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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0058
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... toi84 .

♦ Mai-Gedanken ♦

Nun rang aus Winterdunkel
Der lichte Mai sich los.

Der Blumen fröhlich Gefunkel
Verläßt der Erde Schoß.

Die Blicke selig schweifen;

Der Strom braust frank und frei.
Der Mensch nur will nicht begreifen
Die lichte Lehre des Mai.

Noch dröhn die dunklen Geister,

Den Hellen Sonnenstrahl
Verhüllt der Weltenmeister:

Das heilige Kapital.

Es wächst in warmen Tagen
Für alle Menschen das Brot;

Doch Angezählte nagen
Am Hungertuche der Not.

In wenigen hundert Händen
Liegt heute Macht und Gut;

Bei ihnen ist Verschwenden
In frevelndem Übermut.

Den Massen ist Sorge beschieden.

Sie dürfen nicht rasten noch ruhn —
Wie klug ist doch hienieden
Des Kapitalismus Tun!

Es keimt im Dunkel des Grundes:

Der Lenz, der allen beschert.

Der Menschheit fröhlichen Mundes
Der Gleichheit Lehre lehrt!

Schon splittern die morschen Schranken,
Schon zittert die Tyrannei —

Es siegen des Mais Gedanken

IM NaheNdeN VölkerMM. Der Wahre Jacob

Zum 1. Mai

Vom Giebel und vom Turme weht
Wohl keine Fahne stolz im Wind,

Doch tief in unserm Lerzcn steht
Der Glaube, daß wir Brüder sind.

Den Glauben, der uns froh gemacht.

Trotz Völkerhaß und blinder Wut,

Äat uns der erste Mai gebracht —

„Wir sind von gleichem Geist und Blut!"

Und schmücket auch kein Blütenkranz
Die Mauern und die Äauserreihn,

Zn jedem Aug' der Sonnenglanz
Will uns den Tag zum Feste weihn.

Was uns getrennt von Land zu Land
Zerstiebt in dieser Feierstund' —

Wir grüßen frei mit Lerz und Land
Die Brüder auf dem Erdenrund!

And wie im Lenz zum Licht empor
Erstorbnes Leben kämpfend ringt.

Schwillt brausend unser Lied hervor.

Das jubelnd in die Sonne singt:

„Der Laß von Mensch zu Mensch ist tot!
Die Liebe wird im Licht erstehn.

Wird in der Freiheit Morgenrot

Mit uns auf freier Erde gehn!" J.Schüßler

Eine Gegenaktion gegen den ersten Mai

Der Reichsverband deutsch nationaler
Frauen undIu n gfrauen, dem der proletarische
Wcltfeieriag ein Dorn im Auge ist, hat den Beschluß
gefaßt, diesem durch eine energische öffentliche Kund-
gebung ein Paroli zu bieten.

Die Kundgebung wird in der dem ersten Mai voran-
gehenden Nacht, der sogenannten Walpurgisnacht,
stattfinden. Als Ort hat man den malerischen Blocks-
berg gewählt. Leider haben die Eisenbahnverwaltungen
die Stellung von Sonderzügen abgelehnt. Die Leite-
rinnen des Reichsverbandes haben aber dafür Sorge
getragen, daß es trotzdem nicht an paffenden Reiscge-
legenheiten fehlen wird, und sic stellen den deutschnatio-

nale» Frauen und Jungfrauen, die an der Kundgebung
teilnehmen wollen, die nötigen Besenstiele, Mut-
terschweine, Ziegenböcke sauf Wunsch mit Haken-
kreuz zwischen den Hörnern) gegen eine geringe Leih-
gebühr zur Verfügung. T.

Steuerpolitik

Wie die Erfahrung lehrt, pflegen die von kommunisti-
scher Seite hervorgernfenen wilden Streiks zu keinerlei
nützlichen Resultaten für die Arbeiterschaft zu führen,
sondern lediglich dem geitvertreib und Unterhaltungs-
bedürfnis der betreffenden Führer und Anstifter zu
dienen.

Wäre es aus diesem Grunde nicht empfehlenswert,
das Veranstalten derartiger Streiks mit einer L u st b a r -
keitssteuer zu belegen, für deren Zahlung die kom-
munistischen Arrangeure haftbar zu machen wären? B

Kommunistischer Weltfeiertag

Nachdem sich herausgestellt hat, daß der erste Mai
überwiegend von den in der S.P.D. und U.S.P.D.
organisierten proletarischen Bluthunden und Volksver-
rätern gefeiert wird, haben die Kommunisten beschlos-
sen, in Zukunft diesen gegenrevolutionären Schwindel
nicht mehr mitzumachen, sondern ihren eigenen Welt-
feiertag zu begehen.

Um die unantastbare Wahrheit ihrer Lehren und die
sichere Glaubwürdigkeit alles dessen, was sie den deut-
schen Arbeitern versprechen, an diesem Tage nachdrück-
lichst bekräftigen zu können, haben sie als Datum den
ersten April gewählt. T.

Vereinfachung der Zeitrechnung

In der Erwägung, daß die in Deutschland üblichen
hemmungslosen und aufreizenden Maifeiern geeignet
erscheinen, dem Proletariat der alliierten Staaten ein
böses Beispiel zu geben, haben die Ententeregierungen
auf Grund des § 74328 des Versailler Friedens be-
schlossen, denMonatMai aus dem deutfchenKa-
lender zu streichen. Sollte das deuftche Volk sich
dieser gerechten Maßnahme widersetzen, so behält sich
die Entente die sofortige Beschlagnahme einiger deut-
schen Kohlengruben, die Einziehung von 300000 deut-
schen Milchkühen und die Erhöhung der deutschen
Kriegsschuld um 00 Milliarden Goldmark vor. A.

Vorschlag zur Güte

Stinnes will partout seine Schiffe mit den Namen
unserer ruhmreichen Kriegshelden taufen. Die Werft-
arbeiter, die aus Mangel an Nationalgefühl dagegen
protestieren, wirst er kurzerhand auf die Straße. Um
den Rechtsern wie den Linksern gerecht zu werden,
schlage ich vor, auf der rechten Seite des Schiffes den
Namen des Helden und auf der linken Seite dessen
Verdienste anzugeben. Zum Beispiel:

rechts: links:

Wilheln: II. . . ein Feigling, ein Maulheld.
Ludendorff . . hat Deutschland zu Tode gesiegt.

Tirpitz.hat Deutschland in den Grund gebohrt.

Kronprinz... der größte Schürzenjäger der Etappe,
genannt „Feste druff".

Wer ein Schiff beäugelt, darf es nur von der Seite
tun, die feineni politischen Standpunkt entspricht. Dann
ist jedem geholfen. Ich hoffe, daß ich fiir diesen schlauen
Vorschlag zeitlebens von allen Steuern befreit werde.

Kali

Voreiliger Patriotismus

Der oberschlesische Magnat v. Thiele-Winkler,
der Intimus Wilhelms II., der für seine Dienerschaft be-
reits polnische Livreen hatte anfertigen lassen, sieht
sich durch den Ausfall der Abstimmung in Oberfchlesicn
zu feinem Schmerze genötigt, die betreffenden Klei-
dungsstücke wieder ändern zu lassen.

Wie wir hören, wird er von der Negierung der deut-
schen Republik Schadenersatz verlangen und diesen
im Weigerungsfälle bei dem Obersten Rat der Entente
einklagen. _ __

Lohenzollern-Äandwerk

tzde: Wat der verduftete Kronprinz is, der soll sich
in Wieringen jetz de Zeit mit Schmieden vertreiben.

Lude: Ick muß mir bloß wundern, wat er woll
schmieden mag.

Edc: Wahrscheinlich 'ne ueic Krone als Ersatz for
de abhanden jekommene.

Lude: Quatsch! Ne Krone muß aus Iold sind, un
wo krigt er denn det her? Seine Olle, de Cäcilie, bewil-
ligt ihm ja nifcht mehr.

Ede: Na, wat meenste sonst, wat er schmieden tut?

Lude: Blech!

Ede: Da kannste allerdings recht haben, det wirde
de Traditionen der Familje entsprechen. A.
 
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