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9946

Die letzten weihen Flöckchen
Zerschmelzen auf der Flur;
Die ersten Blütenglöckchen
Erwecken die Natur.

Die linden Lüfte wehen,

Als sei das Wunder da:

Als gäb's ein Auferstehen
Nach einem Golgatha ...

* Ostern ♦

Christ ward ans Kreuz geschlagen,
Den Schächern eingereiht —--
Wir haben's auch getragen
Und schleppen es noch heul.

Er leerte nach der Sage
Der Leiden tiefen Born
Und ward am dritten Tage
Zur Herrlichkeit erkorn.

Die uralte Legende
Berblaßte und verblich.

Der Pfaffen schnelle Hände
Benützten sie für sich.

Es klingt durch das Geläute
Der Glocken Stolz und Spott:
„Wer sich nicht selbst befreite,
Dem half noch nie ein Gott!"

Es hilft kein Händefallen,
Strebt man dem Ostern zu.
Es gilt, die Treue halten
Und werken ohne Ruh.

Wie auch die Schergen spähen,

Was auch an Leid geschah, —

Dann kommt ein Auferstehen
Nach dunklem Golgatha. P. E.

Fauler Osterzauber

Der Vsterhase läßt dich frühlingsfroh
In tiefer Brust die süße Hoffnung hegen,

Lr werde ohne Zweifel irgendwo
Zum grünen Fest dir ein paar Tier legen.

Va bleib nur Kühl im Kopf und sei gescheit,
ver Dsterglaubo ist ein böser Schwindel,

Venn Lampe ist Kein Kind der neuen Zeit,

Er hält er mit dem Bourgeoisgesindel.

Dem armen Schlucker, der noch nichts besitzt,
Wird auch der braune Langohr wenig geben,
Beschenkt wird nur, wer nicht im Göpel schwitzt,
So ist einmal der üble Brauch im Leben.

ver Hase gleicht darin dem MeihnachtsKind,
Vas ebenso parteiisch ist beim Schenken:

Sie pflegen Menschen, die schon glücklich sind,
Mit ihrer Gunst am reichsten zu bedenken.

Ferdinand Madlinger

Verschiedene Betrachtung

Zm Bierdorf läuft die Kinderschar
Im Äolzschuh stramm spazieren;

Der Grund: Das Leder ist zu rar.

Auch mangelt Fett zum Schmieren.

Den Voltswirlschafter, der es sieht,
Umdüstert eine Wolke:

Seht, wie die Kriegszeit nach sich zieht
Verarmung bei dem Volke!

Der Äerr Ästhet zieht ein Gesicht
Und denkt: Verrückter Schote,

Dem es an Wertgefühl gebricht
Für hollandeske Rotel

So läßt gar oft das gleiche Ding
Den einen baß verdrießen.

Dem andern, der das Glückslos fing.
Beschert es froh Genießen.

Warum versagte das Geschick
Just ernsteren Gesellen
Die werte Gabe, stets den Blick
Aufs Schöne einzustellen?

_m_ N. K.

Zeitgemäße Variante

Himmelhoch jauchzend,

Zum Tode betrübt;

Glücklich allein

Ist die Seele, die schiebt!

Der Tunnel

Ein Berg des' Hasses lag zwischen zwei
Völkern, vom Kriege noch her. — Er war
oben militärisch besetzt, und die Versöhnung
konnte nicht über ihn weg. Da sagten auf
beiden Seiten die Bergleute: „Wir wollen
einen Tunnel hindurchführen! Wir wissen,
daß unsere Arbeitsbrüder da drüben prole-
tarisch denken, und da wird's auch zur Ver-
söhnung kommen."

So trieben sie beiderseits in den Berg einen
Stollen und reichten einander nach langer,
mühseliger Arbeit im vollendeten Tunnel die
Hände zur Völkerversöhnung.

Oben aber auf dem Berge stand Frankreich,
das Deutschland zu hassen gelehrt war, und
ahnte nicht, was da unter ihm vor sich ging!

T

Schonend beigebracht

Der alte Kanzleidiener des Ministeriums
soll in den wohlverdienten Ruhestand versetzt
werden. Man weiß, wie sehr der alte Weiß-
kopf an seinem Amtchen hängt, und daher
erhält ein Regierungsrat den peinlichen Auf-
trag, dem Unglücklichen die bevorstehende Ver-
abschiedung schonend beizubringen. Der Re-
gierungsrat läßt den Ahnungslosen kommen,
bietet ihm eine Zigarre und einen Stuhl an
und plaudert mit ihm eine Weile über das
Wetter. Dann entläßt er ihn, und an der Tür
flüstert er ihm geheimnisvoll ins Ohr: „Übri-
gens, was ich sagen wollte, demnächst wird
einer von uns beiden pensioniert; ich bin's
nicht!" b

Von der Republik

So manchem mißfällt sie, unsere junge Re-
publik. Ein frisch ausgeschlüpfter Vogel ivar
freilich nie ein Ausbund von Schönheit, eben-
sowenig wie ein neugeborener Mensch. Da
muß man mit den Augen der Liebe sehen.

*

Mit der Republik an sich vertrüge sich
mancher schon ganz gut, wenn sie nur nicht
so verdammt sozial wäre.

*

Die Royalisten schimpfen über mangelnde
Beamtenmoral im neuen Reich. Mit Unrecht:
die republikanischen Staatsdiener sind aus-

nahmslos ebensolche reinen Engel, wie die
monarchischen es ausnahmslos waren.

4

Verächtlich die Geselle«, die ihre neugewon
neue Freiheit nicht zu ertragen vermögen, ver-
ächtlicher jedoch jene, die sie nicht zu schätzen
wissen. *

Die Monarchie ist der Krieg, der „frisch-
fröhliche"; die Republik ist der Frieds.

k

Wem es für die Empfindung feudal-mili-
taristischer Knechtschaft an Organ gebrach,
dem fehlt es jetzt auch für die Freiheit.

k

Das Kaiserreich konnte manchem nur des-
halb so ehrwürdig dünken, weil Vertuschung
und Skandalvermeiden seine zwei Grundpfeiler
waren. *

„Der Mißbrauch angeborener Gewalt drückt
weniger schmerzhaft als der Mißbrauch emp-
fangener," schreibt Schiller. Das kommt daher,
weil der deutsche Spießer von einem gesalbten
Monarchen leichter einen Fußtritt erträgt als
von seinesgleichen einen Nasenstüber.

k

Sonderbar! Wo inan eine Monarchie er-
blickt, hat sie an den Landesgrenzen immer
gleich „Erbfeinde" und hüllt sich in das Ge-
wand der Christlichkeit, während Republiken
meist im Verdacht des Atheismus stehen. —
Sonderbar, höchst sonderbar!

k

Ich glanb's, die republikanische Devise „Ar-
beiten" schmeckt weniger angenehm als die
monarchische „Herrschen".

k

Der Freistaat kann sich kein so glänzendes
Auftreten leisten wie das Kaiserreich. Dafür
präsentiert er dein Volk auch keine solchen
Wechsel, wie wir sie jetzt einlösen müssen.

k

Kaum ist unsere Republik im Rohbau fertig,
da verlangen die Nörgler auch schon, daß sie
besser sein soll als alle bisher bekannten Re-
publiken. ^

übrigens: eine Wurst ist immer gut, wenn
das Füllsel gut ist. Die Staatsform ist nur
die Pelle, der Wurstteig sind die Menschen.

Pankraz Biltermanl
 
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