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9827

Ursache und Wirkung

„Jesses, wie der Mann wieder um sich schlägt, ich glaube gar, der träumt
noch, er ist in der Versammlung der II. S. P."

iioüelfpäne eT

Wer hat den Krieg verschuldet? —Die Erfüllung
Der Neugier, dies zu wissen, macht mich wild
Denn jede neue, wichtige „Enthüllung"
Verschiebt in meinem armen Kopf das Bild.

Erst dacht'ich: Mister Grey war der Verräter
Am Weltenfrieden, er durchstach den Deich.
Dann schien es: Rußland war der Missetäter.
Und neuerdings weist man auf Österreich.

So wandelte mein Urteil ich seit Jahren.
Nur eine Säule ragt massiv empor:

Daß unsre Diplomaten Psuscher waren.

Die Überzeugung Hab' ich nach wie vor!

*

Die Prügel, die im italienischen Abgeordnetenhaus fielen, haben
ihr Ziel verfehlt: sie hätten samt und sonders dem Friedensstörer
d'AnnuNzio gehört. *

In Kurland gibt's 'ne harte Kur;

Wir spür'n sie noch auf unsrer Flur.

Dort sammelt ohn' Gewissen
Das Militär sich Stein auf Stein
Und schmeißt damit die Fenster ein,

Die — tvir bezahlen müssen.

*

Trotz des kalten Wetters gedeihen immer noch die Schmarotzer-
pflanzen. ^

„Wat machen nun die zweihundert Jenerüle, wo Noske abjesetzt
hat?" fragte mein Jüngster. „Wat die machen? 'ne ,Jenera!-Bersamm-
lnng' werden se machen," belehrte ick ihn.

Dein getreuer Säge, Schreiner.

Glossen

Heute toben die preußischen Landwirte ge-
gen die Peitsche des Arbeilsvertragzwanges;
aber das Zuckerbrot der Reichsdruschprämie
haben sie sich geduldig ins Maul stecken lassen!

*

Fromme Steuerschwindler macht nur der
Steuereid kirre: der wird ihnen zwar nicht
heilig genug, aber doch zu gefährlich Vorkommen.
■k

Wo sich Alldeutsche versammeln, schwärmt
nachher ihre Presse von der „Fülle der klugen
Gesichter". Damit kann aber nur die in
den Hosen versteckte gemeint sein; weiter
oben ist blitzwenig los!



Der heilige Bureaukratius veruntreut so
leicht keine Stahlfeder, aber Schiebergeschäste
macht auch er neuerdings!

k

Ludendorffs Buch kostet in Kalbleder vier-
hundert Mark, und die richtige Liebhaber-
ausgabe kostet noch mehr: die ist in Menschen-
leder gebunden! ^

Auch die Förderung der Kohle aus den
Hamsterkellern muß gesteigert werden.

k

Ein goldbeladener Esel springt über jeden
Zaun, sagt ein Sprichwort. Heute weiß man:
papiergeldbeladene Kriegsesel springen noch
höher! Nur über dem Stenereidzaun wird sich
mancher von ihnen ein Bein brechen.
k

Die Kommunisten sollten zufrieden sein: die
Welt wird ja schon nach dem Rätesystem re-
giert, nämlich vom Obersten Rat der Entente!

Mit der Religion in China wird die En-
tente nicht lange mehr spassen können: die
fronimen Chinesen, die sich einst den Bud-
dhismus aus Indien holten, holen sich heute
den Bolschewismus aus Rußland.

Jln die heimgekehrten

die Freiheit kam! verstummt sind öie Gewalten,
Oie euch so gern mit breitem Redefluß
den dank öes Klassenstaates vorgehalten,
den man erst kennen unö dann schätzen muß.

Nun wird die Welt sich wieder für euch lichten.
Kein banges starren trübt euch mehr den Blick.
Zu neuen Rechten unö zu neuen Pflichten
Rust euch öer Willkommgruß öer Republik! t

Lieber Jacob!

Bon unverständliche Seite wird et unsere
Rejieruug zum Vorwurf jemacht, det se in
ihr Handwerk noch »ich recht Bescheid weeß,
un det et mit ihre Maßrejelungen nich dalli
jenug vorwärts jetzt. Det hat ooch seine Be-
rechtijung, aber man derf da nich bei ver-
sessen, det det Rejieren 'ne schwierije Sache
is un jelernt sein will. Bei Wilhelm'n jing
allens fixer, det is keene Frage nich. So auch
1914. Uff de Anfrage von 'n eesterreichischen
Jesandten, ob denn nu Deitschland eejenllich
det kriejerische Tanzverjniejen mitmache» wolle
oder nich, antwortete Wilhelm, er kenne sich
zu so'n schwerwiejenden Euschluß nich be-
kennen, bevor det er nich mit seine Minister
jesprochen jehabt hätte. Det war vor detFrieh-
stick! Nach det Friehstick aber erklärte er mit
kiehnen Mut in uffjekrahte Stimmung un
schlagfertije Bejeisterung: „Mit eich jehn wir

durch dick un dünn! Haut man los, wir
hauen mit!" Un fertig war der Weltkrieg, un
de jroße Zeit konnte unjehiudert ieber de
Meuschheet rinbrechen.

Aus dieses ieberzeijende Beispiel entnimmt
der denkende Zeitjenosse de Belehrung, det et
bei Enschlisse von pollitesche Tragweite vor
allem ufs'u jutes Friehstick ankomuien tut. Mit
leeren Magen is de menschliche Seele mies
for't Janze, un se kann sich zu keene entschei-
denden Maßrejelungen nich uffraffen. Haste
aber erst mal Deine drei bis vier Biessticke in
Leibe, von den alkoholischen Beijuß janz zu
schweijen, denn schwinden alle kleinlichen Be-
denken, un de staatsmännliche Schenialität er-
jreift von Dir Besitz. De janze staunenswerte
Fixigkeet, mit die frieher bei uns rejiert ivurde
un die manche bei de heitije Rejierung
schmerzlich vermissen, erklärt sich unjezwun-
genermaßen aus det enerjische un jewissen-
haste Friehsticken, det dunnemals in de heheren
Sphären ieblich war. Un da liegt ooch der
Haken! Wie willste heite dem Mut zu schnelle
un tollkiehne Enschlisse fassen, wenn de Dir
mit 'ne Marmcladenstulle un Pellkartoffeln
de Plauze anfillst un Deinem Jeist heechstens
mit 'ne Pulle Kriegsbier beflicjeln kannst?
Liefere unsere maßjebenden Jnstanzenweje een
eenzijes richtijes Potsdamer Friehstick aus de
wilhelminesche Ara, un ick jarantiere Dir un-
weijerlich, det in zwee Stunden sämtliche
Land- und Jeheimräte zum Deibel jejagt, sämt-
liche Betriebe verstaatlicht un Frieden mit
Sowjetrußland jeschlossen is!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

RedatttonSIchlub s. Oktober ISIS
 
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