9610
•so Der Hammer, ca?
Karl Bröger.
Amboß waren wir lange genug, Gewalt schlug mit harten Schlägen zu Wir schmieden die Zukunft mit eigener Kand,
darauf die Gewalt unser Schicksal schlug, und ließ uns nimmer Rast noch Ruh. >vir schmieden das neue Vaterland,
Die Funken sprühten in buntem Spiel. Wir trugen schweigend die schwere Last. Die Amboß-Zeit ist für immer vorbei.
Run ist es genug! Nun ist es zuviel. Jetzt haben wirselbstden Kammer gefaßt. Wirschwingen den Kammer getrost und frei.
.o-
Völkersturm.
Ein Brause» und Sausen i» Ost und West,
Ein Brausen von Süden und Norden.
Zum leuchtenden Auferstehungsfest
Sind plötzlich die Tage geworden.
Die Wipfel rausche» vom Sturmeswehn,
Die Täler dröhnen vom jungen Föhn —'
In .Höhen und Tiefen der Erden
Will's Frühling werden!
Die Knechtschaft sinket und Tyrannei,
And Krieg und Haß und Verderben,
And Sklavenvölker, sie werden frei.
And Ketten brechen in Scherben.
O du neue, du ringende, gärende Zeit,
Wie Licht und Purpur, so ist dein Kleid,
Aus Herzen quillt es, aus heißen.
Dich jubelnd zu preisen.
Geschritten sind wir durch Mord und Brand,
Durch Blut und Wunden und Tränen,
Nun aber hebt sich ei» neues Land,
Nun wird Erfüllung dein Sehnen.
O Volk, und ob auch dein Herz noch zagt.
Ein Frühling kommt und ein Morgen
tagt.
Wo Recht und Freiheit in Flammen
Dir schlagen zusammen! E. Klaar.
Noch sind die Wasser zu tief!
von«.r,.
Markmann stand vor seinem Wärter-
häuschen. Aus der kurzen Tabakspfeife
stieg geringelter Rauch in die Luft. In
den Telegraphendrähten summte der
Wind seine schwingende Melodie. Die
beiden Bahngeleise lagen trotzig und
plump quer vor dem Häuschen und
zogen zu den beiden Seiten in die Weite.
Das Blau des Himmels wurde lief.
Markmann ging üz die Bude und steckte
die Laternen an. Vom Leuchten seiner
Laternen hing der Schlag von Hun-
derten von Herzen ab. Er wußte das
und trug die Lampen hinaus. Eine
hing er an jeder Seite des Bahndam-
mes auf, da, wo nahe beim Häuschen
die Dorfstraße über die Geleise lief.
Die anderen trug er zu den- Signal-
masten und klemmte sie in den Rah-
men. Und dann zog er sie hoch in die
Nähe der grünen und roten Scheiben.
Bon oben sahen sie wie drohende oder
lockende Augen in die Weite. Ob diese
Augen „Ja" oder „Nein" sagten, das
wollte der Mann wissen, der draußen
auf seiner sausenden Maschine schon,
von weither nach seinem Zeichen aus-
lugte. Siebzehn Jahre hatte er nun
schon die Strecke. Tiefe Freude zog
immer in ihn ein, wenn er daran
dachte, daß in seinem Bezirk noch kein Eisen-
bahnunglück passiert war. Mit einem scharfen
Blick sah er nach beiden Seiten die Geleise
ab. Es war alles in Ordnimg.
Erging die achtzig Meter über die Schienen-
schwellen und die klappernden Schlackensteine
wieder zurück nach seinem Häuschen. Und setzte
sich auf die Bank. Die Streckenglocke schlug
an. Zwei harte Töne in Terzen. Immer die-
selben. Kurz hintereinander. Ein kaltes Gehirn
hatte die Musik koniponiert. Kein Ton durfte
schwingen. Es war eine Zahl aus einer Dienst-
instruktion. Markmann wußte, jetzt war in der
sieben Kilometer entfernten Station der Per-
sonenzug abgelassen worden. In acht Minuten
mußten die Barrieren geschlossen sein; in zehn
Minuten würde der Zug durchsausen. Voin
Dorf und von den Villen herüber klang Musik.
Man tanzte drüben. Die hohen Töne der Geigen
legten in den schaukelnden Rhythmus etwas
Klagendes. Durch dieTanzmusikhindurch hörte
Markmann drinnen in der Bude den Tele-
graphendraht ticken. Das Bndensenster stand
weit offen. Er horchte den Ticker von draußen
Bild der Freiheit.
Siehst du den Skrom, den Bergeshöhn entquollen.
Die dunklen Wogen majestätisch rollen?
Es steht bei dir, ob er auf seinem Pfad
Dir Segen bringend, ob verderbend naht.
Grab ihm ein Bett, so wird er deine Auen
Erquicken und zur Fruchtbarkeit betauen;
Doch stemmst du dich entgegen seinem Lauf,
So geht dein Acker samt der Frucht darauf, tz-bb-i
ab. Es war eine dienstliche Depesche, die durch
den Apparat lief. Sie war an die nächste Sta-
tion gerichtet.
Bald darauf stand er ans, lehnte seine Pfeife
in eine Fensterecke und ging zu den Barrieren
hinüber. De» Schienen, die für jeden anderen
stumm und tot waren, hörte er es ab, daß
jetzt der Zug nahte. Das Signal stand richtig
auf „Freie Fahrt". Dann griff er in die Kur-
beln und drehte beide Barrieren herunter.
Seine Frau kam gerade. Sie setzte den Korb
mit dem Abendbrot auf den Fußsteig und
lehnte die Arme auf die Barriere. Er sah nicht
erst nach ihr hin, sondern ging nach der Bude,
holte den Knüppel mit der zusammengerollten
Flagge hinter der Tür hervor und nahm die
vorgeschriebene Dienststellung ein. Das dumpfe
Rollen wurde zum Drohnen, dann zu einem
die Lust erschütternden Krachen. Alles, was
zwischen und nahe bei den Schienen lag und
nicht Holz oder Eisen war, führte einen wir-
belnden Tanz auf. Markmanns gestraffter
Körper bekam einen leisen Zug nach vorn, als
würde er von der vorübersausenden Masse
angezogen; und ein paar Sekunden
später sahen seine prüfenden Augen nur
noch die enteilenden rote» Schlußlam-
pen des Zuges. Dann ging er hinüber
und kurbelte die Barrieren hoch.
Bald saß seine Frau mit ihm auf der
Bank. Zwischen beiden hatte sie ein
kleines Tuch ausgebreitet. Darauf lag
sein Abendbrot. Ein paar mächtige
Brotschnitten und ein kleines Töpfchen
mit gesalzenem Rettig; daneben stand
eine große Flasche mit schwarzem Kaffee.
Während er aß. schüttelte sie ihm die
halblange Pfeife aus, stopfte sie aufs
neue und hielt sie so lange in der Hand,
bis er fertig wäre und nach ihr greifen
würde. „Die sin ja heute lustig," sagte sie.
„Was is'n los?" fragte er kauend.
„Na, du wesst doch, — ich Hab' mir
doch angeboten, in der Küche zu helfen.
Aufwaschen un so. Bei Direktors is
große Gesellschaft; der Goldner is da.
Der Dichter, der, wo immer in der
Zeitung steht."
„Da missen se ja ooch lustig sein."
„Das missen se woll."
Dann kam eine Pause. Sie kramte
in ihrer Tasche. „Die Zeitung Hab' ich
ooch mitgebracht. Ich tu se dir rein-
legen."
Sie stand auf, strich sich die Schürze
glatt, packte das Tuch und die Flasche
in den Korb und hakte sich ihn in den
Arm. „Ich muß rüber zu Direktors.
Adjüs ooch. Ich bin am Ende noch
nich zu Haus, ivenn du koinmen tust.
Ich weeß ja nich, wie lange das da
dauern werd —"
•so Der Hammer, ca?
Karl Bröger.
Amboß waren wir lange genug, Gewalt schlug mit harten Schlägen zu Wir schmieden die Zukunft mit eigener Kand,
darauf die Gewalt unser Schicksal schlug, und ließ uns nimmer Rast noch Ruh. >vir schmieden das neue Vaterland,
Die Funken sprühten in buntem Spiel. Wir trugen schweigend die schwere Last. Die Amboß-Zeit ist für immer vorbei.
Run ist es genug! Nun ist es zuviel. Jetzt haben wirselbstden Kammer gefaßt. Wirschwingen den Kammer getrost und frei.
.o-
Völkersturm.
Ein Brause» und Sausen i» Ost und West,
Ein Brausen von Süden und Norden.
Zum leuchtenden Auferstehungsfest
Sind plötzlich die Tage geworden.
Die Wipfel rausche» vom Sturmeswehn,
Die Täler dröhnen vom jungen Föhn —'
In .Höhen und Tiefen der Erden
Will's Frühling werden!
Die Knechtschaft sinket und Tyrannei,
And Krieg und Haß und Verderben,
And Sklavenvölker, sie werden frei.
And Ketten brechen in Scherben.
O du neue, du ringende, gärende Zeit,
Wie Licht und Purpur, so ist dein Kleid,
Aus Herzen quillt es, aus heißen.
Dich jubelnd zu preisen.
Geschritten sind wir durch Mord und Brand,
Durch Blut und Wunden und Tränen,
Nun aber hebt sich ei» neues Land,
Nun wird Erfüllung dein Sehnen.
O Volk, und ob auch dein Herz noch zagt.
Ein Frühling kommt und ein Morgen
tagt.
Wo Recht und Freiheit in Flammen
Dir schlagen zusammen! E. Klaar.
Noch sind die Wasser zu tief!
von«.r,.
Markmann stand vor seinem Wärter-
häuschen. Aus der kurzen Tabakspfeife
stieg geringelter Rauch in die Luft. In
den Telegraphendrähten summte der
Wind seine schwingende Melodie. Die
beiden Bahngeleise lagen trotzig und
plump quer vor dem Häuschen und
zogen zu den beiden Seiten in die Weite.
Das Blau des Himmels wurde lief.
Markmann ging üz die Bude und steckte
die Laternen an. Vom Leuchten seiner
Laternen hing der Schlag von Hun-
derten von Herzen ab. Er wußte das
und trug die Lampen hinaus. Eine
hing er an jeder Seite des Bahndam-
mes auf, da, wo nahe beim Häuschen
die Dorfstraße über die Geleise lief.
Die anderen trug er zu den- Signal-
masten und klemmte sie in den Rah-
men. Und dann zog er sie hoch in die
Nähe der grünen und roten Scheiben.
Bon oben sahen sie wie drohende oder
lockende Augen in die Weite. Ob diese
Augen „Ja" oder „Nein" sagten, das
wollte der Mann wissen, der draußen
auf seiner sausenden Maschine schon,
von weither nach seinem Zeichen aus-
lugte. Siebzehn Jahre hatte er nun
schon die Strecke. Tiefe Freude zog
immer in ihn ein, wenn er daran
dachte, daß in seinem Bezirk noch kein Eisen-
bahnunglück passiert war. Mit einem scharfen
Blick sah er nach beiden Seiten die Geleise
ab. Es war alles in Ordnimg.
Erging die achtzig Meter über die Schienen-
schwellen und die klappernden Schlackensteine
wieder zurück nach seinem Häuschen. Und setzte
sich auf die Bank. Die Streckenglocke schlug
an. Zwei harte Töne in Terzen. Immer die-
selben. Kurz hintereinander. Ein kaltes Gehirn
hatte die Musik koniponiert. Kein Ton durfte
schwingen. Es war eine Zahl aus einer Dienst-
instruktion. Markmann wußte, jetzt war in der
sieben Kilometer entfernten Station der Per-
sonenzug abgelassen worden. In acht Minuten
mußten die Barrieren geschlossen sein; in zehn
Minuten würde der Zug durchsausen. Voin
Dorf und von den Villen herüber klang Musik.
Man tanzte drüben. Die hohen Töne der Geigen
legten in den schaukelnden Rhythmus etwas
Klagendes. Durch dieTanzmusikhindurch hörte
Markmann drinnen in der Bude den Tele-
graphendraht ticken. Das Bndensenster stand
weit offen. Er horchte den Ticker von draußen
Bild der Freiheit.
Siehst du den Skrom, den Bergeshöhn entquollen.
Die dunklen Wogen majestätisch rollen?
Es steht bei dir, ob er auf seinem Pfad
Dir Segen bringend, ob verderbend naht.
Grab ihm ein Bett, so wird er deine Auen
Erquicken und zur Fruchtbarkeit betauen;
Doch stemmst du dich entgegen seinem Lauf,
So geht dein Acker samt der Frucht darauf, tz-bb-i
ab. Es war eine dienstliche Depesche, die durch
den Apparat lief. Sie war an die nächste Sta-
tion gerichtet.
Bald darauf stand er ans, lehnte seine Pfeife
in eine Fensterecke und ging zu den Barrieren
hinüber. De» Schienen, die für jeden anderen
stumm und tot waren, hörte er es ab, daß
jetzt der Zug nahte. Das Signal stand richtig
auf „Freie Fahrt". Dann griff er in die Kur-
beln und drehte beide Barrieren herunter.
Seine Frau kam gerade. Sie setzte den Korb
mit dem Abendbrot auf den Fußsteig und
lehnte die Arme auf die Barriere. Er sah nicht
erst nach ihr hin, sondern ging nach der Bude,
holte den Knüppel mit der zusammengerollten
Flagge hinter der Tür hervor und nahm die
vorgeschriebene Dienststellung ein. Das dumpfe
Rollen wurde zum Drohnen, dann zu einem
die Lust erschütternden Krachen. Alles, was
zwischen und nahe bei den Schienen lag und
nicht Holz oder Eisen war, führte einen wir-
belnden Tanz auf. Markmanns gestraffter
Körper bekam einen leisen Zug nach vorn, als
würde er von der vorübersausenden Masse
angezogen; und ein paar Sekunden
später sahen seine prüfenden Augen nur
noch die enteilenden rote» Schlußlam-
pen des Zuges. Dann ging er hinüber
und kurbelte die Barrieren hoch.
Bald saß seine Frau mit ihm auf der
Bank. Zwischen beiden hatte sie ein
kleines Tuch ausgebreitet. Darauf lag
sein Abendbrot. Ein paar mächtige
Brotschnitten und ein kleines Töpfchen
mit gesalzenem Rettig; daneben stand
eine große Flasche mit schwarzem Kaffee.
Während er aß. schüttelte sie ihm die
halblange Pfeife aus, stopfte sie aufs
neue und hielt sie so lange in der Hand,
bis er fertig wäre und nach ihr greifen
würde. „Die sin ja heute lustig," sagte sie.
„Was is'n los?" fragte er kauend.
„Na, du wesst doch, — ich Hab' mir
doch angeboten, in der Küche zu helfen.
Aufwaschen un so. Bei Direktors is
große Gesellschaft; der Goldner is da.
Der Dichter, der, wo immer in der
Zeitung steht."
„Da missen se ja ooch lustig sein."
„Das missen se woll."
Dann kam eine Pause. Sie kramte
in ihrer Tasche. „Die Zeitung Hab' ich
ooch mitgebracht. Ich tu se dir rein-
legen."
Sie stand auf, strich sich die Schürze
glatt, packte das Tuch und die Flasche
in den Korb und hakte sich ihn in den
Arm. „Ich muß rüber zu Direktors.
Adjüs ooch. Ich bin am Ende noch
nich zu Haus, ivenn du koinmen tust.
Ich weeß ja nich, wie lange das da
dauern werd —"