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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0220
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—10346 - -

Auf dem Trümmerhaufen

Man hat in hohen Konferenzen, Sie haben, wie zu andern Malen,

In wildbewegten Redetänzen Nachher die Rechnung zu bezahlen,

Im Schweiß des Angesichts getagt. Gleichviel, ob ihnen sie behagl.

Man hak in Oberschlesiens Wunde Sie dürfen ihre Stimme geben;

Gewühlt in der erlauchten Runde — Doch stimmen sie einmal „daneben",

Nur einer fehlte in dem Bunde: Geht's ohne ihre Stimme eben:

Die Völker wurden nicht befragt! Die Völker werden nicht befragt.

Man hat befragt manch Spezialisten, Sie dürfen freundlich sich bequemen,

Kapitalisten, Rabulisten; Die Arteilssprüche anzunehmen,

Man ist fidel und unverzagt: Die man dort oben ihnen sagt.

Man schuf mit Schwitzen ja und Schnaufen, Sie dürfen auch in allen Zonen

Man schuf in wochenlangem Raufen Für diese Drohnen werken, fronen —

Europas großen Trümmerhaufen — Sonst gibt's Kanonen und Sanktionen:

Die Völker wurden nicht befragt. Die Völker werden nicht befragt.

Einst wird man sich auf sie besinnen:

Wenn sich die Folgen erst entspinnen
Des Frevels, den man heut gewogt!

Wenn unter Trümmern sie begraben,

Die sie mit ihren Weisheitsgaben
So emsig jetzt geschaffen haben, —

Die Völker werden dann befragt. Der Wahre Jacob

Berliner Wahl

Es bliesen die Schwarzweißroten
Gar lieblich den Siegeskranz.

Das rührte die härtesten Knoten,

• Das rührte Backfisch und Gans.

Sie salbten ihre Schnäuze
Mit Wein und Kaviar
And schmierten Äakenkreuze
In jedes Pissoir.

Sie besiegten die Alliierten,

In fünf Minuten geschah's.

And so hypnotisierten
Sie manches arme Aas.

Das stolperte in die Falle. . .

Nun grölen sie jubelnd umher:

Die Dummen werden nicht alle?

Es werden immer mehrl §ec.

National und antinational

Wenn du das Recht der Arbeit liebst,
And billig Brot dem Volke gibst.

So bist du deutscher Schande Mal
And dreifach antinational!

Doch wenn du Lelfferichen liebst
And feste in Devisen schiebst.

So hat kapiert dein Leldengeist,

Was hierzulande deutsch sein heißt!

Wenn das System der Gaunerlist
Ein Greuel dir und Scheue! ist.

So bist du ein elender Gauch
And höchstwahrscheinlich jüdisch auch.
Wenn aber dir sympathisch is
Der systemat'sche Volksbeschiß,

And wenn dein Gott das Kapital,

So bist du wahrhaft national! w.

Kulturentwicklung

Das preußische Kultministerium erhebt be-
trächtliche Eintrittsgelder für das Berliner
Schloßmuseum, weil im anderen Falle Massen-
besuch zu erwarten wäre. Und das würde dem
Parkettfußboden schaden. Die Lakaien stehen
schon wieder an der Tür, um Wilhelm zu er-
warten, und sie zittern vor dein Stirnrunzeln,
mit dem er diese Proletenwirtschaft begrüßen
würde. — Übrigens hat man festgestellt, daß
auch die Straßen durch allzu reichliche Benut-
zung leiden. Man wird deshalb von 500 zu
600 Meter Schlagbäume errichten, bei denen
Fußgänger und Fuhrwerke ihren Obolus zu
entrichten haben. Vielleicht läßt sich auf diese
Weise der pflaster-schädliche Verkehr aus der
Welt schaffen. Dem Reichsverkehrsminister hat
man eine ähnliche Anregung übermittelt. Er
hat aber abgewinkt und gesagt: „Schon er-
ledigt! Bei meinen Fahrpreisen wird bald kein
Mensch mehr fahren — und was ich da an
Material und Reparaturkosten erspare, das
geht in die Milliarden! Zurück zur gemütlichen
Postkutsche!"

Postkutsche, Schlagbäume, Wilhelm. Ein
neues romantisches Zeitalter naht. g.

humane Justiz

Eine schwerbewaffnete Räuberbande überfiel
eines Tages oder vielmehr eines Nachts ein
großes Anwesen, das'unter schweren Schick-
salsschlägen gelitten hatte und eben im Begriff
war, sich wieder zu erholen. Es kam zu blutigen
Kämpfen, zu Mord und Todschlag und zur Ver-
nichtung zahlreicher Werte. Endlich gelang es
den Arbeitern des Anwesens, die Räuber in

die Flucht zu schlagen; aber nun hatten sie
noch mehr zu schaffen als vorher, um neben
den anderen auch den neuen Schaden wieder
gutzumachen.

Das Gericht erließ Haftbefehle und Steck-
briefe hinter den Banditen. Aber obwohl der
eine und andere hier und dort gesehen wurde,
unter and erem im Polizeipräsidium zu München,
gelang es nicht, „ihrer habhaft zu werden", wie
es in der Amtssprache heißt. Inzwischen spra-
chen einige Blätter von den Banditen als von
einem feigen, ehrlosen Gesindel, und das woll-
ten die Räuber nicht auf sich sitzen lassen. Wenig-
stens kamen sie schon nach achtzehn Monaten
auf die Idee, ihre Ehre gerichtlich reinigen zu
lassen. Darum schrieben sie der harrenden Justiz,
sie würden gern und freiwillig kommen, wenn
man sie nicht einloche. Denn sitzen möchten sie
nicht. Erstens sei es langweilig und zweitens
seien sie an eine behaglichere Lebensweise ge-
wöhnt. Den Termin der Unterhaltung zu be-
stimmen, überließen sie dem Gericht. Und das
Gericht war von dieser Großmut dermaßen ge-
rührt, daß es den Banditen eilig antwortete,
sie hätten nichts, aber auch gar nichts zu be-
fürchten; es sei ja hocherfreut, daß sie über-
haupt kämen. Das Verfahren soll nun „nach
Möglichkeit beschleunigt werden".

Der Verein der Raubmörder nnd Geldschrank-
knacker hat eine begeisterte Dankresolution be-
schlossen und erwartet, „daß die in der Kapp-
sache bewiesene humane Justizgesinnung Ge-
meingut aller Gerichte werde." tx.

Lloyd George ins Stammbuch

„Gebrochenes Versprechen —
Gesprochenes Verbrechen!" (Rückert.)
 
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