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10659

Zur Entwicklungsgeschichte

Jeder von beiden: „Pfui Deibel, sieht der Kerl ekelhaft ans!"

Lobelspäne

Die Glorie der Faszisten
Blendete allgemach
Die bajuvarischen Christen;

Sie ahmen sie selig nach.

Man tobt und randalieret
Nach Mussolinis Brauch;

Denn, wie der schwadronieret,

Kann es der Hitler auch.

Die „Nationalsozialisten"

Erobern bald, ich wett',

Als bayrische Faszisten
Europas — Lachkabinett.

A

Lloyd George stürzte, weil ihn die Frage der Meerengen immer
„mehr in die Enge" trieb. *

Es röten sich des Bürgers Wangen,

Die blaß von tief geheimer Qual:

Gottlob, es ist vorbeigegangen
Der Kelch der Präsidentenwahl!

Die leid'ge Kandidatenfrage

Stört nun nicht mehr die Gegenwart,

Und eine neue Niederlage
Blieb „unserm" Hindenburg erspart.

Die still erwartete Blamage

Hemmt nun nicht inehr der Rede Schivung.

(Angst vor der eigenen Courage
Spürt selten die Begeisterung.)

A

Die „Schwarzhemden" der italienischen Fas zisten sollen andeuten,
daß ihre Sache — dreckig ist.

A

„Versprichst du dir was vom englischen Regierungswechsels" fragte
rnein Freund Ede. Ick sagte: „Ick würde mir mehr von amerikanischen
Wechseln versprechen." Dein getreuer Säge, Schreiner.

Abhilfe

Ein Moskauer Sowjet-Kommissar stolpert
in einer Ortschaft des Hungergebiets in abend-
licher Dunkelheit über Leichen Verhungerter.
„Scheußliche Zustände!" schnaubt der Mos-
kauer, „da muß schleunigst Abhilfe geschaffen
und die Straßenbeleuchtung verbessert
werden!" ____ H. Maro

„Goldene" Worte

„Es ist nicht alles Gold, was glänzt." Nein,
es gibt auch Banknoten, die von Dreck glänzen.

*

„Gold rostet nicht." Papier auch nicht.

A

„Morgenstunde hat Gold im Munde." Früher
mal. Jetzt hat sie die Zähne verloren.

A

„Wo Gold redet, ist andere Rede vergeb-
lich." Das sagen Sie nicht! Dollardevisen
reden auch sehr eindringlich.

A

„Um alles Gold in der Welt nicht!" Es
sollte dir bloß mal einer hinlegen!

A

„Gold, der gelbe Kot der Erden . . ." Um-
gekehrt, sagt der Landmann, ist's auch richtig.

A

„Wenn man Gold braucht, ist es so schwie-
rig, etwas zu finden." Bemühen Sie sich in
die Keller der Reichsbank!

A

„Treu wie Gold ist deine Braut." Nanu?
Ich entlobe mich auf der Stelle. . . .

A

„Das Gold ist nur Schimäre." Gott sei Dank!
'Das Sprichwort wenigstens stimmt noch. p-

Lieber Jacob!

Mir is noch janz flau von eene Bejegnung,
die ick ebent hatte. Also ick sehe durch de Wiener
Straße, un uff eenmal sehe ick meinen ollen
Freind Edeward, dem ick lange nich jenossen
hatte un von dem ick bloß wußte, bet er wejen
Vetriebseinschränkung aus seine Fabricke ent-
lassen is/ Schon von weitem strahlt er ieber
de janze Fassade, schwenkt seinen Bibi, haut
mir mit beede Vorderflossen uff de Schultern
un schreit: „Menschenskind, Jotthilf, det is mal
scheen,det wir uns treffen!" „Seit wenn denn?"
frage ick mit befremdende Kiehle, denn mir war
janich nach so wat zumute. Er kiekte mir von
de Seite an un meente: „Du jeheerst woll ooch
noch zu diejenijen, welche?" „Dieset nich in't
jeringste," entjejente ick, „aber vor Jubelteene
mangelt mir oogenblicklich de seelische Puste."
„Wat haste denn?" jriente er lauernd. „Nischt
zu fressen," brummte ick, „keene Katoffeln nich
seit zwee Wochen." „Un bet bekimmert dir?"
fragte Edeward mit sonnije Heiterkeet, „wat
helfen eenen denn de Katoffeln, wenn eener
sowieso keene Kohlen zum Kochen hat? Roh
fressen kannste ihnen doch nich!" „Un kieke mal
meine Hosen an," fuhr ick in diesterem Tone
fort, „nischt wie Flicker un Lecher! Bei die
Schneiderpreise kann ick an keene neien nich
denken." „Wenn schon," lachte Edeward,
„Schneiderpreise spielen keene Rolle nich, weil
du doch den Stoff nich bezahlen kenntest."
„Nich mal 'n Tobak kann sich eener zum Tröste
leisten," fuhr ick fort, „dausend Mark kost't
det Fund!" „Wat machste mit den billigsten
Tobak, wo et ieberhaupt keene Streichhelzer nich
mehr jibl?" rief Edeward mit schallendes Je-
lächter. „Seit wenn bist du denn so jenieg-
sani jeworden?" fragte ick erstaunt, „det war
doch frieher nich!" „Jeniegsam?" meente Ede-

ward, „ick vastehe immer jeniegsam. Nee, mein
Junge, ick bin Jott sei Dank in die Lage, det
ick mir allens leisten kann, wat ick will: ick
habe mir eenen demensprechenden Beruf er-
wählt, jroßartije Brotstelle, feinstes Publikum,
ausländesche Valutareisende un nazjonale
Beersenschieher." Un damit zeigte er mir seine
ölejante Brieftasche, die mit braune Lappen,
Dollars- un Frankennoten proppendick voll-
jestoppt war: „Is de Strecke von heite vor-
mittag. Ick arbeete täglich bloß drei Stunden,
denn mache ick Feierabend un bejebe mir uff
den heiteren Lebensjenuß." „Menschenskind,"
rief ick bejeistert, „wo arbeetste denn?" „Unter
de Linden, Ecke Passage — als Zittrer," sagte
Edeward mit kiehlen Jleichmut. „Lump!"
wollte ick ebent entjegnen, aber er unterbrach
mir: „Ick weeß, wat du sagen willst, Jotthilf,
aber ieberleje dir jefälligst: een Ajrarjer, een
Industrieller, een Valutaspekulant, die saugen
det Volk aus un sind anjesehene Stände. Ick
sauge keenen un ernähre mir nich als Schäd-
ling un behalte bei meine Beschäftijung noch
so ville Heiterkeet des Jemiets iebrig, det ick
sonne Dusselköppe wie dir Trost spenden kann
— jenau so klug un jenau so tiefemfunden
wie een christlicher Jottesmann in seine Nach-
mittagspredigt!" Damit jing er von mir. Ick
aber wurde von een Jrauen erfaßt, un die
Fraje peinigt mir seitdem: Hat det Schwein
recht oder nich?

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer. Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Richtannahme nur zurückgesandt werde», wcnn Rück-
porio beigefugt ist! Die Redaktion

Redaktionsschlub »I. Oktober 1922.
 
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