— 10153 —
Aus dem besetzten Gebiet
„Gold braucht Frankreich, — nur einsammeln, es liegt haufenweise
auf der Straße,"
$ Robelfpäne
„Goldmillionen riechen nicht,"
Sprach dereinst Lenin,
Und er wurde — Ludendorffs
Treuer Paladin.
„Was so zwei wie wir zwei tun.
Klappt," sprach stolz Lenin.
In den Armen lagen sich
Beide in Berlin.
Ludendorff ist ausgeglitscht —
Denke dran, Lenin:
Leicht entzündet man 'neu Brand,
Schwer nur löscht man ihn!
★
Wenn Charakterlosigkeit eine Krankheit wäre, würde mancher Schaukelpolitiker
in frühen Jahren sterben. ^
Einst schrie im Lager der Philister
Und der Kappisten Mann für Mann:
„Wir brauchen endlich Fachminister -
Dann fängt das gute Leben an!"
Der Preissturz kam. Man mutzt' ihn loben
Und tat es auch mit viel Geschrei.
Nur leider stürzte er nach — oben
Trotz aller Fachministerei.
Auf tun sich der Agrarier Kiefer:
Bald wird der Mehlpreis hochgeschraubt!
Sitzt doch am End' der Schaden tiefer,
Als so ein Fachminister glaubt?
k
Sonderbar. Je mehr „Noten" gewechselt werden, desto geringer wird die „Har-
monie" Europas. Sollte da nicht das „Publikum" mal den schlechten Kapellmeistern
den Taktstock aus der Hand nehmen?
k
„Was wollen denn die bürgerlichen Parteien an Stelle der Sozialisierung
setzen?" fragte mir mein Freund Neumann. „Sehr einfach," sagte ick, „die —Stinne -
sierung!" ©ein getreuer Säge, Schreiner
Abkühlung
So ein echter Moskowiter
Liebt brühheiste Fehden,
Und dann läßt er totaliter
Keinen andern reden.
Ist er irgendwo zu Gast,
Must der Hausherr schweige»;
Was dem Randaleur nicht pastt,
Will er auch beseigen.
Habe« kürzlich die Genossen
Mal den Saal gereinigt.
Packten sie mit harten Flossen:
„Rausl Und das beschlennigt!
Stoppt die alte Sabberspritze
Oder sagt ade!...«
Und sie kühlten ihre Hitze
Mit dem A... t,n Schnee.
Lieber Wahrer Jacob!
„Ich habe auf der Wohltätigkeitslotterie ein Eisen-
bahnbillett nach Wien gewonnen."
„Da wünsch' ich viel Vergnügen."
„Danke. Ich soll mich bei Steinach verjüngen lassen.
Als Rückfahrkarte ist mir ein Kinderbillett dazugegeben
worden." ^
Der Kellner begrüßt den Gast: „Guten Tag, Herr
von Graf."
„Nennen Sie mich doch nicht immer Herr von Graf.
Sagen Sie ganz einfach zu mir, Herr Graf."
k
Ein Reisender kommt in höchster Eile auf dem Bahn-
hof an, als er von einem jungen Menschen mit den Wor-
ten ausgehalten wird: „HabenEie vielleicht ein Streich-
holz?" Wütend ruft er: „Zum Donnerwetter, nein!"
Freundlich lächelnd zieht der andere dreiSchachteln her-
vor: „Dann müssen Sie sich diese kaufen, LUPfcnnig die
Schachtel."
„Meine Frau geht mir über alles," sagte Herr Schulze
zu seinem Bekannten.
„Nu, da lassen Sie sich doch das Geldschrankschloß
ändern."
Warnung vor Steinach
Bisher war ich in meinem Familienkreise der Jüngste.
Die Liebe aller Tanten und Großmütter ergoß sich auf
mich. Es ist vorbei. Mein Großvater mütterlicherseits
unterzog sich der Verjüngungskur. Als er aus Wien
zurückkehrte, war es nüt meiner Herrlichkeit zu Ende.
Von dem Tage seiner Rückkehr ab war er das Schoß-
kind der Familie. Aber nicht nur, daß er mir den Rang
abgelaufen hat, er belästigt mich auch andauernd. Fast
täglich konunt er zu mir, um sich mein Fußballdreß zu
leihen. Er spielt nämlich in der Iugendmannschast des
Sportklubs als Torwächter. Vor kurzem bat er mich,
ihm Nachhilfestunden in Latein zu erteilen, weil er sich
auf das Alatnr vorbereiten will. Aus Ärger darüber,
daß ich ihm seine Bitte abgeschlagen habe, hat er mir
ineine Braut abspenstig gemacht. Ich sähe ihr zu ver-
lebt aus, schrieb sie in ihrem Abschicdsbrief.
Das ist aber noch lange nicht das Schlimmste. Auch
meine andern Verwandten haben sich von Steinach be-
handeln lassen. Die Folgen davon sind entsetzliche für
inich. Meine Erbtanke — ich gedachte sie in einem Jahr
zu begraben - hat sich kürzlich mit einem Assessor ver-
lobt. Das Unglück voraussehend, hatte ich ihr meine
Hand angeboten, aber ich war ihr zu — alt. Zu allem
Unglück hat mir heute mein Hauswirt gekündigt, weil
er nicht glauben will, daß die Dame, die mich gestern
abend besuchte, meine Urgroßmutter ist. Als ich einer
meiner Tanten, die mich früher zärtlich liebte (auch sie
war bei Steinach), mein Leid klagte, riet sie mir, mich
in einem Spital für alte Leute aufnehmen zu lassen.
Kann mir einer von den Lesern eins empfehlen?
Stoßseufzer eines Wehrlosen
Wie soll ich armer Agrarier einen aussichtsvollen
Wahlkampf führen? Landrat und Gendarm kämpfen
nicht mehr für mich, und geistige Waffen sind nicht
standesgeniäß I .—-—
Lieber Jacob!
Also nu jeht et los mit den Abbau von de Besitz-
steiern! Helfferich hat det leidende Vaterland wieder mal
uff 'n Schub jebracht un unzweideutlich festjestellt, woso
et kömmt, det wir noch immer in 'n Dalles drinstechen.
Der Irund liejt nämlich in de irrtiemliche Verteilung
der Abjabenlasten, verstchste Jede Bcsteierung des Ka-
pitalismus is'n finanzieller Mißjriff. Tenn se is erstens
unmoralisch. Wenn Du nämlich eenen Arbeetcr oder
Anjestelltcn seine zehn Prozent von 'n Lohn abziehst,
denn iS det 'ne reinliche Sache, indem in diesem Fall
keenc Meeglichkeit uich jejcben is, det Vaterland zu be-
schummeln. Wenn Du aber det Reichsnotopfcr erheben
willst, denn hat det de unausweichliche Folje, det de
eene Hälfte von 'n nazjonalen Besitz in 't Ausland un
de andere in 'n Strumpf verschwindet, wat beedes de
menschliche Natur anjemessen, aber jejcn de jöttliche
Weltordnung is. Un zu fowat, sagt Helfferich, derf der
Staat »ich animieren. Aber de Besitzsteicrn sin nich bloß
unmoralisch, sondern se sin ooch unjerecht, indem det
Proletariat an 't Steierzahlcn schon von frieher her je-
wehnt is un Jbung drin hat, weshalb et ihm weniger
schwer fällt als wie dem situierten Birjerstand, der so-
wat iberhaupt noch nich kennt un erst vorsichtig un all-
mählich zu de Ertragung dieserLasten abjehärt't werden
muß. Außerdem macht et for demjenijen, der sowieso
nischt hat, nich villc ans, ob er noch 'n bisken krummer
liegt oder nich. Dahinjejen kann man eenem jeornten
Hausstande nich zumute», det er uff ecnmal, stattIumnn
zu fahren, Omnibus jondeln un statt mit'n Reiherbibi,
mit'nc ufflackierte Kiste uff'n Kurfirstendamm loofen soll.
Det wäre eene brutale Vcrjewaltijung der birjerlichen
Lebensjewohnheeten un zu fowat derf eene jerechte
Staatsordnung nich de Hand bieten. Vor allem aber,
un det is drittens de Hauptsache, sin de Besttzsteiern
dämlich, denn se bringen nischt ein, indem det jebil-
dete Birjertum sich for seine Steicrerklärungen eenen
wissenschaftl chen Rechtsbeistand halten kann, der de
Jesetze kennt un janz jenau weeß, wie det Resultat von
Null Komma Nischt allemal einwandfrei zu berechnen
jeht.
Aus diese Irinde erjibt sich de unvermeidliche Not-
wendigkeet, dem Kapitalismus nich weiter mit aus-
sichtslose finanzielle Unbequemlichkeeten zu inkomman-
dicrcn, sondern det deitsche Proletariat in seine her-
kömmlicheEhcensteUung als alleene berappender Staats-
faktor zu belassen.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein jctreicr
Iotthilf Rauke,
an '» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
Aus dem besetzten Gebiet
„Gold braucht Frankreich, — nur einsammeln, es liegt haufenweise
auf der Straße,"
$ Robelfpäne
„Goldmillionen riechen nicht,"
Sprach dereinst Lenin,
Und er wurde — Ludendorffs
Treuer Paladin.
„Was so zwei wie wir zwei tun.
Klappt," sprach stolz Lenin.
In den Armen lagen sich
Beide in Berlin.
Ludendorff ist ausgeglitscht —
Denke dran, Lenin:
Leicht entzündet man 'neu Brand,
Schwer nur löscht man ihn!
★
Wenn Charakterlosigkeit eine Krankheit wäre, würde mancher Schaukelpolitiker
in frühen Jahren sterben. ^
Einst schrie im Lager der Philister
Und der Kappisten Mann für Mann:
„Wir brauchen endlich Fachminister -
Dann fängt das gute Leben an!"
Der Preissturz kam. Man mutzt' ihn loben
Und tat es auch mit viel Geschrei.
Nur leider stürzte er nach — oben
Trotz aller Fachministerei.
Auf tun sich der Agrarier Kiefer:
Bald wird der Mehlpreis hochgeschraubt!
Sitzt doch am End' der Schaden tiefer,
Als so ein Fachminister glaubt?
k
Sonderbar. Je mehr „Noten" gewechselt werden, desto geringer wird die „Har-
monie" Europas. Sollte da nicht das „Publikum" mal den schlechten Kapellmeistern
den Taktstock aus der Hand nehmen?
k
„Was wollen denn die bürgerlichen Parteien an Stelle der Sozialisierung
setzen?" fragte mir mein Freund Neumann. „Sehr einfach," sagte ick, „die —Stinne -
sierung!" ©ein getreuer Säge, Schreiner
Abkühlung
So ein echter Moskowiter
Liebt brühheiste Fehden,
Und dann läßt er totaliter
Keinen andern reden.
Ist er irgendwo zu Gast,
Must der Hausherr schweige»;
Was dem Randaleur nicht pastt,
Will er auch beseigen.
Habe« kürzlich die Genossen
Mal den Saal gereinigt.
Packten sie mit harten Flossen:
„Rausl Und das beschlennigt!
Stoppt die alte Sabberspritze
Oder sagt ade!...«
Und sie kühlten ihre Hitze
Mit dem A... t,n Schnee.
Lieber Wahrer Jacob!
„Ich habe auf der Wohltätigkeitslotterie ein Eisen-
bahnbillett nach Wien gewonnen."
„Da wünsch' ich viel Vergnügen."
„Danke. Ich soll mich bei Steinach verjüngen lassen.
Als Rückfahrkarte ist mir ein Kinderbillett dazugegeben
worden." ^
Der Kellner begrüßt den Gast: „Guten Tag, Herr
von Graf."
„Nennen Sie mich doch nicht immer Herr von Graf.
Sagen Sie ganz einfach zu mir, Herr Graf."
k
Ein Reisender kommt in höchster Eile auf dem Bahn-
hof an, als er von einem jungen Menschen mit den Wor-
ten ausgehalten wird: „HabenEie vielleicht ein Streich-
holz?" Wütend ruft er: „Zum Donnerwetter, nein!"
Freundlich lächelnd zieht der andere dreiSchachteln her-
vor: „Dann müssen Sie sich diese kaufen, LUPfcnnig die
Schachtel."
„Meine Frau geht mir über alles," sagte Herr Schulze
zu seinem Bekannten.
„Nu, da lassen Sie sich doch das Geldschrankschloß
ändern."
Warnung vor Steinach
Bisher war ich in meinem Familienkreise der Jüngste.
Die Liebe aller Tanten und Großmütter ergoß sich auf
mich. Es ist vorbei. Mein Großvater mütterlicherseits
unterzog sich der Verjüngungskur. Als er aus Wien
zurückkehrte, war es nüt meiner Herrlichkeit zu Ende.
Von dem Tage seiner Rückkehr ab war er das Schoß-
kind der Familie. Aber nicht nur, daß er mir den Rang
abgelaufen hat, er belästigt mich auch andauernd. Fast
täglich konunt er zu mir, um sich mein Fußballdreß zu
leihen. Er spielt nämlich in der Iugendmannschast des
Sportklubs als Torwächter. Vor kurzem bat er mich,
ihm Nachhilfestunden in Latein zu erteilen, weil er sich
auf das Alatnr vorbereiten will. Aus Ärger darüber,
daß ich ihm seine Bitte abgeschlagen habe, hat er mir
ineine Braut abspenstig gemacht. Ich sähe ihr zu ver-
lebt aus, schrieb sie in ihrem Abschicdsbrief.
Das ist aber noch lange nicht das Schlimmste. Auch
meine andern Verwandten haben sich von Steinach be-
handeln lassen. Die Folgen davon sind entsetzliche für
inich. Meine Erbtanke — ich gedachte sie in einem Jahr
zu begraben - hat sich kürzlich mit einem Assessor ver-
lobt. Das Unglück voraussehend, hatte ich ihr meine
Hand angeboten, aber ich war ihr zu — alt. Zu allem
Unglück hat mir heute mein Hauswirt gekündigt, weil
er nicht glauben will, daß die Dame, die mich gestern
abend besuchte, meine Urgroßmutter ist. Als ich einer
meiner Tanten, die mich früher zärtlich liebte (auch sie
war bei Steinach), mein Leid klagte, riet sie mir, mich
in einem Spital für alte Leute aufnehmen zu lassen.
Kann mir einer von den Lesern eins empfehlen?
Stoßseufzer eines Wehrlosen
Wie soll ich armer Agrarier einen aussichtsvollen
Wahlkampf führen? Landrat und Gendarm kämpfen
nicht mehr für mich, und geistige Waffen sind nicht
standesgeniäß I .—-—
Lieber Jacob!
Also nu jeht et los mit den Abbau von de Besitz-
steiern! Helfferich hat det leidende Vaterland wieder mal
uff 'n Schub jebracht un unzweideutlich festjestellt, woso
et kömmt, det wir noch immer in 'n Dalles drinstechen.
Der Irund liejt nämlich in de irrtiemliche Verteilung
der Abjabenlasten, verstchste Jede Bcsteierung des Ka-
pitalismus is'n finanzieller Mißjriff. Tenn se is erstens
unmoralisch. Wenn Du nämlich eenen Arbeetcr oder
Anjestelltcn seine zehn Prozent von 'n Lohn abziehst,
denn iS det 'ne reinliche Sache, indem in diesem Fall
keenc Meeglichkeit uich jejcben is, det Vaterland zu be-
schummeln. Wenn Du aber det Reichsnotopfcr erheben
willst, denn hat det de unausweichliche Folje, det de
eene Hälfte von 'n nazjonalen Besitz in 't Ausland un
de andere in 'n Strumpf verschwindet, wat beedes de
menschliche Natur anjemessen, aber jejcn de jöttliche
Weltordnung is. Un zu fowat, sagt Helfferich, derf der
Staat »ich animieren. Aber de Besitzsteicrn sin nich bloß
unmoralisch, sondern se sin ooch unjerecht, indem det
Proletariat an 't Steierzahlcn schon von frieher her je-
wehnt is un Jbung drin hat, weshalb et ihm weniger
schwer fällt als wie dem situierten Birjerstand, der so-
wat iberhaupt noch nich kennt un erst vorsichtig un all-
mählich zu de Ertragung dieserLasten abjehärt't werden
muß. Außerdem macht et for demjenijen, der sowieso
nischt hat, nich villc ans, ob er noch 'n bisken krummer
liegt oder nich. Dahinjejen kann man eenem jeornten
Hausstande nich zumute», det er uff ecnmal, stattIumnn
zu fahren, Omnibus jondeln un statt mit'n Reiherbibi,
mit'nc ufflackierte Kiste uff'n Kurfirstendamm loofen soll.
Det wäre eene brutale Vcrjewaltijung der birjerlichen
Lebensjewohnheeten un zu fowat derf eene jerechte
Staatsordnung nich de Hand bieten. Vor allem aber,
un det is drittens de Hauptsache, sin de Besttzsteiern
dämlich, denn se bringen nischt ein, indem det jebil-
dete Birjertum sich for seine Steicrerklärungen eenen
wissenschaftl chen Rechtsbeistand halten kann, der de
Jesetze kennt un janz jenau weeß, wie det Resultat von
Null Komma Nischt allemal einwandfrei zu berechnen
jeht.
Aus diese Irinde erjibt sich de unvermeidliche Not-
wendigkeet, dem Kapitalismus nich weiter mit aus-
sichtslose finanzielle Unbequemlichkeeten zu inkomman-
dicrcn, sondern det deitsche Proletariat in seine her-
kömmlicheEhcensteUung als alleene berappender Staats-
faktor zu belassen.
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein jctreicr
Iotthilf Rauke,
an '» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.