Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
* 9947

llp ewig gedeelt

Wir ernten die „Gerinanisations"-Erfolge derglorreichen kaiserlichen Regierung

NodeWAne LT

Es sitzt die dicke Henne Entente
In diesen Ostertagen
Ans ungezählten Eiern fest
Und tut sich mühn und plagen.

Das Russen-Ei, das Balkan-Ei,

Die sind gar hart und zähe —

Die Henne brütet sie nicht aus,

Wie sehr sie sich auch blähe.

Das kleinasiatische Ei wird faul;

Die Sache wird gar triste.

Mißmutig kräht der gallische Hahn
Auf diplomatischem Miste.

*

Nur unseren Agrariern hat die Kälte nichts anhaben können: sie
sind »ach wie vor „unverfroren".

*

Lieb Seelchen, laß das Fragen sein':

Was wird der Frühling bringen?

Enthüllungen und Rederein, —

Prozesse vor allen Dingen.

Es wird im Namen der Kultur
Uns die Entente plagen.

Viel Steuern erblühn auf deutscher Flur —

Lieb Seelchen, laß das Fragen!

*

Zum Fest kaufte meine Alte eine Torte. „So 'ne Gemeinheit," sagte
sie beim Probieren. „Det sollte Punschtorte sind, aber von Punsch ist
nichts mang." „Det macht nichts," tröstete ick ihr. „Beim Hundekuchen
is ja auch kein Hund mang." Dein getreuer Säge, Schreiner

Baltisches

Au» liest öu fast in allen Nummern
der Zeitung von den Baltikumern,
die selbstbewußt und rabiat
vollbringen manche tzelöentat.

Beschwerden folgen auf Beschwerden.

Was soll, so fragt man, daraus werden 7
die Republik übt Toleranz,
siurra I Heil dir im Siegerkranz.

Db Noske nichts zu Ohren kam 7. . .
der fährt empor aus seinem Gram,
der knirscht noch nachts aus seinem Schlummer:
O, mein verfluchter Balti-Kummer! p-.

Ritter Kuno

Eine moderne Ballade

Das war der Ritter Kuno
Im frommen Pommcrland,

Der haute sein Gesinde
Mit höchstselbsteigner Land;

Das Kindlein in der Wiegen,

Der Greis im Silberhaar,

Knecht, Kutscher, Magd und Meiertn
Vor ihm nicht sicher war.

Da kam der rote Umsturz —

O Tag der Schand und Schmach! —

Der alle Ritterknuten
Mit jähem Ruck zerbrach:

„Darf ich euch nicht mehr wamsen,"

Rief Kuno bebend aus,

„So jag' ich euch verdammtes Pack
Noch heut von Los und Laus!"

Er sprach's und griff zur Zeitung,

Da ward sein Antlitz blaß.

Er las mit irrem Lächeln
Den Noskeschen Erlaß:

„Soll hau'n ich nicht noch künd'gen
Auf meiner Väter Burg,

Ist mir die ganze Landwirtschaft
Verekelt durch und durch!"

Der Ritter Kuno wankte
Zum hohen Ahnensaal,

Schwang durch die Luft die Knute
Zu>n allerletztenmal.

Dann sandt' ein Vaterunser

Zum Limmel er hinauf

And hing sich mit der Peitschenschnur

Tim Spiegelhaken auf. Armin!»«

Lieber Jacob!

Entschuldije, wenn ick mir erst ’it Oogenblick
verpuste, aber ick bin noch jan; erschittert. Denn
ebent habe ick uff eenen kleenen Fetzen von de
„Deitsche Zeitung", ivo meine for diese Woche
fällijeMarjarine-Razjoninjepackt jewesen war,
eene zu frauliche Sache jelesen. Et is de wahr-
heetsjetreie Jeschichte von een amerikanesches
Kind, um det sich keene Menschenseele nich je-
kimmert jehabt hatte un det in eenen Hiehner-
stall uffjewachsen war. Uff Jrund dieser Kinder-
stube hatte sich det Kind in een menschlichet
Huhn verwandelt. Et gackerte un kratzte im
Mist. Sojar det Jesichte war ihm janz spitz
znjewachsen un hatte beinahe 'n Schnabel je-
kriegt. An dieses wahrheetsliebende Ereignis
knipst de „Deilsche Zeitung" eene tiefempfun-
dene Betrachtung ieber Amerika im alljemeenen
un de demokrateschen Staatseiurichtungen im
besonderen un fragt det deitsche Volk, ob et
ivoll Lust haben kenne, ebentfalls in sonne be-
klagenswerten Zustände rinzuschliddern, wo sich
keener nich um de Kinder kimMern tut un sich
de Rotzneesen schließlich in Hiehnerschnäbel
verwandeln missen.

Ick muß zujeben, daß diese Warnung sehr
zutreffend is, objleich ick mir eenije Bedenken
»ich verkneifen kann. Wat zunächst de kind-
liche Verwandlung in Hiehner anbelangt, so

jloobe ick, det manche Berliner Familjenmutter
janischt jejen hätte, wenn ihre Jöhren jelejent-
lich anfingen, Eier zu lejen, un det jejenwär-
tije Osterfest dadurch eene Weihe jeden wirden,
die sich heitzutage man bloß noch de ajrare-
schen Abonnenten der „Deitschen Zeitung"
leisten kennen, indem det se for uns Stadt-
bewohner leider unerschwinglich jeworden is.

Ferner aber frage ick mir, ob denn det frieher
so ville anderst jewesen is. Det sich eener unter
det alte Reschime in'n Huhn verwandelt je-
habt hat, is mir allerdings unbewußt. Aber
Brehms Tierleben hat ville Bände, un et jibt
ooch Hornvieh. Diesel aber war jerade in de
rejierenden Kreise des verflossenen Junker-
staats sehr stark vertreten jewesen, un de dies-
beziegliche Verwandlung hat damals ooch in
de Kinderstube stattjefunden. Denn ick jloobe,:
det inancher Spreßling aus'n feidalet Haus
als janz jesunder Junge zur Welt jekommen
ivar un erst durch de mangelhafte Erziehung,
die er zu Hause un später in sein Studenten-
korps un bei sein Jarderejiment jenossen hatte,
in jenen zoolojischen Zustand versetzt worden
is, der ihm for de Bekleidung der heechsten
Reichs- un Staatsämter jeeignet erscheinen
ließ. Un ooch heitzutage halte ick et nich for
ausjeschlossen, det sonne Verwandlung in Kreise
stattfinden kann, die mit det demokratesche Prin-
zip nich de jeringste Beriehrung haben. Ick
selber zum Beispiel bin Jott sei Dank ziemlich
widerstandskräftig, aber ick firchte, wenn ick
vier Wochen in de Redaxion von de „Deitsche
Zeitung" beschäftigt wäre, denn wirden meine
Ohren eene derartije Länge annehmen, det ick
mir ehrlicher- un uffrichtijerweise nich mehr
unter de Menschen, sondern unter eene Tier-
jattung rechnen mißte, die näher zu bezeichnen
mir meine anjeborene Heeflichkeet verbieten tut.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

RrdakUonLschluß 5!. März 1920
 
Annotationen