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Aus den höchsten Kreisen
Wenn die Bolschewisten zur Herrschaft gelangen sollten, ist es Pflicht,
auch auf dem Schafott eine gute Figur zu machen. Einer unserer
hohen Aristokraten übt sich darin, indem er jeden Tag sich probe-
weise einmal köpfen läßt.
Herr Stendel lebt im Ausland wohl?
Im Paradies? An einem Pol?
O nein. Er ist von dieser Welt,
Vom Preußenparlament und gellt:
„Die Preise sind zu niedrig!"
Helfferich vertreibt seine Prozeßreden als Flugblätter. Der Reklame-
chef hat sich verschrieben; er meint „Fluchblätter".
Clemenceau will nicht müßig bleiben:
Er will jetzt Memoiren schreiben.
Wenn ehrlich ihm dabei zumut.
Schreibt er mit Essig, Galle und Blut.
*
Das früher „goldene" Kalb besteht jetzt aus Papier. Um so eher
wird es sich in seine Bestandteile auflösen.
*
„MichFappern die Zähne bei die Kälte," klagte ineine Alte neulich.
„Wat macht man da bloß?" „Höchst einfach," belehrte ick ihr. „Nimm
se raus! ®eiit getreuer Säge, Schreiner.
m fcobelfpäne
Herr Stendel sprach das große Wort
Und schuf der Dreistigkeit Rekord,
Und seine Deutsche Volkspartei
Sang jubelnd mit die Litanei:
„Die Preise sind zu niedrig!"
: sein Gram? Woher sein Grimm!
Herr Stendel ist vom Stamme Nimm.
Wie ;ever Held von Ar und Halm,
Singt er Agrariers Lieblingspsalm:
„Die Preise sind zu niedrig!"
Wie's trefft
Zwischen den Deutschnationalen, dem Herrn
LöbPomeranz und einerKinogesellschaft schwe-
ben Verhandlungen: der erste deutschnationale
Pogrom in Berlin soll gefilmt werden! Wächst
er sich zu erfolgreicher Gegenrevolution aus,
so wird Pomeranz KriegsministSr . . . geht's
schief, wird dem Staatsanwalt der Vertrag
vorgelegt, daß es sich um ein Kinostück handle.
Lieber Jacob!
Frieher hieß bet Sprichwort: „Dem Ver-
dienste seine Krone!", aber in de oogenblick-
liche preißesche Republik muß et Heeßen: „Der
Krone ihr Verdienst!" Janze hundert Millio-
nen will det dankbare Vaterland seinen ver-
dufteten Willem blechen, als Belohnung da-
sor, det er uns in det Schlamassel jebracht
un sich denn mit polnischen Abschied dinne
jemacht hat. Wenn jede Pleite sich so jut ren-
tieren un jeder Deserteer mit sonne freijebije
Prämije ausjestattet wirde, denn jäbe et ville
jlickliche Seelen in Deitschland!
Inzwischen aber is dieses leider nich der
Fall, un ick kann woll ohne tendenzjeese Jber-
treibung sagen, det wir uns in eene lausig
belemmerte Situazjon befinden tun. Icke we-
nigstens janz bestimmt. Seit vorigten Herbst
habe ick nischt Heizbares mehr in de Woh-
nung jekriegt, un wenn ick zu meinen Kohlen-
sritzen jehe, denn lächelt mir det Aas durch
seine Zahnlücke verschmitzt an un erklärt an
kalten Eides Statt, det er von de Kohlenstelle
nich beliefert werde. Wende ick mir aber dem-
entsprechend an de Kohlenstelle, denn erhalte
rck dem jotterjebenen Bescheid, ick mechte mir
jedulden. Det Jedulden is nu meine Haupt-
beschäftijung, denn Arbeet habe ick sonst wei-
ter keene nich, weil mein Betrieb wegen Kohlen-
mangel jeschlossen hat. So lerne ick denn zum
erstenmal in mein langjährijes Leben det Da-
sein eenes Rentiöhs kennen, allerdings man
bloß uff Jrund von de Erwcrbslosenunter-
stitzung, un ick friere dermahig, det ick oft
vor Hunger nich weeß, wo ick wat zu roochen
kriegen kan». „Ach, Eberten, det Lebe» is doch
scheen!" mechte ick mit zeitjemäßigte Vorbesse-
rung des beriehmten Dichterwortes ausrusen.
Wenn ick monarchistisch jesonnen wäre, denn
kennte ick mir de Langeweile wenigstens mit
Schießen vertreiben. Eisner, Liebknecht^Rosa
un jetz Erzberjer — man muß et die Mille-
taristen lassen, det se een sicheres Zielbewußt- .
sein haben. Wer se pollitisch oder finanziell
unbequem is, dem wissen se ohne diplomatesche
Umschweife zu erledijen. lln een jutes Jewiffen
haben se immer, dafor sorgt de „Deilsche Zei-
tung" un de „Post" nn der fromme „Rcichs-
bote", die jedem Meichelmord mit de tief*
emfundene Quittung bestätijen: „In vater- ,
ländische Jesinnung jut abjekommen!" Dies-
mal, bei Erzberjern, jab et aber noch eene
janz besondere Anerkennung, denn da hieß
et: „Jn't Zentrum jetroffen!" Un wenn schließ-
lich det Kriegsjericht injreift, denn is der
jlickliche Einzel-oder Massenmerder sojar sicher,
det ihn keene irdeschen llnbequemlichkeeten nich -
zustoßen kennen, un er kann seinen Lebens-
abend als nazjonalistischer Märtyrer ohne
Martirijum verjubeln.
Wonnt ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
kln unsere geehrten Leser
3n der letzten Zeit mußten wir den Verkaufspreis des wahren Jacob auf 30 Pfennig erhöhen. Den höheren
Papierpreis und erneute bedeutende Aufschläge auf Materialien und Gehälter hat der Mehrertrag nicht
zu decken vermocht, so daß wir eine weitere Erhöhung von der nächsten Nummer (877) ab vornehmen müssen,
und zwar von 30 Pfennig auf 40 Pfennig. + wir dürfen das vertrauen zu unseren Nbonnenten haben, daß sie
diese Preiserhöhung einsichtig auffassen und uns in dieser schweren Zeit die Treue halten, wenn wir auch gern
bereit sind, ohne eigentlichen Nutzen zu arbeiten, so können wir dagegen keine Defizite decken.
* Der Verlag des wahren Jacob ❖
Aus den höchsten Kreisen
Wenn die Bolschewisten zur Herrschaft gelangen sollten, ist es Pflicht,
auch auf dem Schafott eine gute Figur zu machen. Einer unserer
hohen Aristokraten übt sich darin, indem er jeden Tag sich probe-
weise einmal köpfen läßt.
Herr Stendel lebt im Ausland wohl?
Im Paradies? An einem Pol?
O nein. Er ist von dieser Welt,
Vom Preußenparlament und gellt:
„Die Preise sind zu niedrig!"
Helfferich vertreibt seine Prozeßreden als Flugblätter. Der Reklame-
chef hat sich verschrieben; er meint „Fluchblätter".
Clemenceau will nicht müßig bleiben:
Er will jetzt Memoiren schreiben.
Wenn ehrlich ihm dabei zumut.
Schreibt er mit Essig, Galle und Blut.
*
Das früher „goldene" Kalb besteht jetzt aus Papier. Um so eher
wird es sich in seine Bestandteile auflösen.
*
„MichFappern die Zähne bei die Kälte," klagte ineine Alte neulich.
„Wat macht man da bloß?" „Höchst einfach," belehrte ick ihr. „Nimm
se raus! ®eiit getreuer Säge, Schreiner.
m fcobelfpäne
Herr Stendel sprach das große Wort
Und schuf der Dreistigkeit Rekord,
Und seine Deutsche Volkspartei
Sang jubelnd mit die Litanei:
„Die Preise sind zu niedrig!"
: sein Gram? Woher sein Grimm!
Herr Stendel ist vom Stamme Nimm.
Wie ;ever Held von Ar und Halm,
Singt er Agrariers Lieblingspsalm:
„Die Preise sind zu niedrig!"
Wie's trefft
Zwischen den Deutschnationalen, dem Herrn
LöbPomeranz und einerKinogesellschaft schwe-
ben Verhandlungen: der erste deutschnationale
Pogrom in Berlin soll gefilmt werden! Wächst
er sich zu erfolgreicher Gegenrevolution aus,
so wird Pomeranz KriegsministSr . . . geht's
schief, wird dem Staatsanwalt der Vertrag
vorgelegt, daß es sich um ein Kinostück handle.
Lieber Jacob!
Frieher hieß bet Sprichwort: „Dem Ver-
dienste seine Krone!", aber in de oogenblick-
liche preißesche Republik muß et Heeßen: „Der
Krone ihr Verdienst!" Janze hundert Millio-
nen will det dankbare Vaterland seinen ver-
dufteten Willem blechen, als Belohnung da-
sor, det er uns in det Schlamassel jebracht
un sich denn mit polnischen Abschied dinne
jemacht hat. Wenn jede Pleite sich so jut ren-
tieren un jeder Deserteer mit sonne freijebije
Prämije ausjestattet wirde, denn jäbe et ville
jlickliche Seelen in Deitschland!
Inzwischen aber is dieses leider nich der
Fall, un ick kann woll ohne tendenzjeese Jber-
treibung sagen, det wir uns in eene lausig
belemmerte Situazjon befinden tun. Icke we-
nigstens janz bestimmt. Seit vorigten Herbst
habe ick nischt Heizbares mehr in de Woh-
nung jekriegt, un wenn ick zu meinen Kohlen-
sritzen jehe, denn lächelt mir det Aas durch
seine Zahnlücke verschmitzt an un erklärt an
kalten Eides Statt, det er von de Kohlenstelle
nich beliefert werde. Wende ick mir aber dem-
entsprechend an de Kohlenstelle, denn erhalte
rck dem jotterjebenen Bescheid, ick mechte mir
jedulden. Det Jedulden is nu meine Haupt-
beschäftijung, denn Arbeet habe ick sonst wei-
ter keene nich, weil mein Betrieb wegen Kohlen-
mangel jeschlossen hat. So lerne ick denn zum
erstenmal in mein langjährijes Leben det Da-
sein eenes Rentiöhs kennen, allerdings man
bloß uff Jrund von de Erwcrbslosenunter-
stitzung, un ick friere dermahig, det ick oft
vor Hunger nich weeß, wo ick wat zu roochen
kriegen kan». „Ach, Eberten, det Lebe» is doch
scheen!" mechte ick mit zeitjemäßigte Vorbesse-
rung des beriehmten Dichterwortes ausrusen.
Wenn ick monarchistisch jesonnen wäre, denn
kennte ick mir de Langeweile wenigstens mit
Schießen vertreiben. Eisner, Liebknecht^Rosa
un jetz Erzberjer — man muß et die Mille-
taristen lassen, det se een sicheres Zielbewußt- .
sein haben. Wer se pollitisch oder finanziell
unbequem is, dem wissen se ohne diplomatesche
Umschweife zu erledijen. lln een jutes Jewiffen
haben se immer, dafor sorgt de „Deilsche Zei-
tung" un de „Post" nn der fromme „Rcichs-
bote", die jedem Meichelmord mit de tief*
emfundene Quittung bestätijen: „In vater- ,
ländische Jesinnung jut abjekommen!" Dies-
mal, bei Erzberjern, jab et aber noch eene
janz besondere Anerkennung, denn da hieß
et: „Jn't Zentrum jetroffen!" Un wenn schließ-
lich det Kriegsjericht injreift, denn is der
jlickliche Einzel-oder Massenmerder sojar sicher,
det ihn keene irdeschen llnbequemlichkeeten nich -
zustoßen kennen, un er kann seinen Lebens-
abend als nazjonalistischer Märtyrer ohne
Martirijum verjubeln.
Wonnt ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
kln unsere geehrten Leser
3n der letzten Zeit mußten wir den Verkaufspreis des wahren Jacob auf 30 Pfennig erhöhen. Den höheren
Papierpreis und erneute bedeutende Aufschläge auf Materialien und Gehälter hat der Mehrertrag nicht
zu decken vermocht, so daß wir eine weitere Erhöhung von der nächsten Nummer (877) ab vornehmen müssen,
und zwar von 30 Pfennig auf 40 Pfennig. + wir dürfen das vertrauen zu unseren Nbonnenten haben, daß sie
diese Preiserhöhung einsichtig auffassen und uns in dieser schweren Zeit die Treue halten, wenn wir auch gern
bereit sind, ohne eigentlichen Nutzen zu arbeiten, so können wir dagegen keine Defizite decken.
* Der Verlag des wahren Jacob ❖