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. 9666

Gar manche Hoffnung ging zuschanden
Und mancher schöne Traum zerfloß:
Schon löste sich der erste Apfel
Von der Enkenke stolzem Roß;

Im holden Balkanlande streiken
Der große und der Kleine Klaus,
Hellene, Serb und Albanese
Katzbalgen sich um jede Laus.

•sd Die Sieger, c

Brikanniens Proletarier streiken,
Das böse Irland wird mobil,

Wodurch manch Herze in die Hosen,
Manch Werkpapier im Kurse fiel;
Selbst drüben fängt es an zu kriseln
Und keineswegs nach Wunsche geht's
Im Reich der unbegrenzten Großmuk,
In Jonathans United Stakes.

" Armin'ms.

Kurzum, manch Traum ist jäh zerronnen,
Manch fester Hoffnungsstab zerbrach,
Hing auch der Himmel voller Geigen,
Stets kommt das dicke Ende nach;

Es gibt kein wahres Glück hienieden
Und jedes Auge sieht es klar:

Selbst in dem Trank des reinsten Sieges
Schwimmt obenauf ein borstig Haar.

Der schlimmste Feind.

wer ist der schlimmste Feind zur Stund
Für Deutschland auf dem Erdenrund?

Der uns am meisten schaden kann?

Der uns vernichten kann? Sag' an!

-Ist's Frankreichs Ehauvinistenschar?

Ist es Lloyd George, Italien gar?

Nein nein, Wie schlimm sie's auch gemeint, —
wir haben einen schlimmren Feind.

Er lauert bös, voll Lug und Trug;
verderben sprüht sein Ktemzug.
lvehe dem Land, wo er gedieh,

Der grinime Drache - Anarchie!

Sein Fuß zertritt die junge Saat.

Nein Leben bleibt, wo er genaht.

Vas Merk der fleiß'gen Hände liegt
In Trümmern, wo das Untier siegt.

Volk, tot’ ihn! Laß ihm keine Uuh'!

Dein eigner Sankt Georg sei du!

Schütz' du vor seines Gifthauchs Brand
Dein Vaterland - dein Uinderland!

—- P-«.

DasZkemxel des Zoldatenkats.

Skizze von Ferdinand Madlinger.

„Der Spieß hat einen Volltreffer
gekriegt."

So meldete eine berittene Pa>
trouille. Die Nachricht durchflog wie
ein Lauffeuer das Waldlager der
Schwadron. Man kann nicht sagen,
die Mannschaft hätte sich sonderlich
gegrämt; sie war bald getröstet über
den unersetzlichen Verlust.

„Da hat's einmal den richtigen
erwischt." Die Gemüter der Leute
waren verhärtet durch den vierjäh-
rigen Anblick abscheulichen Metzelns,
wilden Verwüstcns. „Der hat's ver-
dient." Das war ihr Schlußurteil
über den Wachtmeister, der ihnen
den ohnehin sauren Dienst nach
Kräften erschwert hatte.

Zwei Mann mit Tragbahre wur-
den ausgesandt zur Bergung der
Leiche. Es war ein schöner frischer
Morgen, einer der ersten Tage deL
November 1918.

Sie fanden die Leiche am Straßen-
rand in einer breiten Lache dunkel-
roten Blutes, Gesicht und Uniform
besudelt und beschmiert; in der
Strnßenrinue war das Blut ein
Stückchen abivärts geronnen.

„Nanu!" machte der eine Soldat und fuhr
zurück. „Det Aas schnauft ja noch."

In der Tat, der Wachtmeister fühlte sich
noch warm an und röchelte. Und schließlich
mußte man feststellen, daß es gar kein Blut
war, in dem die Gestalt sich wälzte, sondern
Rotwein, guter, echter, dicker französischer
Rotwein, vermischt mit allerlei kleingekauten
Speiseresten.

„Das Schwein ist besoffen."

„Na ja, wie gewöhnlich. Er hatte gestern
wieder eine schwere Sitzung beim Lazarett-
inspeltor drüben."

Ter Scheintote wurde in fein Blockhaus
verbracht, wo er den ganzen Tag wie ein
Sack schlief, nicht ohne weitere Ladungen
feines Mageninhalts an den Tag zu schütten.

Am andern Morgen war er wieder einiger-
maßen munter. Er kam in den Stall, wüst
und übelriechend, mit glasigen Augen, aber

inimerhin dienstfähig. Er schritt die Stallgasse
ab. „Sandritter,rief er mit lauter Kam-
mandostimme.

Der Gerufene, ein Mann von 36 Jahren,
etwas leibarm und schmalfchultrig, mit einer
Brille auf der Nase, kam mit Striegel und
Kardätsche in der Hand im Laufschritt herbei
und baute sich in strammer Haltung vor dem
Gewaltigen auf.

„Lassen S' sich mal von mein' Putzer mein,
Klamotten geben zum Rein'jen. Und denn
machen Se ooch noch mein Quartier sauber,"

Saudritter war erst kurz bei der Kolonne.
Man hatte ihn Ende Oktober zum Heercs-
ersatz „Wotan" eingezogen, jener letzten Fracht
lebenden Menschenfleisches, die das Kriegs-
miuisterium dem Moloch des Krieges in den
gefräßige» Schlund warf.

Die „Wotan"-Leute waren zum Teil solche,
die bei den Generalkommandos irr den schwar-
zen Listen standen als „Hetzer", „Auf-
wiegler", „Rädelsführer". Sand-
ritter war dem Spieß schon dieser-
halb höchst verdächtig, des ferneren
aber wegen seines Berufs als Ma-
schinensetzer. Er traute als alter Ken-
uer den Angehörigen der Schwar-
zen Kunst in puncto Gesinnung nicht
viel Gutes zu. Bon Sandritter wußte
er sogar, daß dieser Mensch sich unter-
stand, heimlich Notizen zu machen
über Vorkommnisse in der Schwa-
dron. Das genügte für den Spieß,
um ihm ganz besondere Aufmerk-
samkeit zu schenken, und deshalb
wählte er ihn zu dem wenig ehren-
vollen Geschäft aus, die Spuren der
letzten Sausnacht von feiner Uniform
zu entfernen.

Sandritter biß auf die Zähne, als
er sich anschickte, dem Befehl nach-
zukommen. Er war diese auszeich-
nende Behandlung gewöhnt. Es gab
kein wildes Pferd in derSchwadron,
das er nicht reiten, dem er beim
Beschlagen nicht die Hufe uufheben
mußte. Es bestand keine Möglichkeit,
sich gegen die offensichtlich übelwol-
lenden AnordnuugeudesGewaltigen
aufzulehnen. Zweifellos hatte es
dieser darauf abgesehen, den miß-
liebigen „Wotan"-Mann mit dem
geheimen Notizbuch um die Ecke zu
bringen oder zu einer Gehorsams-
verweigerung zu reizen. Wenige
Tage späterkameine Ordonnanzvom

Requiescat in pace.


„Gewalt ist kein L>eilmittel."
 
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