber finden wir sie,
Niels? Träumen, ja, träu-
men dürfen wir davon."
„Es wird schon einmal,
Nickel, es wird. Wieviel
gibt die Menschheit für Zer-
störung aus! Nun denke, sie
bekäme einmal den schönen
Wahn und würfe ebensoviel
fürs Bauen hin! Du und ich
und wir alle, die wir wie
Kellerwürmer leben,könnten
dann Menschen werden."
„Ja, wenn. . . .! Warte
auf die Weltvernunft, Niels,
aber laß dir die Zeit nicht
lang werden."
„Sie kommt, die Weltvernunft, sie kommt
ganz gewiß, Nickel!"--
Zunächst kam etwas anderes.
Der Mangel, die Sorge. Der Mangel an
Arbeitsmaterial. Die Sorge ums nackte Leben.
Die Tabakpreise stieAen ins Ungeheure. Niels
meinte, das gehe nicht mit rechten Dingen zu,
und fragte seine Lieferanten, ob sie glaubten-
er habe Millionäre zu Kunden.
Sie antworteten nicht und vergaßen gänz-
lich den weltfremden Zigarrenmacher Niels
Schuppe. Der verkaufte seinen kleinen Vorrat
zu den alten Preisen und hing bald einen
Zettel ins Schaufenster: Wegen Warenmangel
geschlossen.
Und dann — was dann mit Niels Schuppe
vorgegangen ist, läßt sich nur vermuten. Seine
Tür blieb verschlossen, und nur die anderen
Hausbewohner hörten und sahen ihn zuweilen
flüchtig. Bis es ihnen eines Tages auffiel,
daß es so sehr ruhig in Schuppes Behausung
sei und er sich überhaupt nicht mehr blicken
lasse.
Man wartete noch einige Tage und horchte.
Dann ließ man die Tür aufbrechen.
NielS Schuppe faß tot vor dem Küchentisch,
vor sich ein Blatt Papier mit dem Grundriß
eines Hauses. Die Blumen auf dem Fenster-
brett waren vertrocknet und hingen kraftlos
und welk in den Töpfen. Der Kanarienvogel
Österreich.
Ob alte Reiche auch in
Trümmer gehen, — wir
wollen drob nicht flenne»
und nicht greinen! — Was
sich erfüllen mußte, mag
geschehen. — Das Jam-
mern überlaßt den Ewig-
kleine»!
Den Starken aber grüßt
in lichter Lelle — der stol-
zen Hoffnung goldne Mor-
genröte: — Daß an des
Dynastienstolzes Stelle,
— o schönster Sieg, das
Glück der Völker trete!
Karl Ettllnger,
Glossen.
Ein Volk hat so lange
monarchisches Gefühl, als
die Monarchen Gefühl fürs
Volk haben.
Monarchien sind erblich.
Reife Völker korrigieren aber
zuweilen das Standesamts-
register.
Man wirft Monarchis-
mus und Patriotismus in
einen Topf und vergißt ganz,
daß es immer die besten
Patrioten waren, die nichts
von einer Monarchie wissen
wollten. R.
® 0$
Der Stoßtrupp.
Aus ungeheurer Mörser Krampf,
Aus Schutt und Fels, vom Stahl zerrieben,
Wird in den mörderischen Kampf
Der Stoßtrupp in die Gräben stieben.
Aus fernen Friedens blauem Dampf
Ist mir ein alter Spruch geblieben:
»Mensch soll den Mensch als Bruder lieben.«
Der Minen toller Ansturm keucht.
Die Slahlanwürfe krachend splittern,
sim Stollen, kühl und trüb und feucht,
Die Felsenwände ängstlich zittern.
Die Welt ein heulendes Geleucht
Bon urgewaltigen Gewittern.
Und dann der vorgepeitschte Sprung.
Zertrichtert Land, die Mörser dröhnew
Das andre: nur Erinnerung
Bon Kampf und Blut, von Tod und Stöhnen.
Die Nacht. Die Sterne. Schön und jung!
Die Erde voll von toten Söhnen....
Aus ungeheurer Mörser Krampf,
Aus Schutt und Fels, vom Stahl zerrieben,
Hat sich in der Geschütze Kampf
Der Stoßtrupp ins Gefecht getrieben.
Der Frieden. Sonne! Soldner Dampf.
Mit klarer Schrift ein Spruch geschrieben:
»Mensch soll den Mensch als Bruder lieben.-
Musketier Mas Barthel.
Jeder nach seinem Geschmack.
Wie sick Hein Kohrdts den Frieden vorstelll.
lag, ein graues, lebloses Klümpchen, im Bauer.
Der Arzt sagte, Niels Schuppe sei an Ent-
kräftung gestorben. Die Leute meinten, er sei
verhungert.
Einige trauerten wirklich um ihn und ge-
leiteten den Toten hinaus zum Friedhof. Sie
legten frischgrüne und blumige Kränze neben
sein offenes Grab und hörten auf die Worte,
die Niels' Freund, der Schneider, zum Ab-
schied sprach; denn ein Pfarrer war nicht
bemüht mordest. Nickel sagte:
„Dein Körper hat im Dunkel gelebt, Niels
Schuppe! Aber dein Geist hielt es da nicht
aus und flüchtete in das Reich des Lichtes.
Die Welt ist dir viel Sonne schuldig geblieben.
Dir und uns. Darum hast du für uns Alle
Häuser gebaut, lichte, heitere Häuser, und es
ist nicht deine Schuld, wenn wir nicht darin
wohnen können. Jetzt ruhst du ganz im Schatten.
Aber dein Haus, Niels Schuppe, dein Haus,
das du ganz allein bewohnen wolltest, das
hast du nun. ..."
($■ GS
warum? - Darum!
(Es fühlen so manche reichen Leute
Sich vielfach recht unbehaglich heule;
Je reicher sie sind, das sieht man ein,
Um so schlechter mag ihr Gewissen sein.
Garten an diesem Abhang!
Ich glaube, hier würden
Aprikosen gedeihen, viel-
leicht sogar Mandeln. Un-
ten im Wasser ein Boot!
Und bei Sonnenuntergang
ließe ich mich langsam den
Fluß hinabtreiben, direkt
ins Abendrot hinein. . . ."
„Was du für Ideen hast,
Niels!" Der Schneider
lächelte.
Niels ließ sich nicht stören.
„Es ist soviel Dunkles um
uns und in uns, Nickel.
Auch wohl Häßliches und
Schlechtes. Und das kann
nur die Sonne ausbrennen.
Das Licht macht uns besser.
Wessen Augen einmal die
Schönheit gesehen haben,
wenn auch nur im Traum,
kommt nicht mehr los da-
von. Er sucht sie immer
wieder."
„Aber finden wir sie,
Niels? Träumen, ja, träu-
men dürfen wir davon."
„Es wird schon einmal,
Nickel, es wird. Wieviel
gibt die Menschheit für Zer-
störung aus! Nun denke, sie
bekäme einmal den schönen
Wahn und würfe ebensoviel
fürs Bauen hin! Du und ich
und wir alle, die wir wie
Kellerwürmer leben,könnten
dann Menschen werden."
„Ja, wenn. . . .! Warte
auf die Weltvernunft, Niels,
aber laß dir die Zeit nicht
lang werden."
„Sie kommt, die Weltvernunft, sie kommt
ganz gewiß, Nickel!"--
Zunächst kam etwas anderes.
Der Mangel, die Sorge. Der Mangel an
Arbeitsmaterial. Die Sorge ums nackte Leben.
Die Tabakpreise stieAen ins Ungeheure. Niels
meinte, das gehe nicht mit rechten Dingen zu,
und fragte seine Lieferanten, ob sie glaubten-
er habe Millionäre zu Kunden.
Sie antworteten nicht und vergaßen gänz-
lich den weltfremden Zigarrenmacher Niels
Schuppe. Der verkaufte seinen kleinen Vorrat
zu den alten Preisen und hing bald einen
Zettel ins Schaufenster: Wegen Warenmangel
geschlossen.
Und dann — was dann mit Niels Schuppe
vorgegangen ist, läßt sich nur vermuten. Seine
Tür blieb verschlossen, und nur die anderen
Hausbewohner hörten und sahen ihn zuweilen
flüchtig. Bis es ihnen eines Tages auffiel,
daß es so sehr ruhig in Schuppes Behausung
sei und er sich überhaupt nicht mehr blicken
lasse.
Man wartete noch einige Tage und horchte.
Dann ließ man die Tür aufbrechen.
NielS Schuppe faß tot vor dem Küchentisch,
vor sich ein Blatt Papier mit dem Grundriß
eines Hauses. Die Blumen auf dem Fenster-
brett waren vertrocknet und hingen kraftlos
und welk in den Töpfen. Der Kanarienvogel
Österreich.
Ob alte Reiche auch in
Trümmer gehen, — wir
wollen drob nicht flenne»
und nicht greinen! — Was
sich erfüllen mußte, mag
geschehen. — Das Jam-
mern überlaßt den Ewig-
kleine»!
Den Starken aber grüßt
in lichter Lelle — der stol-
zen Hoffnung goldne Mor-
genröte: — Daß an des
Dynastienstolzes Stelle,
— o schönster Sieg, das
Glück der Völker trete!
Karl Ettllnger,
Glossen.
Ein Volk hat so lange
monarchisches Gefühl, als
die Monarchen Gefühl fürs
Volk haben.
Monarchien sind erblich.
Reife Völker korrigieren aber
zuweilen das Standesamts-
register.
Man wirft Monarchis-
mus und Patriotismus in
einen Topf und vergißt ganz,
daß es immer die besten
Patrioten waren, die nichts
von einer Monarchie wissen
wollten. R.
® 0$
Der Stoßtrupp.
Aus ungeheurer Mörser Krampf,
Aus Schutt und Fels, vom Stahl zerrieben,
Wird in den mörderischen Kampf
Der Stoßtrupp in die Gräben stieben.
Aus fernen Friedens blauem Dampf
Ist mir ein alter Spruch geblieben:
»Mensch soll den Mensch als Bruder lieben.«
Der Minen toller Ansturm keucht.
Die Slahlanwürfe krachend splittern,
sim Stollen, kühl und trüb und feucht,
Die Felsenwände ängstlich zittern.
Die Welt ein heulendes Geleucht
Bon urgewaltigen Gewittern.
Und dann der vorgepeitschte Sprung.
Zertrichtert Land, die Mörser dröhnew
Das andre: nur Erinnerung
Bon Kampf und Blut, von Tod und Stöhnen.
Die Nacht. Die Sterne. Schön und jung!
Die Erde voll von toten Söhnen....
Aus ungeheurer Mörser Krampf,
Aus Schutt und Fels, vom Stahl zerrieben,
Hat sich in der Geschütze Kampf
Der Stoßtrupp ins Gefecht getrieben.
Der Frieden. Sonne! Soldner Dampf.
Mit klarer Schrift ein Spruch geschrieben:
»Mensch soll den Mensch als Bruder lieben.-
Musketier Mas Barthel.
Jeder nach seinem Geschmack.
Wie sick Hein Kohrdts den Frieden vorstelll.
lag, ein graues, lebloses Klümpchen, im Bauer.
Der Arzt sagte, Niels Schuppe sei an Ent-
kräftung gestorben. Die Leute meinten, er sei
verhungert.
Einige trauerten wirklich um ihn und ge-
leiteten den Toten hinaus zum Friedhof. Sie
legten frischgrüne und blumige Kränze neben
sein offenes Grab und hörten auf die Worte,
die Niels' Freund, der Schneider, zum Ab-
schied sprach; denn ein Pfarrer war nicht
bemüht mordest. Nickel sagte:
„Dein Körper hat im Dunkel gelebt, Niels
Schuppe! Aber dein Geist hielt es da nicht
aus und flüchtete in das Reich des Lichtes.
Die Welt ist dir viel Sonne schuldig geblieben.
Dir und uns. Darum hast du für uns Alle
Häuser gebaut, lichte, heitere Häuser, und es
ist nicht deine Schuld, wenn wir nicht darin
wohnen können. Jetzt ruhst du ganz im Schatten.
Aber dein Haus, Niels Schuppe, dein Haus,
das du ganz allein bewohnen wolltest, das
hast du nun. ..."
($■ GS
warum? - Darum!
(Es fühlen so manche reichen Leute
Sich vielfach recht unbehaglich heule;
Je reicher sie sind, das sieht man ein,
Um so schlechter mag ihr Gewissen sein.