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^ ftobelfpäne ^

Herr Wilson fiel in die Versenkung.

Die große Klappe hat jetzt Ruh'

Und seinen schönen vierzehn Punkten
Fügt Harding jetzt den — Schlußpunkt zu.

Sonst ist es bei den lieben Pankees
Dieselbe Wirtschaft immerdar.

Und hinter schwedischen Gardinen
Sitzt Debs noch immer Jahr für Jahr.

Wer auch mit seinem Allerwert'sten
Den Präsidentensessel füllt, —

Regieren tut doch nur der Dollar
Und Mammons goldnes Götzenbild.

-X

Graf Westarp sagte, daß große Massen des Volkes noch nicht reif zur Monarchie
feien. Stimmt. Dafür war aber die Monarchie längst — fallreif.

*

Die Maulwürfe wühlen im Bayerland;

Sic munkeln eifrig im Dunkeln.

Daneben sieht man am Isarstrand
Die Frauken rollen und funkeln.

Es mästen sich mit französischem Geld
Die bayrischen Königsmacher.

Es schmunzeln in ihrer Unterwelt
Des Volkscechts Widersacher.

Einst nannte mau so was Hochverrat
Und drohte mit Kerkern und Richtern.

Heut' ist's — die Rettung für den Staat,

Heut' ist man nicht so schüchtern—



„Die mich wegen Steuerhinterziehung denunzieren," sagte Erzberger, „sind nur
Kapitalschieber, sonst könnten sie gar nicht wissen, wie die Sache angedreht wird."

k

Neulich nachts weckte mir meine Alte, weil ein Einbrecher im Nebenzimmer fei.
„Iotte doch, Hab' ick mir erschreckt," sagte ick. „Ick dachte schon, es sei der Steuer-
bote !" Und legte mir auf die andere Seite.

Dein getreuer Säge, Schreiner

ver deutsche Koölenberg auf dem marsfeld in Paris

„was mag der ungeheure Uohlenberg, der bald den Eiffelturm überragt,
zu bedeuten haben?"

„ver Serg ist das Resultat des Abkommens von Spaa, das unsere glor-
reiche Regierung abgeschloffen hat."

Das Nationallied

Der Minister des Auswärtigen, Herr Siinous, sprach
neulich im Reichstag fein Bedauern aus, daß dem
deutschen Volke ein zeitgemäßes Nationallied
noch immer fehle.

Auf ein von uns erlassenes Preisauschreiben sind
sofort mehrere Tausend Liedertexte eingelaufen. Da
der nötige Raum mangelt, müssen wir uns darauf be-
schränken, die Anfangszeilen der fünf von uns preis-
gekrönten Dichtungen nachstehend mitzuteilen.

1. „Moskau, Moskau über alles.

Über alles in der Welt,

Wenn es auch in Blut und Dalles
Rettungslos zusammenfällt I"

(Einsender:AdolfHoffmann,U.S.P. Links.)

2. „Freiheit, die wir meinen.

Gütige gauberfee,

Füll' mit Kassenscheinen
Unser Portemonnaie!"

(Linsender: Lehmann, Kartoffel en gros und
Gegner der Zwangswirtschaft.)

3. „Ich bin ein Koofmich, kennt ihr meine Farben?

Die Fahne schwebt mir weiß und schwarz voraus;
Als in dem Krieg des Volkes Beste starben,

Blieb klug und unabkömmlich ich zu Haus,

Und schützt' mit starken Händen
Der Börse Dividenden."

(Einsender: Helfferich, Exzellenz.)
t. „Gott erhalte uns die Preise
Für Kartoffeln, Brot und Schmalz,

Für den Sprit in gleicher Weise
Und für Butter ebenfalls!"

(Einsender: v. Gräfe-Goldeben, M.d.R.)

5. „Der Gold und Silber wachsen ließ,

Der wollte kein Papiergeld...."

(Linsender: Schlauberger, Ökonom und Privat-
sammler von Zwanzigmarkstücken.) 8

Glossen

Nachdem sich gezeigt hat, daß hohe Staatsbeamte es
nicht unter ihrer Würde finden, hohle Hände zu machen
zu einer Zeit, wo alle Kellner sich gegen das Unwürdige

des Trinkgeldnehmens wenden, wäre auch in den Kanz-
leistubeu die Anbringung des Plakates zu empfehlen:
Die Trinkgelder sind abgeschafft.

k

Daß auf dem deutschnationalen Parteitag die Ab-
schaffung des Alten Testaments gefordert wurde, konnte
den nicht überraschen, dem bekannt war, daßjden Herren
die zehn Gebote längst ein Dorn im Auge sind.

k

Ist es nicht ein Gipfelpunkt der Groteske, daß un-
serem Volk zugemutet wird, in der finstersten Dunkel-
kammer des Reiches, der oberbayerischen Domäne,
Deutschlands „Gesundungszelle" zu erblicken?

k

Der neuerwählte badische Erzbischof besteht auf der
Verleihung des Exzellenztitels, obwohl die Revolution
alle repräsentativen Titel abgeschafst hat. An der Kurie
ging die Revolution anscheinend ebenso spurlos vor-
über wie einst die Reformation. dl. X.

k

Ein großer Fehler der Juristen — überhaupt der
Rechtspflege — ist es, daß der Gerechtigkeit immer freier
Lauf gelassen wird. Die Dame mit den verbundenen
Augen geht dadurch stack in die Irre; ihr Zug nach
rechts kommt immer mehr zum Vorschein.

k

Es ist rührend, wenn man bei den korporierten
Studenten beobachtet, wie sie ihren Wissensdurst durch
große Zufuhr von Geist in flüssiger Form zu stillen ver-
suchen. Bei manchem deutet die Bierkurve des Bauches
an, daß dieser mehr Fassungsvermögen besitzt denn der
Kopf. Letzterer ist nur dazu da, die bunte Mütze zu
tragen und mit Bierschmisse» dekoriert zu werden. 6

Lieber Jacob!

Ick wollte Dir jerade fragen, ob Du mir nich bis
nächsten Sonnabend fünf Daler pumpen kenntest — da
lese ick noch rechtzeitig in de Zeitung, det nach de jloob-
wirdijeFeststellung der Iroßfinanz Berlin nich mehr
kreditfähig is. Daher unterlasse ick in de erste Bestirzung
meinen Darlehensversuch, indem det ick et nich verant-
worten mechte, Dir in unfern konnnunalen Wurschtkeffel
mit rinzuziehen. Denn et kann keen anderweitijer Zwei-
fel nich mehr obwalten, det wir eene jarantierte Pleite

entjejenschliddern. Ick sehe schon den Exekuter kommen
un janz Berlin ausfänden. De städtefchen Marchthallen
werden an meistbietende Kinobesitzer zwangsverkooft,
un de Markjrafen in de Siejesallee kriejen 'n blauet
Wappen uff'n Hintern jeklebt. Billeicht kann et am Ende
sojar dazu kommen, det die Kaiserbilder un Kaiserbüsteu
aus de Berliner Jemeindefchulen missen verauxioniert
weru. Aber ick jloobe, da wirde Haenisch woll mit seine
^ jewohnte Enerjie jejen inschreiten, denn diese Jenuß-
mittel jeheeren nachweislich zu de unabwendbare Not-
durft der republikanischen Jugenderziehung in Berlin
un derfen deswejen nich jefändt werden—verstehste.

Un weeßtc, wo det jauze Maleur Herkommen tut? Det
is man bloß, weil de Berliner sich uff leichtsinnijc Weife
detBertrauen des Kapitalismus verscherzt jehabt haben.
Se haben sich eene rote Kommunalverwaltung jewählt,
un det jeht natierlich nich. Denn eene Stadtverornten-
versammlung, wo keene jroßfinanziellen Schieber nich
mang sind, un een Majistrat, der keen Mitjefiehl for de
heiligsten Jieter der Börsenjobber nich besitzen tut—det
sind Erscheinungen, die in det republikanische soziali-
stische Deitschland uff keen kapitalkrästijes Entjejen-
kommen nich rechnen derfen. Un dazu kommt nu noch
det Unjlick, det Wilhelm ausjekniffen is, seine janze
Wirtschaft mitjenommen hat un det in de Eile verjesseue
Barjeld sich von't preißesche Finanzministerium nach
Holland hat uachschicken lassen. Uff diese Weise sind de
Stadt Berlin ville hundert Millionen durch de Lappen
jejangen, un de blauen un jrienen Lappen, die se sich
in Jestalt von Kassenscheinen jetz dafor drucken läßt,
kennen een börsenfähiges Iemiet uich jlicklich machen.

In Ermangelung aller dieser Umstände sind wir also
nich mehr in der Lage, for kreditfähig zu jelten, un ick
warne Dir hieniit, de Stadt Berlin wat zu pumpen, da
ick for nischt mehr uffkommen kann. Dajejen rate ick Dir,
wenn de selber mal in Dalles bist. Dir vertrauensvoll
an't preißesche Finanzministerium zu wenden. Det scheint
'ne knollije Menge Draht iebrig zu haben un bewilligt
allens mit Handkuß, nachdem der Keenigsberjec Pro-
feffer Fleischmann — Postkarte jeniegt — det histo
rischeIutachten erteilt hat, det bereits Willem feine Vor-
fahren ihren Zeitjeuoffen mit Erfolg det Fell ieber de
Ohren jezogen jehabt haben.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein jetreier
Iotthilf Rauke,
au 'u Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

Redakti onSschluß 22. November 1S20
 
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