10089
Das deutsche Danaidenfaß
„Herr Finanzober, ick dichte Ihnen das Faß allein schon mit den Gewinnen
aus den Sprit-, Leder-, Kartoffel-, Mehl- und Znckcrschiebercien!"
liobelfpäne r<s
Man wollte in Neukölln — v Pein!
Nach August Bebel nennen
Die schöne „Kaiser-Friedrich-Straß'".
Das gab ein Flehn und Flennen.
Die „Demokraten" schrien auf
Und rangen ihre Hände.
Sie hielten aufrecht gar zu gern
Die Monarchie-Legende.
So fuget den freiwilligen
gum unfreiwill'gen Spaße
Und nennt den ollen Mühlendamm
Jetzt — Demokratenstraße I
Wir leben im Schlaraffenland.
Das ist nur wenigen bekannt.
Und doch ist es vorhanden:
Bewundernd schaut der Wandersmann
Fleischberge in den Fenstern an
Und leckre Wurstgirlanden.
Agrarierland — Schlaraffenland —
Der Durchschnittsstädter steht gebannt
Und ist bor Wonne trunken;
Dann schleicht er heimwärts, wutentbrannt:
Es ist halt das Schlaraffenland
Für Schieber und Halunken!
Für unser 100000-Mann-Heer werden im Etat 45000 Pferde gefordert. Nur ein
Noß kann glauben, daß es da mit rechten Dingen zugeht.
„Von roten Ketten macht euch frei
Allein die Deutsche Volkspartci!"
Kennt ihr noch die Plakate?
Sie war'n so schön. Wie schade.
Daß anders es gekommen.
Als sie es sich gedacht.
Sie haben länger das Gesicht
Und auch den Spruch gemacht:
„Von roten Ketten macht euch frei!
Allein die Deutsche Volkspartei
Laßt dabei hübsch beiseite.
Die volksparteiliche Pleite."
*
„Wozu ist die geplante Einheitszeitung nur gut?" fragte meine Aujuste wißbegierig.
„Zum Einhelzen," erklärte ick.
Dein getreuer Säge, Schreiner
Zeitglossen
Der Kapitalismus ist wie eine todwunde Bestie. Sie
fühlt ihr Ende, doch im Sterben noch schlägt sie ihre
Pranken um sich und verletzt ihre Bedränger.
k
Einen Feind erschlagen, mag bittere Notwendig-
keit sein, aber einen Bruder erschlagen, das ist unter
allen Umständen ein Verbrechen. Und wir Proletarier
sollten doch alle Brüder sein!
•k
Renegaten sind die schlimmsten Hasser. Sie möchte»
mit ihren blutrünstigen Taten die Vorwürfe zum
Schweigen bringen, die ihnen das Gewissen ob ihrer
Abtrünnigkeit macht. Siehe Millerand!
k
Es ist leichter, anderen eine Revolution zu emp-
fehlen, als selbst eine zu machen, sonst müßten die
französischen und polnischen Bluthunde längst an die
Kette gelegt sein. ^
Die Reaktion lauert und kauert in allen Schlupf-
winkeln. Leuchten wir mit der Fackel des Geistes hinein
und brennen wir das Ungeziefer aus! Kl.
k
In Berlin erscheint eine Wochenschrift, die sich „Die
Wahrheit" nennt; warum, wird öfter gerichtlich fest-
zustellen versucht. *
Der Bolschewismus ist dem „wahren" Christentum
sehr ähnlich, denn das ist auch mit Feuer und Schwert
verkündet worden. ^
Am schönsten Tage des Weltkrieges — am 9. No-
vember 1918 — ist leider vergessen worden, die Wun-
den, die uns der Krieg geschlagen hat, mit dem rich-
tigen Antiseptikum gegen die Fäulnisbakterien des
kaiserlichen Deutschlands zu behandeln. — Das muß
aber noch nachgeholt werden, leider wird es nun
schmerzhafter. ^
Die Deutsche Volkspartei hat von der am 9. No-
vember 1918 selig entschlafenen nationalmiserablen
Partei die schöne große Drehscheibe geerbt. — Da darf
sich niemand mehr wundern, daß bei ihr manchmal so
etwas wie Schwindel vorkommt.
Deutschvölkisches Programm
Wir sind Germane»! Wir sind Luden-
dorffs tapfre Hakenkreuzlerschar.
Wir prügelten noch keinen Jude»,
der nicht schon totgeprügelt war.
In Hamburg haben wir den Heine
noch nie beschmiert und nie betast.
Wir sind geduldet! Wir sind Schweine-
eisbeingcnietzcr stets gewest.
Wir ehren Einstein, Hirschfeld, Cisner
und folgen ihres Wiffcns Spur.
Wir sind so brav wie eine Meißner
schwarzweißrotfarbne Rippfigur.
Wir sind Teutonen — fette Ochsen-
schwanzsuppe nährt den Arierbauch.
Wir schreien: „Feste druff!" und boxe»
nur geistig, ohne Gummischlauch.
Wir sind treudeutsche Patrioten
mit blauem Aug' und blondem Hanpt.
Wir sind Cherusker — Idioten-
hast ist nur der, der das nicht glaubt.
Das franko-englische Gegrunze
verstummt im Deutschen Reich nur dann,
wenn unfern» „Heda"-Knüppel-Kunze
folgt jeder echte deutsche Mann! Kali
Lieber Jacob I
Ick habe mir immer jewundert, wieso een Mann von
die imposanten Talente des deitfchen Unterernährungs-
Ministers Hermes in so» 'n Amt rinkommen konnte. Jetz
is aber durch de neisten Enthillungen de Sache klar,
jestellt, un ick wundere mir ieber janifcht mehr. Also
det Zentrum hatte jewinscht, det bei de Kartoffelbewirt-
schaftung »ich bloß uff de richtijen Razjonen un bei de
Brotmischung uff de richtijen Ersatzstoffe jeachtet wer-
den sollte, sondern det ooch inimer der richtije Jloobc
sollte bei sind. Un um diesen tief emfnndenen Jbelstand
zu entsprechen, haben se dunnemals Hermessen iu't
Ministerium berufen. Der Mail» jloobte all allens,
wat ihm vor de Flinte kam, er schwänzte keene Messe
»ich, un wenn ihn mal unverhofft eene Sindhastigkeet
widerfuhr, denn erleichterte er sein Iewissen sofort uff
dem kirchlich vorjeschriebenen Weje des Beichtstuhl-
janges. An irdische Iieter hing er sein Hei^e »ich, un
et kam ihni uich druff an, zweehundertachtzigdausend
Mark amtliche Ielder for een Auto auszujcben, mit det
er immer rechtzeitig zu't heilste Abendmahl intreffen
konnte. Ooch wenn bei 'n Ankoof von ausländische
Lebensinittel mal 'n paar Milliarden mehr verpulvert
wurden, als wie neetig war, oder wenn eener von seine
Beamte in de Zerstreitheit wat in de Westentasche ver-
schwinden ließ, denn jrämte ihn det weiter »ich, weil
er an den Ilooben fcsthielt, det der irdische Mammon
keen Volk »ich selig machen kenne. Im iebrijen aber
war er um det Heil des Vaterlandes janz barbarisch
besorgt, un er scheite in diese Hinsicht vor keene Opfer
un Entbehruilgen »ich zurick. So ließ er zum Beispiel
de jeschonkenen amerikanischen Milchkiehe partuh »ich
ieber de Jrenze, damit det deitsche Volk sich »ich schon
in't zarte Seiglingsaltcr durch zu ville Milchtrinken det
Laster der Bellerci anjewchnen sollte. Kurz un jut, wat
soll ick Dir sagen: Der Mann iebertraf de heechsten
Zentrumserwartuugen un entpuppte sich als een drei-
fach jeflebter, richtig jehender Heiliger, un ick wirde
mir »ich weiter wundern, wenn der Papst ihm in diese
Eijenschaft cffentlich anerkennen wirde. Denn mit so
wat is heitzudage nich zu spaßen, verstehstc, det kommt
sojar hier in Berlin vor! Dem vor zwanzig Jahren
verstorbenen Pfarrer Müller haben se, wie de „Ier-
mania" mitteilt, ebent erst wieder ausjcjraben, um
festzustellen, ob er det richtije Iardemaß for 'n katho-
lischen Heilijen hat. Un wenn allens stimmt, denn wird
der Papst det entsprechende Avancement an de Leiche
vornehmen. Se soll iebrigens, wie de sachverstündije
thcolojische Untersuchungskommission jerochen hat,
eenen janz wunderbaren Duft ausstreemen, wovon bei
Lebzeiten des selijen Müller kcener wat an ihm wahr-
jenommen jehabt hatte. Un det beruhigt mir. Denn
wenn et in Hermessen seine Amtsverwaltung heutzu-
dage ooch noch'» bisken sehr stänkerig riechen tut, deiln
is doch de sichere Hoffnung vorhanden, det nach feine
jlicklich erfolgte Heiligsprechung sich allens ejal in
Roseneel un Hpazinthcnzwiebeln ufflcesen wird!
Womit ick verbleibe mit ville Irieße Dein jetreier
Iotthilf Rauke,
an 'n Iörlitzer Bahnhof, jleich links.
Ncdaküansschtuß 8. November 1020
Das deutsche Danaidenfaß
„Herr Finanzober, ick dichte Ihnen das Faß allein schon mit den Gewinnen
aus den Sprit-, Leder-, Kartoffel-, Mehl- und Znckcrschiebercien!"
liobelfpäne r<s
Man wollte in Neukölln — v Pein!
Nach August Bebel nennen
Die schöne „Kaiser-Friedrich-Straß'".
Das gab ein Flehn und Flennen.
Die „Demokraten" schrien auf
Und rangen ihre Hände.
Sie hielten aufrecht gar zu gern
Die Monarchie-Legende.
So fuget den freiwilligen
gum unfreiwill'gen Spaße
Und nennt den ollen Mühlendamm
Jetzt — Demokratenstraße I
Wir leben im Schlaraffenland.
Das ist nur wenigen bekannt.
Und doch ist es vorhanden:
Bewundernd schaut der Wandersmann
Fleischberge in den Fenstern an
Und leckre Wurstgirlanden.
Agrarierland — Schlaraffenland —
Der Durchschnittsstädter steht gebannt
Und ist bor Wonne trunken;
Dann schleicht er heimwärts, wutentbrannt:
Es ist halt das Schlaraffenland
Für Schieber und Halunken!
Für unser 100000-Mann-Heer werden im Etat 45000 Pferde gefordert. Nur ein
Noß kann glauben, daß es da mit rechten Dingen zugeht.
„Von roten Ketten macht euch frei
Allein die Deutsche Volkspartci!"
Kennt ihr noch die Plakate?
Sie war'n so schön. Wie schade.
Daß anders es gekommen.
Als sie es sich gedacht.
Sie haben länger das Gesicht
Und auch den Spruch gemacht:
„Von roten Ketten macht euch frei!
Allein die Deutsche Volkspartei
Laßt dabei hübsch beiseite.
Die volksparteiliche Pleite."
*
„Wozu ist die geplante Einheitszeitung nur gut?" fragte meine Aujuste wißbegierig.
„Zum Einhelzen," erklärte ick.
Dein getreuer Säge, Schreiner
Zeitglossen
Der Kapitalismus ist wie eine todwunde Bestie. Sie
fühlt ihr Ende, doch im Sterben noch schlägt sie ihre
Pranken um sich und verletzt ihre Bedränger.
k
Einen Feind erschlagen, mag bittere Notwendig-
keit sein, aber einen Bruder erschlagen, das ist unter
allen Umständen ein Verbrechen. Und wir Proletarier
sollten doch alle Brüder sein!
•k
Renegaten sind die schlimmsten Hasser. Sie möchte»
mit ihren blutrünstigen Taten die Vorwürfe zum
Schweigen bringen, die ihnen das Gewissen ob ihrer
Abtrünnigkeit macht. Siehe Millerand!
k
Es ist leichter, anderen eine Revolution zu emp-
fehlen, als selbst eine zu machen, sonst müßten die
französischen und polnischen Bluthunde längst an die
Kette gelegt sein. ^
Die Reaktion lauert und kauert in allen Schlupf-
winkeln. Leuchten wir mit der Fackel des Geistes hinein
und brennen wir das Ungeziefer aus! Kl.
k
In Berlin erscheint eine Wochenschrift, die sich „Die
Wahrheit" nennt; warum, wird öfter gerichtlich fest-
zustellen versucht. *
Der Bolschewismus ist dem „wahren" Christentum
sehr ähnlich, denn das ist auch mit Feuer und Schwert
verkündet worden. ^
Am schönsten Tage des Weltkrieges — am 9. No-
vember 1918 — ist leider vergessen worden, die Wun-
den, die uns der Krieg geschlagen hat, mit dem rich-
tigen Antiseptikum gegen die Fäulnisbakterien des
kaiserlichen Deutschlands zu behandeln. — Das muß
aber noch nachgeholt werden, leider wird es nun
schmerzhafter. ^
Die Deutsche Volkspartei hat von der am 9. No-
vember 1918 selig entschlafenen nationalmiserablen
Partei die schöne große Drehscheibe geerbt. — Da darf
sich niemand mehr wundern, daß bei ihr manchmal so
etwas wie Schwindel vorkommt.
Deutschvölkisches Programm
Wir sind Germane»! Wir sind Luden-
dorffs tapfre Hakenkreuzlerschar.
Wir prügelten noch keinen Jude»,
der nicht schon totgeprügelt war.
In Hamburg haben wir den Heine
noch nie beschmiert und nie betast.
Wir sind geduldet! Wir sind Schweine-
eisbeingcnietzcr stets gewest.
Wir ehren Einstein, Hirschfeld, Cisner
und folgen ihres Wiffcns Spur.
Wir sind so brav wie eine Meißner
schwarzweißrotfarbne Rippfigur.
Wir sind Teutonen — fette Ochsen-
schwanzsuppe nährt den Arierbauch.
Wir schreien: „Feste druff!" und boxe»
nur geistig, ohne Gummischlauch.
Wir sind treudeutsche Patrioten
mit blauem Aug' und blondem Hanpt.
Wir sind Cherusker — Idioten-
hast ist nur der, der das nicht glaubt.
Das franko-englische Gegrunze
verstummt im Deutschen Reich nur dann,
wenn unfern» „Heda"-Knüppel-Kunze
folgt jeder echte deutsche Mann! Kali
Lieber Jacob I
Ick habe mir immer jewundert, wieso een Mann von
die imposanten Talente des deitfchen Unterernährungs-
Ministers Hermes in so» 'n Amt rinkommen konnte. Jetz
is aber durch de neisten Enthillungen de Sache klar,
jestellt, un ick wundere mir ieber janifcht mehr. Also
det Zentrum hatte jewinscht, det bei de Kartoffelbewirt-
schaftung »ich bloß uff de richtijen Razjonen un bei de
Brotmischung uff de richtijen Ersatzstoffe jeachtet wer-
den sollte, sondern det ooch inimer der richtije Jloobc
sollte bei sind. Un um diesen tief emfnndenen Jbelstand
zu entsprechen, haben se dunnemals Hermessen iu't
Ministerium berufen. Der Mail» jloobte all allens,
wat ihm vor de Flinte kam, er schwänzte keene Messe
»ich, un wenn ihn mal unverhofft eene Sindhastigkeet
widerfuhr, denn erleichterte er sein Iewissen sofort uff
dem kirchlich vorjeschriebenen Weje des Beichtstuhl-
janges. An irdische Iieter hing er sein Hei^e »ich, un
et kam ihni uich druff an, zweehundertachtzigdausend
Mark amtliche Ielder for een Auto auszujcben, mit det
er immer rechtzeitig zu't heilste Abendmahl intreffen
konnte. Ooch wenn bei 'n Ankoof von ausländische
Lebensinittel mal 'n paar Milliarden mehr verpulvert
wurden, als wie neetig war, oder wenn eener von seine
Beamte in de Zerstreitheit wat in de Westentasche ver-
schwinden ließ, denn jrämte ihn det weiter »ich, weil
er an den Ilooben fcsthielt, det der irdische Mammon
keen Volk »ich selig machen kenne. Im iebrijen aber
war er um det Heil des Vaterlandes janz barbarisch
besorgt, un er scheite in diese Hinsicht vor keene Opfer
un Entbehruilgen »ich zurick. So ließ er zum Beispiel
de jeschonkenen amerikanischen Milchkiehe partuh »ich
ieber de Jrenze, damit det deitsche Volk sich »ich schon
in't zarte Seiglingsaltcr durch zu ville Milchtrinken det
Laster der Bellerci anjewchnen sollte. Kurz un jut, wat
soll ick Dir sagen: Der Mann iebertraf de heechsten
Zentrumserwartuugen un entpuppte sich als een drei-
fach jeflebter, richtig jehender Heiliger, un ick wirde
mir »ich weiter wundern, wenn der Papst ihm in diese
Eijenschaft cffentlich anerkennen wirde. Denn mit so
wat is heitzudage nich zu spaßen, verstehstc, det kommt
sojar hier in Berlin vor! Dem vor zwanzig Jahren
verstorbenen Pfarrer Müller haben se, wie de „Ier-
mania" mitteilt, ebent erst wieder ausjcjraben, um
festzustellen, ob er det richtije Iardemaß for 'n katho-
lischen Heilijen hat. Un wenn allens stimmt, denn wird
der Papst det entsprechende Avancement an de Leiche
vornehmen. Se soll iebrigens, wie de sachverstündije
thcolojische Untersuchungskommission jerochen hat,
eenen janz wunderbaren Duft ausstreemen, wovon bei
Lebzeiten des selijen Müller kcener wat an ihm wahr-
jenommen jehabt hatte. Un det beruhigt mir. Denn
wenn et in Hermessen seine Amtsverwaltung heutzu-
dage ooch noch'» bisken sehr stänkerig riechen tut, deiln
is doch de sichere Hoffnung vorhanden, det nach feine
jlicklich erfolgte Heiligsprechung sich allens ejal in
Roseneel un Hpazinthcnzwiebeln ufflcesen wird!
Womit ick verbleibe mit ville Irieße Dein jetreier
Iotthilf Rauke,
an 'n Iörlitzer Bahnhof, jleich links.
Ncdaküansschtuß 8. November 1020