9606
Die hohe Stunde.
Nun stehst du, Volk, auf freiem Grund,
durch deine eigne Kraft befreit.
Geschlossen ist der hohe Bund
des Brudertums, der Menschlichkeit.
Die edle Stunde, lang ersehnt,
schlug an mit einem vollen Klang,
• als du dich mächtig aufgelehnt,
daß deine Eisenkette sprang.
Um dich fließt junges Morgenrot,
du hebst den Blick aus tiefer Nacht.
Der lange Weg durch Leid und Not
hat endlich dich ans Ziel gebracht.
Mein großes Volk, so hart bewährt,
dein Tag ist da, die Sonne steigt.
Greif zu und alles ist geklärt,
dir ist die Stunde wohlgeneigt.
Daß bald durch das befreite Land
des neuen Frühlings Stürme wehn,
und gleiche Brüder, Land in Land,
einträchtig, froh und friedlich gehn.
_..._ Karl Brögcr.
o Fabeln, o
Von Paulus.
Die mitleidigen Bestien.
Ei» Negerkind, dessen väterliche Hütte vom
kolonialen Krieg zerstört und in Brand nnf-
gegangen war, floh davon durch Wüste und
Dorngestrüpp. Plötzlich, als es sich unter einer
Palmengruppe ausruhen wollte, hörte es das
ihm nur zu wohlbekannte Brüllen von Raub-
tieren. Aus dem Dickicht traten mehrere Löwen.
Das Kind fiel auf die Knie, jammerte und
erzählte sein Leid.
„Was machen wir mit ihm?" fragte ein
junger Löwe.
„Laßt es!" sagte ein alter Löwe, .der Führer
der Herde. „Habt Mitleid mit ihm: es kommt
von jenen wilden Bestien, die sich Menscheist
nennen!"
Und die Raubtiere zogen von dannen.
Die unvernünftigen Tiger.
ZiveiTiger begegneten einanderim Dschungel.
Und da sie sich seit Jahren um die guten Futter-
plätze beneideten und scheel ans jeden Bissen
sahen, den der andere davontrug, benützten sie
die Gelegenheit, um ihre Sache auszutragen.
Sie fielen, schäumend vor Wut, übereinander
her, bissen sich und schlugen sich gegenseitig
mit den Pranken furchtbare Wunden, bis sie
beide, vom Blutverlust erschöpft, einen Augen-
blick innehielte».
Ein alter Papagei, den ihr Gebrüll herbei-
gelockt, sagte: „Nun könnt ihr doch Ruhe
halten; jeder hat ja den Feind genug geschä-
digt." Aber beide Tiger schrien einstimmig:
„Du Schwätzer, siehst du nicht, daß jeder noch
ein paar Tropfen Blut in sich hat?"
Und wutergrimmt fielen sie wieder über-
einander her und bissen drauf los. . . .
Weltwende.
Nun hat doch alles einen Sinn
Empfangen. All das Lassen
Und Morde» brachte doch Gewinn;
Die Blut'gen, Bleichen, Blasse»,
Sie sanken nicht umsonst dahin . . .
Zn Löllenglut und Teufelstanz
Verwelkte» ihre Tage.
Nun liegt ein roter Rosenkranz
Um ihre Sarkophage
Und eines Morgens heller Glanz.
Das Trauerkleid ward Festtagskleid
In diesen Schicksalsstunden.
So wollt' es die Gerechtigkeit:
Die Welt voll Blut und Wunden
Gebar in Schmerz die neue Zeit...
So fand doch alles einen Sinn . . .
Aus dunkler Wetterwolke
Spricht wie ein Weltenanbeginn
Der Gott zu seinem Volke:
Zieht ins gelobte Land! Zieht hin!!
Paul Enderling
Die Schlacht „Am Birkenbaum".
Da! — es stürzt! — das Löelste dieser Schlacht — Wer denkt noch an den? Wer unter den Wagen
Der Geschleifte liegt tot im Zarn! Risse den noch hervor? Was Bahre, was Sarg!
Und über ihn weg nun die wilde Jagd, Hört, Herr — doch dürft Ihr es keinem sagend —
Die Lafetten, die pulverkarrn! — So stirbt in Europa der letzte Monarch! freitigrati).
Die hohe Stunde.
Nun stehst du, Volk, auf freiem Grund,
durch deine eigne Kraft befreit.
Geschlossen ist der hohe Bund
des Brudertums, der Menschlichkeit.
Die edle Stunde, lang ersehnt,
schlug an mit einem vollen Klang,
• als du dich mächtig aufgelehnt,
daß deine Eisenkette sprang.
Um dich fließt junges Morgenrot,
du hebst den Blick aus tiefer Nacht.
Der lange Weg durch Leid und Not
hat endlich dich ans Ziel gebracht.
Mein großes Volk, so hart bewährt,
dein Tag ist da, die Sonne steigt.
Greif zu und alles ist geklärt,
dir ist die Stunde wohlgeneigt.
Daß bald durch das befreite Land
des neuen Frühlings Stürme wehn,
und gleiche Brüder, Land in Land,
einträchtig, froh und friedlich gehn.
_..._ Karl Brögcr.
o Fabeln, o
Von Paulus.
Die mitleidigen Bestien.
Ei» Negerkind, dessen väterliche Hütte vom
kolonialen Krieg zerstört und in Brand nnf-
gegangen war, floh davon durch Wüste und
Dorngestrüpp. Plötzlich, als es sich unter einer
Palmengruppe ausruhen wollte, hörte es das
ihm nur zu wohlbekannte Brüllen von Raub-
tieren. Aus dem Dickicht traten mehrere Löwen.
Das Kind fiel auf die Knie, jammerte und
erzählte sein Leid.
„Was machen wir mit ihm?" fragte ein
junger Löwe.
„Laßt es!" sagte ein alter Löwe, .der Führer
der Herde. „Habt Mitleid mit ihm: es kommt
von jenen wilden Bestien, die sich Menscheist
nennen!"
Und die Raubtiere zogen von dannen.
Die unvernünftigen Tiger.
ZiveiTiger begegneten einanderim Dschungel.
Und da sie sich seit Jahren um die guten Futter-
plätze beneideten und scheel ans jeden Bissen
sahen, den der andere davontrug, benützten sie
die Gelegenheit, um ihre Sache auszutragen.
Sie fielen, schäumend vor Wut, übereinander
her, bissen sich und schlugen sich gegenseitig
mit den Pranken furchtbare Wunden, bis sie
beide, vom Blutverlust erschöpft, einen Augen-
blick innehielte».
Ein alter Papagei, den ihr Gebrüll herbei-
gelockt, sagte: „Nun könnt ihr doch Ruhe
halten; jeder hat ja den Feind genug geschä-
digt." Aber beide Tiger schrien einstimmig:
„Du Schwätzer, siehst du nicht, daß jeder noch
ein paar Tropfen Blut in sich hat?"
Und wutergrimmt fielen sie wieder über-
einander her und bissen drauf los. . . .
Weltwende.
Nun hat doch alles einen Sinn
Empfangen. All das Lassen
Und Morde» brachte doch Gewinn;
Die Blut'gen, Bleichen, Blasse»,
Sie sanken nicht umsonst dahin . . .
Zn Löllenglut und Teufelstanz
Verwelkte» ihre Tage.
Nun liegt ein roter Rosenkranz
Um ihre Sarkophage
Und eines Morgens heller Glanz.
Das Trauerkleid ward Festtagskleid
In diesen Schicksalsstunden.
So wollt' es die Gerechtigkeit:
Die Welt voll Blut und Wunden
Gebar in Schmerz die neue Zeit...
So fand doch alles einen Sinn . . .
Aus dunkler Wetterwolke
Spricht wie ein Weltenanbeginn
Der Gott zu seinem Volke:
Zieht ins gelobte Land! Zieht hin!!
Paul Enderling
Die Schlacht „Am Birkenbaum".
Da! — es stürzt! — das Löelste dieser Schlacht — Wer denkt noch an den? Wer unter den Wagen
Der Geschleifte liegt tot im Zarn! Risse den noch hervor? Was Bahre, was Sarg!
Und über ihn weg nun die wilde Jagd, Hört, Herr — doch dürft Ihr es keinem sagend —
Die Lafetten, die pulverkarrn! — So stirbt in Europa der letzte Monarch! freitigrati).