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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0023
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• 10149 .

Ein preußischer Lanötagskanöiöat

äck, flroßjrunöbefltzer und Rindviehzüchter,
Zabrikant von Schinken und Speck,

Tute nu wieder aus meinem Trichter:

Die Republik is 'n dreck.

Habe lange jenug das Maul jehalten,

Hber nu reiß ick es uff bis ans <Vhr-

Ock kann'«, denn als königlich preuß'jcher Major

Sa schnauzt' ick, öet alle Koppe knallten.

darum sollt ihr mich in den Landtag wählen.
Ock bringe die Chose wieder in Tritt.

Ock wer' den Proleten schon wat erzählen.

Lausesalbe nehme ick mit.

da jibt es haarige Nüffe zu knacken.

Laßt mir bloß mal mang das Porzellan!

Wer mir schon hört, mein forsches Grjan,

Muß sich vor Schreck in die Hosen - -.

Ock bin jradezu, een echter ffermane,

Und pfeife uff Bildung und ddeal.

Ock rede Paprika, keene Sahne,

Und wat danach kommt, is mir ejal.

Ock rede Preußen jesund, det erkrankte-
denn Pferdekuren, die brauchen wir!

Ock schnauze zuschanden die janze hngtangte...
hier steh ick. llck präsentiere mir. t«.

Der Parademarsch

Auf dem Preußentag der Deutschen Volks-
partei hat ein Göttinger Professor gesagt, in
dem Parademarsch liege, wie nirgends sonst,
eine Erziehung zur konservativen Staats-
gesinnung.

Wenn die Nasen in gleichgerichteter Linie
kühn die Lust durchbohrten, wenn die Bäuche
im Gedärm versanken und die
Männerbusen sich rundeten,
wenn die Kniekehlen knirschten
und die benagelten Kommiß-
stiebel wie Dampframmen auf
den vaterländischen Boden nie-
dersausten, dann rauchten die
Köpfe von inbrünstiger Staats-
gesinnung, und aus allen Lip-
pen preßte sich der begeisterte
Wunsch:

„Hol euch der Deubel, ver-
fluchte Schinderbande!"

Deutsche Justiz

DaßOberleutnanla.D. Vogel
freigesprochen wurde, ist eigent-
lich selbstverständlich. -Der Be-
schuldigte gehörte jenen Kreisen
an, welche an einen Himmel und
ein Paradies glauben. Wenn
er Liebknecht und Frau Luxem-
burg in das Jenseus befördern
half, vertauschte er ihren auf-
reibenden irdischen Aufenthalt
mit etwas Besserem und Voll-
kommenerem, was niemals straf-
fällig sein kann.

Bleibt zu untersuchen, ob er
dazu berechtigt war.

Diese Frage muß unbedingt
verneint werden. Es ist eine
unbefugte Einmischung in bie-
Rechte Gottes. Diese Rechts-
amnaßung ist auf Antrag zu
verfolgen. Ein Strafantrag vom
lieben Golt liegt aber nicht vor.

Mithin mußte Freisprechung
erfolgen. . pe

arzt ein tiefgehendes Interesse dafür bewies.
Das muß einmal so sein; so verlangt es der
Gesundheitszustand der Durchlaucht.

Der lechzenden Neugierkleinstädtischer Unter-
tanen, denen etwas Gottgesalbtes selten oder
gar nie zu Augen kommt, konnte der Lakai
mit seiner Lade nicht entgehen. Allerhand Ver-
mutungen zeugten von angestrBigter Denk-
tätigkeit. „Ordenökiste", sagte einer und fand
ziemlich allgemeine Zustimmung.

Denn ein Ordensregen setzte allemal bei
solchen Besuchen ein. Neben den wirklichen
Piepmatzen, die den höheren Herren für rein
repräsentative Tätigkeiten ins Knopfloch flogen,
gab es für die subalternen Schaffer allerhand
harmlosere Auszeichnungen, wie Medaillen,
Dienstschnallen, Diplome, Krawattennadelu.

Also Ordenskiste. Der betriebsame Schrift-
leiter Nüßle von der Steinacher „Bürgerzei-
tung" beruhigte sich nicht bei dieser Vermu-
tung. Er vermaß sich am Stammtisch, das
Geheimnis zu lüften, koste es, was es wolle.
War er schon als Untertan naturgemäß neu-
gierig, so hatte er noch ein näheres Recht
darauf, seine Nase in jeden Quark zu stecken,
alß Leiter und Drucker eines provinzielle»
Organs, das stark und unentwegt in ange-
stammter Treue zum Herrscherhaus machte.

Im „Kreuz" stellte der Lakai seinen Wagen
mit der Lade ein, die er beim Herrn Kreis-
amtmann abgeholl hatte. Durstig, wie Lakaien
zu sein pflegen, setzte er sich ins Schanklokal,
um noch eins zu blasen bis zur Abfahrt des
Zuges. Er nahm Platz am Tisch der Herren,
die ehrfurchtsvoll beiseite rückten.

Nüßle nahm erst zwei Viertele Weißen zu
sich; dann setzte er sich kurzerhand zu dem
Lakaien hin. Seine Einladung zu einem Fläsch-
keineswegs ausgeschlagen; der
Galonierte bewies sogar eine
solche Aufnahmefähigkeit, daß
der Wirt des öfteren in den Kel-
ler laufen mußte, um eine neue
Flasche zu holen. Nüßle machte
im Kopf die Rechnung zusam-
men, aber das Geld reute ihn
nicht. Einmal schon wegen der
Ehre, zum andern wegen seines
Planes.

Der Lakai zuckte überraschtauf,
als Nüßle mit seinem Anliegen
herausrückte. Nein, das dürfe er
nicht sagen, war seine bedeut-
same Antwort. Zu der Vermu-
tung Ordenskiste lächelte er sein.

Dem weiter Drängenden gab
er schließlich so weit nacku daß
er sagte: „Tagen darf ich Ihnen
nichts; wenn Ihnen aber wirk-
lich so viel daran liegt, dann
.können Sie es ja selbst in Augen-
schein Nehmen. Nur verlange
ich absolute Diskretion." Damit
reichte er ihm den Schlüssel zu
der Lade, die hinten aus dem
Wagen stand.

Nüßle schlich selig hinaus. Es
dunkelte stark. Mit Herzpochen
öffnete er das Heiligtum. Er er-
tastete ein poliertes Möbel mit
einem gedrehten Holzdeckel.

Den nahm er ab. Aber er sah
nichts als einen finstern Schlund.
Er beugte den Kopf hinein —
Obschtznerauchjetzt nichts sah,

wurde seiner vorwitzigen Nase die
gewünschte Aufklärung zuteil.

Als Nüßle den Schmssel dem
Lakaien zurückgab, sagte dieser
nichts als „Prosit!" EI

Lenin: wir müssen rüsten und uns auf den Krieg im Frühjahr vorbereiten, lieber
polacke, sonst hast du und ich die Konterrevolution im eigenen hause.

Die Ordenslade

Eine Erinnerung aus der „guten alten Zeit-

Die Landesmutter des deutschen Liliput-
stätchens war eine geplagte Dame. An Ge-
legenheiten zum Beweis ihrer Fürsorge für das
Wohl der Untertanen fehlte es keineswegs,
und die Fürstin nahm wie alle ihre Berufskol-
leginnen diese Obliegenheiten um so lieber auf
sich, als sie den Absichten einer Stärkung des
dynastischen Sinnes im Völkchen entgegenkam.

Es mag jemand noch so sehr ein Engel sein,
das nüchterne Leben heischt ab und zu Be-
rücksichtigung und mahnt ihn täglich an seine
Erdgebundenheit. War bei den fürstlichen
Reisen im Ländchen herum für das leibliche
Wohl der hohen Frau von den Kreisamtmän-
nern aufs beste gesorgt, soweit es Essen und
Trinken betraf —, an das Gegenteil dachten
diese Heuochsen in den seltensten Fällen.

Und doch war auch dies vonnöten, und die
Fürstin mußte der Natur manchmal an Örtlich-
keiten ihren Zoll entrichten, die an Primitivität
mit denen des Sandschak Novibazar wett-
eiferten. Kreisamtmänner und Bürgermeister,
denen der Besuch der Fürstin galt, taten alles
Erdenkliche zur Instandsetzung ihrer Salons
und guten Stuben. In anderen Räumen ihrer
Wohnungen sah es dafür um so trostloser aus.

Dem Übelstand hals ein findiger Schranze
ab, indem er einen transportablen Stuhl von
handlichem Format erfand. Er wurde bei allen
Reisen in eine polierte Kiste gepackt und durch
ei»en besonderen Lakaien jeweils in die Woh-
nung des zuständigen Kreisamtmannes gefah-
ren. Im Schlafgemach blieb das Ding so lange
stehen, bis man seiner nicht mehr bedurfte.

Dann brachte es der stolze Lakai wieder
zur Bahn und nach der Residenz, wo der Leib- chen wurde

Der vorsichtige Politiker
 
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