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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 38.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.6706#0238
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10364

Die Konferenz in Washington

Japanische Märkte, japanische Waren,
Japanische Kletten in wachsenden Scharen,
Japanischer Orang in die Weite ohn'Hemmung -
Und australische Magst und Beklemmung!

Japanische Vle, japanische Kohle,

Japanischer Reis und japanische Wolle,
Japanische Erze, japanische Seide -
Und Kanada lies in der Kreide!

Japanischer Handel, japanischer Eifer,
Japanischer Waren stets wachsende Käufer,
Japan'sche Kanonen, japan'sche Soldaten -
Was sagen „die Staaten"?

Japanische List und japanische Kniffe,
Japanischer Witz und japanische Pfiffe,
Japanischer Bündnisse seltsames Bündel -
Und Gld England im Schwindel!

So werden sie also in Reden, in süßen,

Mal wieder den ewigen Zcieden beschließen,
Und absolut sichern werden sie diesen, -
Wie fie's Mnno 14 schon einmal bewiesen! w.

Die Allerärmsten

Von Ludwig Pratsch

Bei den drei, vier Bänken in der Anlage
hinterm neuen Schulhaus treffen sie sich täg-
lich, Die Zusammenkunft klappt an den sonnig-
warmen Tagen wie eine stille Vereinbarung,
Krank sind sie alle, unheilbar, invalid, schwind-
süchtig, und erzählen nun von gesunden Tagen
aus der Fabrikzeit oder vom Handwerkerleben,
Wo der Körper noch standhielt der Last des
Arbeiteralltags, da hat nachher der Krieg seine
Hiebe hingesetzt und die Knochen kaput ge-
schlagen.

Einer sitzt da, ein Fünfzigjähriger, Steinmetz
war er, und erzählt mit Stolz, wie er von den
Meistern hochgeschätzt war. Voriges Jahr hat
er's nochmal probiert, aber es ging nicht. Der
Leistenbruch vom Heben des Steines hielt mit
Bandage die Arbeit wohl noch ans, aber das
Kreuz ist steif wie bei einem alten Gaul, meint
er, und saugt an seinem alten Pfeifenstummel,
Sonst gibt er sich resigniert, der schneidige
Draufgänger von früher. Schmerz, Not und
Krankheit haben ihn in qualvollen Nächten
zermürbt und jetzt hat er sich mit allem ab-
gefunden, Sogar herzlich lachen wie ein ganz
Gesunder kann er wieder, und freut sich schon
drauf, wie schön gemütlich es wieder sein wird
im Winter in der Wärmestube für die Arbeits-
losen und Ausgedienten,

Neben dran sitzt ein Jüngerer, die bissige
Kritik steht ihm im Gesicht, sein Schimpfen
ivird öfter vom Husten unterbrochen. Wie elend
grad sie dran wären! Die Rente? „Ja, zwenig
zum Leben, zviel zum Sterben,,,Im Husten
erstickt sein Groll.

Der Graubart in der Mitte streicht mit sonn-
verbrannter Hand über die von Gicht geplag-
ten Beine, lächelt, wehrt ab, schaut dem andern
ins zornrote Gesicht, Soll wohl heißen: Was
hilft dein Zetern? Dreinfinden muß man sich.
Wart' nur, wirst auch noch so still wie wir
andern da,,, wart' nur. Aber er schweigt und
reckt die kranken Glieder im Sonnenglast.

Ein neuer Leidensgenosse kommt her, Untern
Banmschatten hinkt er, den Stock quer imRük-
ken und rückwärts die Arme drüber verschränkt.
Schweigend setzt er sich mit stummem Gruß,
Mit leiser, krankhaft verschleierter Stimme neigt
er sich zum Ohr des anderen nebenan. Der nickt
immerfort. Der mit dem kranken Kehlkopf steht

auf, nimmt seinen Stock wieder hinterrücks als
Gradhalter, lächelt die Bänke aufwärts und geht,

„Der hat leicht lachen. Kriegt Gehalt als
pensionierter Angestellter und sonst noch was
vom Militär her... der... ja,.," sagt einer.

Ein Arbeitsloser, rüstig, gesund, in den besten
Jahren, kommt mit schweren Schritten den Kies-
weg her und laßt sich auf die Bank plumpsen.
Mit mürrischer Miene schaut er drein und mit
halbem Ohr hört er die Schilderung eines
Kriegsinvaliden über die Strapazen von der
russischen Kriegsgefangenschaft her und von der
Flucht aus Rußland,

„Na, geh doch, für euch Veteranen ist doch
gesorgt. Da schau uns Arbeitslose an, die
Stuben voll Kinder, ein krankes Weib_"

Ein feindseliger Blick trifft den Kriegsinva-
liden, Dem steigt es siedheiß in das bleiche
Schmalgesicht, er greift wortlos nach seinen
Krücken und humpelt davon. Mitten am Weg
bleibt er stehen, dreht sich halb nach der Bank
hin und kraxelt kopfschüttelnd weiter.

„Das hättens net tun sollen, die dumme Red,
hat doch nur noch einen Haxen und ist noch
so jung, der dort,,," sagt eine tiefe Stimme
auf der Bank und zeigt nach dein Kriegskrüppel
hin. Der vierschrötige Arbeitslose ist mit einem
Ruck hoch, geht und lacht: „Servus, ihr Spital-
brüder_"

„Ist das ein Lümmel!" empört sich ein kleines,
verschrumpftes Männlein, Damit rückt er seinen
Rückenauswuchs näher ans Geländer der Bank,

Es will Mittag werden. Die Sonne brennt
tüchtig auf die Leutchen da auf den Bänken,
Ganz still sind sie nun. Schläfrig blinzelt der
eine die Sonne an, der andere unterbricht das
Schweigen, indem er seinen Kloben ausklopft
am Geländer, Alle wenden ihm die Köpfe zu.
Der Schweigsame mit dem steifen Rücken sitzt
drüben im Schatten, Kinder jagen vorüber,
treiben einen Hund vor sich her. Der bellt
wütend. Die Kinder jauchzen, jubeln, lachen.
Ein silberhelles Glockenklingen, Mittendrin
fängt einer von den Schwindsüchtigen zu husten
an, spuckt Blut aus, schüttelt den Kopf, hält die
Hand auf die Brust, schaut die andern stumm
an, steht auf und geht gebückt Heimwegs.

„Der hat bald das letztemal-gehustet, ich kenne
das," meint einer, und seine Augen leuchten
dem andern fieberhaft nach.

Nun ist es wieder ganz still da. Nur die
Sonne schmeichelt sich um die Kranken, Der
mit den dunklen Augengläsern klagt, daß nun
noch zu den kranken Augen ein halblahmes
Bein kommt. Selten kommt eben ein Unglück
allein.

Vom Krankenhaus reden sie nun und von
all den schmerzlichen Nöten dort. Alle waren
schon dort. Einer erzählt mit müder Stimme,
für ihn gäbe es auch in der Heilstätte kein
Helfen mehr,

„Wer weiß, wann uns der Nebel hinauf-
zieht, ,,," hört man sagen, „Gestern haben sie
den Max auch eingegraben, vier Jahre hat es
ihn rumgetrieben. Schwindsucht?" Die Frage
läuft um. Drauf ein trauriges Kopfnicken,

Eine schlanke junge Frau geht vorüber. Links
einen Buben, rechts ein Mädel an der Hand,
Mutter und Kinder sind bleich, blutarm. Einer
rückt den Kopf und erzählt, die bleiche junge
Frau hat ihren ersten Mann im Kriege lassen
müssen, der zweite ist sechs Wochen nach der
Hochzeit gestorben. Als einzige Erbschaft hat
er ihr die Krankheit dagelassen.

Es geht gegen Mittag, die Schule ist aus.
Kinder kommen im Trab vom Schulhaus her.
Lachen, scherzen, sind voll Übermut. Zwei alte
Weiblein gehen heimwärts, müssen Mittag-
suppe kochen. Der Alte nebenan auch. Sein
Nachbar hilft ihm von der Bank ausstehen.

Nun kommt von der Kirche her das Mittag-
läuten. Bald sind die Bänke leer. Grell schreien
die Fabrikpfeifen ins Stahlblau des Himmels
und zerreißen die Harmonie des Glockenspiels.
Der Herbstwind fährt durch Baum und Busch.
Dort glüht es in allen Farbentönen, Der letzte
Glockenton ist verklungen. Die Straßen sind still.
Die Arbeit sitzt beim Mittagessen, In der Luft
wirbeln rostfarbene Blätter ihren Totentanz.

&

In den Bahnen Kahrs

Auf der Landesversammlung der Bayerischen
Bolkspartei erklärte Graf Lerchenfeld: „Mein
Kabinett wird in den politischen Bahnen der
Regierung Kahr weiterwandeln!"

In diesern Augenblick fielen draußen mehrere
Schüsse.

Fragend wandte sich der Graf an seine Hin-
gebung,

„Es war die jubelnde Antwort, die Ew.
Exzellenz Allergetreueste zu geben sich beeilt
haben," erklärte einer der Herren, „man hat
soeben versucht, den Sozialdemokraten Auer
abzuschießen!"

Vom deutschen Gesandten in Kopenhagen

Dem deutschen Gesandten in Kopenhagen
legte der Sekretär ein Schreiben vor: „Der
Dichter Andersen Nexö bittet um Einreise-
erlaubnis, er will am Bodensee seine ange-
griffene Gesundheit wiederherstellen,"

Der Gesandte knipste die Asche von der Zi-
garre: „Andersen Nexö? Andersen? Ach, das
ist der Mann, der den standhaften Zinnsoldaten
und die andern hübschen Märchen geschrieben
hat?"

„Exzellenz entschuldigen: nein! der hieß Hans
Christian Andersen und ist 1878 gestorben. Hier
handelt es sich um Andersen Nexö, den Ver-
fasser bedeutender sozialer Romane, dem Prole-
tariat bekannt und vertraut,..."

„Um Gottes willen, was sagen Sie! Und so'n
Kerl will sich in Deutschland gesund machen?
In Deutschland darf sich höchstens die Courths-
Mahler gesund machen! Und allenfalls ich,
wenn ich mich von der geistigen Arbeit hier
in Kopenhagen erholen will! Schreiben Sie:
Abgelehnt, weil bolschewistischer Umtriebe ver-
dächtig!"

Die Konkurrenz

Man hatte gut gegessen, die Diener waren ab-
getreten und man saß bei Kaffee und Hennessy,

„Ein trauriges Los, das des flüchtigen Pa-
trioten," philosophierte Kapitän Ehrhardt.

„Eigentlich — wenn ich's recht betrachte," be-
inerkte Heinrich Tillessen, „weshalb kehren mir
eigentlich nicht nach Deutschland zurück?"

„Hab'ich ja schon immer gesagt," rief Hein-
rich Schulz aus. „Das nationale Deutschland
liegt uns zu Füßen! Ein Gerichtshof, der uns
zu verdonnern wagte, gehört zu den unvor-
stellbaren Dingen! Also, was hält uns ab?
Was sitzen wir hier?"

In diesem Augenblick kam ein Telegramm,
Tillessen überflog es. Entschlossen reckte sich
seine Heldengestalt. „Keine Redereien weiter,
Freunde! Wir fahren mit dem nächsten Zuge
nach Deutschland!"

„Was ist. . .?"

„Hier: Die SächsischL Feme rührt sich! Kenne
die Gesellschaft: schmutzigste Konkurrenz! Da,
lest: sie haben sich den Industriellen — unserer
Kundschaft! — um zehn Prozent billiger ange-
boten, und das bei erhöhten Leistungen! Auer
>var der Anfang! Los, los, Freunde! Die Kon-
kurrenz ruiniert die Preise! Wir müssen nach
Deutschland!" w.
 
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