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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0236
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. 10362

Am Wochenschluß im Lohnbureau

Wart ihr schon einmal in einen: Lohnbureau?

Wenn Sonnabends Arbeiter, Schreiber, kleine Tipp-
fräuleins und so

Antreten am Schalterfenster, der Reihe nach, un: sich
der Plage

Kärgliche Löhnung zu holen für die sechs Tage
Der Woche? Wenn nicht, so, um Gottes willen, so seht
euch das an.

Denn was der Mann,

Der da die Lohnlisten führt, euch im Blitzlichte flücht'ger
Sekunden zeigt.

Ist ein Begebnis, das in seiner Phantastik allen Begriff
übersteigt.

Bitte also. Man bemühe sich mal. Man habe die Güte.

Rohrleger Schmidt naht und empfängt seine Tüte.

Er tat sechs Tage seine Pflicht,

Und er hat das Empfinden: es stimmt was nicht.

Denn es langt nicht hin und es langt nicht her.

Und er rechnet nochnral, und es wird nicht mehr.

Denn mit Rohrleger Schmidts Lohn, wißt ihr, ist das
ein seltsames Ding, traunl
Da sitzt beispielsweise in Cincinnati ein Mister John
Brown,

Handelt mit Zucker, lebt gut, unterhält eine Jacht,

Eine Barsoi-Koppel, weil's Spaß ihm macht,

Mit einem Worte, er braucht viel Moneten,
lind da ist es auf diesem Planeten
So eingerichtet und adsustiert,

Daß Mister John Brown an Schmidts Wochenlohn par-
tizipiert.

Natürlich nicht so, daß Schmidt etwas wittert,

Schmidt ist von tausenderlei Gitter umgittert.

Hat bloß das Empfinden, es stimmt was nicht.

Und tat doch sechs Tage lang brav seine Pflicht....
Drum grübelt er so und wundert sich so
Am Wochenschluß im Lohnbureau.

Oder aber, da kriegt ftir Kostgeld, Kleidung und Miete
Die Grete Müller ihre Tüte.

Ach, Grete Müller, kennst du die schöne Yvonne in dem
schönen Bordeaux?

Die Mätresse des Herrn Soundso?

Sie geht in Seide und h: Seal,

Und der Schneider, du weißt ja, er kostet sehr viel.

Und so ist es nicht weiter verwunderlich.

Ach, Grete Müller, du wunderst dich.

Auch du zahlst an Yvonne im schönen Bordeaux
Am Wochenschluß im Lohnbureau! —

Im Lohnbureau am Wochenschluß
Kommen die Ströine des Geldes in Fluß,

Die da in funkelnden Sälen münden,

Lichter um Lichter dem Neichen entzünden.

Au: Wochenschluß im Lohnbureau

Hat der arme Mann Sorge und der reiche ist froh.

Das, was dir fehlt am Wochenend,

Versäuft in der Bar der praffende Gent.

Und was dem Kind auf den Rippen fehlt.

Der Schieber in klebrigen Fingern hält.

Und was der ehrlichen Arbeit gebührt.

Die Hure an die Lippen führt.

Das Manko deiner Wochentage,

Es tanzt in St. Moritz und fährt Ski in Braunlage,
lind was dir fehlt zum warmen Bett,

Das wirbelt in Zoppot im runden Roulett.

Am Wochenschluß im Lohnbureau
Hat jeder seinen Partner wo,

Dem zahlt er den Sekt und das Huhn in Aspik,

Die Seide, den Pelz und die Ballmusik,

Das schimmernde Haus und den funkelnden Saal,

Des Lebens schallendes Bacchanal.

Und steht beiseite und steht im Dunkel
Und denkt beim fernen Freudegefunkel:

Dem einen die Garbe, dem andern das Stroh
Am Wochenschluß im Lohnbureau I F r. W e n d e l

Über die neuen Ziele des Kapitals

Man muß schon sagen, sie verstehen ihr
Metier, — Die Herren vom allmächtigen Porte-
monnaie. — Nehmt einmal zum Beispiel die
alte Leier - Vom drohend sich nahenden Pleite-
geier, — Der da im April 22 bestimmt — Über
das unglückliche Deutschland kiinmt. — Du liest's
in der „Times" und du liest es im „Temps", —
Und es schlägt dir im Busen das Herze so
bang, — Und es schlägt Dir noch bänger im
fühlenden Busen, — Hörst du Herrn Helsferich
gleicherweis' schmusen.— Und siehst du, dann

schreibt wie von ungefähr —In der„D.A.Z.",
in der „Voß" oder so irgendwer, — Daß neue
Methoden der Wirtschaft vonnöten, — Sonst
gehn wir bestimmt im Aprilmonat flöten. —
Nun geht ja vor sozialistischen Ohren — Ein
solches Wort niemals verloren, — Und du
freust dich bereits und bemerkst: Na siehste, —
Er weiß nicht weiter, der Kapitaliste! — Da
hörst du von Hue, der allerhand hört, — Ein
Plänchen, das wieder die Freude dir stört: —
Daß hintenrum befingert man — den Ramsch-
verschleiß der Eisenbahn. — Und pünktlich er-
fährst du am kommenden Morgen, — Auch die
Entente hat ähnliche Sorgen, — Und interessiert
sich gleicherweise - Für deutsche Eisenbahn-
geleise. — Mit einem Worte: es ist noch —
Sagen wir mal eine G. m.b.H., — die inter-
national firmiert, — Und die, was der Witz
ist, die Schutzhand verspürt — Der Börse von
Londonund ditto Paris. — Wie faßt der deutsche
Jobber dies! - Wie faßt er so flink doch dieneue
These! —Wie merkt er den Braten, wie hebt
er die Reese! — Wie war der hhh vr. Joseph
Wirth — Für seinen Tisch ein so schlechter
Wirt! — Wie wird er im Schutze der Brüder
von drüben — So sicher sein Handwerk in Zu-
kunft ausüben! — Wie wird er die Minderbe-
gabten Deppen — In Zukunft doppelt und drei-
fach neppen! — Wie wird er international —
Auf einmal fühlen im Wuppertal!

Es blickt Meister Marx von: polit'schen Par-
naß: — Ich sah es und lehrte vor langem euch
das! — Ihr kennt die Gesetze der Konzentra-
tion, — Das Ziel der Akkumulation! — Ihr
werdet noch seltsame Dinge erleben! - Doch
einen Rat will ich euch geben:

Seht zu, daß in kapitalistischer Flut — Ihr
den Kurs nicht verliert und vor allem den
Mut! — Es geht gar geschwinde der Gang
dieser Zeit! — Drum Augen auf und sprung-
bereit! w.
 
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