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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0022
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10148 •

❖ Zum 20. Februar *

Es geht der Geist von Potsdam um
And klopft an alle Fenster:

„Die Zeit ist da, o Publikum,

Erlöse die Gespenster!

Die gottverdammte Rebellion
Bekam uns höchst elendig.

Etwas erholten wir uns schon.

Nun mach uns ganz lebendige"

O Michel, Michel, wahr dich fein
Vorm Feuer, das dich schwelte.

Der mußte ja ein Lornochs sein.

Der die noch einmal wählte!

Zum Limmel stinkt der Volksbetrug
Der frechen Kriegsentzünder.

And noch ein Wort beschwört den Spuk:
Dreiklassenwahlrechtssünder!

Nimm deinen Zettel in die Faust,

Du weißt es schon: den roten.

And sei versichert, du durchhaust
Den preußisch-deutschen Knoten.

Den Knoten, der die Freiheit würgt.
Die Schlinge deiner Rechte;

Denn wer nicht für sich selber bürgt.
Wird wiederum zum Knechte!

Der Tag ist da. Nun nimm Partei Dann ist das Fundament geschweißt,

And sei ein guter Stimmer. Der Republik zum Segen.

Wenn du es willst, so bist du frei Dann muß sich wieder Potsdams Geist
Für heute und für immer. Still in die Grube legen. Pan

O

Zeitbild

Es geht was vor, es ist was los.

Man weiß nur nichts Genaues.

Es wackelt und sie knistern schon.

Die Fugen des deutschen Baues.

Man möchte gern und traut sich nicht.

Die Reaktionsgedanken,

Sie sprossen hier, sie ziehen dort
Die unheilschwangren Ranken.

Man spielt mit Feuer. Monarchie
Wünscht die feudale Bande,

Rach Moskau schielt der Kommunist,
Wünscht Anarchi'e im Lande.

And die Justiz, daß Gott erbarm.

Kann keine Richtschnur finden;

Nimmt Rücksicht hier, nimmt Rücksicht dort.
Nur nicht aufs Volksempfinden.

Es geht was vor, es ist was los-

Ihr Proletarierscharen,

Grad ihr, die Frieden stiften könnt',

Ihr liegt euch in den Laaren!

PR

Im Lichtkegel

Bilder der Zeit

Reißt eure Seelen auf, ihr
Vielzuwenigen, und empfanget
den furchtbaren Inhalt der Zeit.

Nehmt alles von euch, was nicht
Mensch ist: Tatschreie sollen euch
vereinen, ihr Brüder. Ewiges
sollt ihr ergreifen, mit Werk und
Sehnsucht erheben euch über Tri-
koloren des Hasses.

k

Lenzblütenwiese, die atmet und
jung ist, taucht aufvor den Augen
der Seele. Und vorüber geht,
weißgekleidet, ein blondes Mä-
del. Die ganze große Liebe der
Welt ist dieses Bild. Blttt? und
Knospe und Grün und Erde und
Sonne. Und Jungfräulichkeit.

Unberührte Heiligkeit. Wieviel
Millionen Menschen werden
glücklich, wenn sie Bilder sehen
wie dieses? Wegwärts geht das
junge Blütenkind, und der Wind
küßt Blondhaar und Körper,
wohlig und lind. Blumen nimmt
sie aus Lenzerde, und der Früh-
ling schmückt sich, die Welt auf-
reißend zur Glückseligkeit.

Warum freut euch das Bild
plötzlich nicht mehr?

Über die Blütenwiese schleicht
schwarze Begier. Sie wird vor-
übergehen, vor dem Frühling

Bürger, du alter Hemmschuh, sei so gut und
entrüste dich. Man will deine Töchter zwin-
gen, dem Feind willig zu sein. Behalte deine
Töchter im Hause, du lächerlicher Patriot,
damit sie ihre deutsche Frauenehre nicht ver-
lieren. Wo sind sie denn, deine Töchter?

Auf der Zeit gehen sie spazieren und bet-
teln um goldene Zwanzigfrankenstücke, das
sind hundert Mark, und mehr ist ihnen ihre
Ehre selbst nicht wert. Siehst du, deutscher
Bürger, wo du bist? Nein, du siehst es nicht,'
denn wenn die Franzosen nicht da wären,
dann würden deine Töchter — anständige
Mädchen sein, — ergo: Der Franzose ist schuld,
weil er bezahlt, was deine Töchter fordern,
weil sein Geld mehr wert ist, und manchmal
seine Ehre auch. ^

Noch eine Zeitung werfe ich vor euch hin!
Riesenauslage! „Deutsche" Gesinnung: Erste
Seite birgt einen hingehauenen Leitartikel.

Goethe kommt drin vor und
Ludendorff, Bolschewismus und
Vaterlandsliebe. Eine Tirade
über die Pflicht der Stunde.
Und am Ende Schiller: Nichts-
würdig ist die Nation, die nicht
ihr alles freudig setzt an ihre
Ehre! Zweite Seite gilt dem
Lob eines Abgeordneten, dessen
kleine Augen nicht hindern, daß
er scharf sieht —wo sein Vorteil
ist. Und dann zetert man auf
den bösen Feind! Auf die Kul-
turschande. Auf die Milchkühe-
forderung. Denn man erfüllt
seine deutsche Pflicht. Und dann
zehn Seiten Inserate. Konzerte
— Kapitalien von fünf Millio-
nen suchen Verzinsung — und
eine Dame sucht sich einen reichen
Mann. Ein reicher Mann eine
Dame. Und Lebensmittelange-
bote. Und Sekt, Wein, Seide,
Luxus und Genuß. Das aÜes ist
eine Zeitung — das alles ist
ein Gesicht. L)ie Lustseuche des
Profits gehr durch die Welt.
Aber vorne steht unser Schiller,
der gehungert hat: „Nichtswür-
dig ist die Nation, die nicht ihr
alles freudig setzt an ihre Ehre."

Gustav Stolze, München

Man dachte sich gleich, daß
d'Annunzio nicht in Fiume ster-
ben würde, obgleich er schwor,
diese Stadt nicht lebendig zuver-
lassen. Es kann eben niemand
zu einem ehrlichen Soldatcntod
kommen, dem es bestimmt ist,
im Irrenhaus zu enden.

beugend sich und den: Frieden. Was habt
ihr? Angst. Man sieht den Mord noch, den
die Kultur beging —die weiße Kultur, warum
sollte die schwarze Begier vorübergehen ain
weißen Frühling und leiden unter der un-
gelöschten Wut des heimatlosen Blutes?
k

Feind in der Stadt, deutsche Mädchen auf
den Gassen. Es kostet die Zigarette soviel,
wie früher ein armer Teufel zum Mittagessen
brauchen konnte. Aber die deutschen Mädchen
sind freundlich, und die französischen Soldaten
freuen sich daran. O, die deutschen Mädchen
wissen es, ivas man der Ehre seiner Nation
schuldet! Wir versöhnen uns, denn es »st
Friede. Wir werfen unsere deutsche Lächer-
lichkeit hin und bewundern den französischen
Hochmut.

Die Welt soll uns helfen, weil der, Feind
ins Land kam. Und wir helfen nach. Die Fran-
zosen wollen Freudenhäuser habe». Deutscher

Km Stillen Ozean

(Es kann der Beste nicht in Frieden leben,
wenn er dem bösen Nachbarn nicht gefällt.
 
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