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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0006
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10132

Hebe des Direktors Lchieberling

während des Berliner LotelstreikS

Geehrte Trauerversammlung! Liebe Mit-
hoteliers! Fürchterliches ist geschehen, Un-
glaubliches ist von den Schergen der Republik
verübt (Hört! Hört!): man mutet uns zu, daß
wir die gesetzlichen Vorschriften erfüllen (Pfui!),
die doch nur für die dummen Kerle gemacht
sind (Sehr richtig!) und nicht für so feine Brü-
der wie wir. (Bravo!) Meine Herren, Essen
und Trinken hält Leib und Seele zusammen,
aber das Geld hält es Gott sei Dank nicht
zusammen (Stürmische Heiterkeit) und wenn
das Geld in der Kasse klingt, das Brötchen, die
Torte und Schlagsahne auf den Teller springt.
(Allseitige Zustimmung.) Meine Herren, man
kann die Menschen in zwei Klassen einteilen: in
solche, die — gegen Bezahlung — Schlagsahne
kriegen, und solche, die — ohne Bezahlung —
Schläge kriegen. (Allgemeines Händeklatschen.)
Unsere Gäste aus dem In- und Ausland ge-
hören zur ersten Klasse. (Gott sei Dank!) Sollen
sie etwa den Rehrücken ohne Sahnentunke
essen und die Frucht-Tortelettes ohne Schlag-
sahne? (Unerhört! Frechheit!) Und warum?
Etwa, damit ein paar Sprößlingen der be-
gehrlichen Proletarierklasse nicht die Milch
entzogen wird? (Gelächter.) Die werden ja

doch alle Sozialdemokraten und stimmen dann
für Gesetze, die uns das Hemd vom Leibe
ziehen. Wir müssen uns zur Wehr setzen. Lei-
der hat der Hotelstreik bereits eine schmerz-
liche Wirkung gehabt: bei einer Hochzeitsfeier
im Luxushotel konnte kein Essen serviert wer-
den und die Ärmsten mußten sich das Essen
vom Traiteur kommen lassen. (Allgemeine
Rührung.) Der Ehemann wollte schon die
Ehe trennen, weil sie mit dem Essen so mies
anfing. (Man hört Schluchzen.) Meine Herren,
unter Wilhelm II. wäre so etwas unmöglich
gewesen. Seine Generale haben in Kriegs-
zeiten nach Herzenslust schlampampt, ohne
Fleischmarken. (Hurra!) Folgen wir auch in
anderen Dingen dem erhabenen Beispiel des
Hohenzollernhauses (die Versammlung erhebt
sich) und — schieben wir!!.(Stürmische Zu-
stimmung.) Das dumme Volk soll auch daran
denken, daß unsere Tätigkeit hochpolitisch ist:
wenn die Ententcherren gut bei uns speisen,
sind sie wohlgelaunt wie alle satten Leute,
und sie stellen uns bessere Bedingungen. (Sehr
richtig!) Ich schlage ein neues Vereinsstatut
vor:

§ 1. Die Gesetze können uns sonst was.

§ 2. Verordnungen der Behörden werden
auf, Rollen gezogen und im Watercloset ver-
wertet.

Z 3. Wer nicht den Nachweis erbringt, ein
tüchtiger Schieber zu sein, wird wegen Un-
fähigkeit aus dem Verband der Berliner Über-
hotels ausgeschlossen. (Stürmisches Bravo und
Händeklatschen. Redner wird aufgehoben und
unter allgemeinem Beifallsrülpsen zum bereit-
stehenden Festdiner getragen.) Aha

Völkerbund

Im Banne ihres Naturells
ttzört man die Kleinen kritteln:

Es sei der alte Lausepelz

Der,Völker gründlich durchzuschütteln.

Die von der anderen Fakultät
Schütteln die weisen Köpfe:

Wo bliebe da die Souveränität —

Der Zöpfe? 6ec-

Die Anzufriedenheit
Das Bürgerschastskollegium in Greifswald
verbot der Presse, Handlungen und Ent-
schließungen der Gemeindevertreter zu kriti-
sieren. Sehr richtig! Denn man schickt doch die
Weisesten aufs Rathaus. So sollte man überall
verfahren: Reichstag und Landtage verbieten
jede Kritik — und die Unzufriedenheit, die sich
nicht äußern kann, ist auch nicht da.

Liebe und Telephon

Deutsche Schweinewirtschaft

„Unter einer republi-
kanischen Verfassung lei-
det notwendig die Mo-
ral," hat mal ein^r ge-
sagt. Der irrte sich aber
gründlich. Ein Berliner
Telephonfräulein kriegte
neulich ein Kind. Das
soll inner- und außer-
halb der besten Familien
Vorkommen und hat seine
natürlichen Ursachen.
Aber es ist unmoralisch.
Warum? Das wissen die
Götter — nicht. Aber die
alten vertrockneten Bet-
schwestern und die rinds-
ledernen Bureaukraten-
seelen, die wissen es.
Und die republikanische
Postverwaltung weiß es
auch. Darum warf sie
die junge Mutter mit-
samt ihrem Kinde auf
die Straße, wo die höhere
Moralneben derMagen-
leere bekanntlich vorzüg-
lich gedeiht. Warf sie auf
die Straße und sagte, die
Beamtin habe sich der
Achtung, die ihr Beruf
erfordere, unwürdig ge-
zeigt. Warum? Darum:
Weil sie ihr Kind nicht
beizeiten umgebracht hat.
Wäre sie zu einer weisen
Frau gegangen, dann
hätte diese die besagte
Achtung mittels Abtrei-
bung gerettet. So aber
stand das Mädel dreist
zu seinem Kinde, und
das ist eine Gemeinheit.
Die anderen werden
sich's merken und nie
mehr lieben. Oder doch?
Dann bliebe nur die

damit Schieber und Konsorten ihr Schlemmer. während der größte Teil der Bevölkerung
leben führe» können, — sich nur satt sehen kann.

Für die Zucht von 14 Millionen Schweinen werden so Millionen Zentner Getreide
und 300 Millionen Zentner Kartoffeln verfüttert, —

Einführung des mecha-
nischen Fernsprechver-
bindungssystems übrig.
Das kriegt bestimmt
keine Kinder. Und die
empörtesten alten Dörr-
pflaumen könnten moral-
beseeligt durch denDraht
quasseln. tp.

Aus der Steinzeit

Im Böhmischen bei
Eger hat man einen
Scherben gefunden, der
eineindogermanischeJn-
schrift trägt und etwa
3000 Jahre v. Ehr. ent-
standen sein soll. Wie
man hört, wollen die di-
rekten Nachkommen der
Arier, die Deutschnatio-
nalen, als Erbberechtigte
den Fund für ihr Partei-
archiv reklamieren. Sie
hoffen, auf jenem Scher-
ben die Urschrift ihres
Parteiprogramms zu
finden. _ fl.

Die Umstände schei-
nen unsere widerstreben-
den Feinde doch allmäh-
lich zu zwingen, die all-
zu straff angezogenen Zü-
gel etwas zu lockern. Ein
Glück, daß in den Dingen
oft mehr Vernunft liegt,
als in den Menschen.



Mancher schlitzöhrige
Krautjunker mag sich für
einen trefflichenPolitiker
und bedeutendenStaats-
mann halten, weil er im
Steuerhinterziehen eine
Fertigkeit erlangt hat,
wie — Bismarck.
 
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