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•so jahreswencle cs*

Snst milchten wir 8ilvetterdowlen
Und sprachen von dem asten jahr.
heut friert man. Venn es kehlt an Kohlen,
Man denkt: dich lost der Teufel holen,
Vas aller jahre schlimmstes war!

Man kragt, vom kummtzr fast besiegt:
wie hat man es bloß klein gekriegt??

wir laten wohl in Kindertagen
vom Reiter übern vodenlee;

Der tat das Unerhörte wagen
Und ritt nur vorwärts, ohne Xagen,

Über der flächen Cis und Zchnee
dnd tah erst, als er drüben war.

Der überstandnen ächrecken 8char.

8o ungefähr wie diesem Kelter
erging es uns im letzten lahr,
wir zagten nicht und werkten weiter,

0b 8orge täglicher Begleiter
Und 8chmalhans Küchenmeister war.
jetzt sträubt beim Rückblick sich das haar:
Der flbgrund wird uns offenbar.

Nun löst sich aus des Lichtes vanden
Vas Licht. Die Hoffnung reicht die Hand:
Die schwerste 8orge ging zuschanden,
es scheint das 8chlimmste überstanden,
Vas Ufer naht, bald zeigt sich Land —
Und wär' nicht dieser hoffnungsschein.
Man ließ das neue jahr nicht 'rein—

Der wahre Jacob

Der olle Willem

in der Kuppelhalle des Reichstags soll abge-
baut werden. Der Ausschmückungsausschuß
weiß bloß nicht, wohin mit ihm. Setzt ihm
einen Poinearskopf auf und schiebt ihn über
die Rheingrenze. Vielleicht können wir die Re-
parationslasten mit Denkmälern tilgen.

Die Rußland Hilfe

Wir hatten die Ehre, an einer unserer
Sitzungen Professor Fridthjof Nansen, der be-
kanntlich den heroischen Versuch unternommen
hat, eine internationale Hilfsaktion für die
Hungernden Rußlands zustande zu bringen,
teilnehmen zu sehen. Nansen war verzweifelt;
sein Unternehmen, klagte er, sei als mißglückt
anzusehen, die Gleichgültigkeit der Reichen sei
erschreckend, der moralische Zusammenbruch
der europäischen Welt komplett.

In der Debatte fiel nun die Behauptung,
daß eine Besserung vielleicht zu erhoffen sei,
wenn es gelänge, den neuen Reichtum irgend-
wie geschäftlich an dem Elend zu interessieren.
Nansen erwiderte erschrocken, daß er trotz allem
nicht annehme, daß so etwas möglich sein könne.
Wennschon die Moral dieser Schicht auf einem
Niveau angelangt sei, das seinesgleichen suche,
so müsse doch noch ein Rest des Schamgefühls
übriggeblieben sein.

Diesem behaupteten Rest des Schamgefühls
galt nun eine Wette. Objekt war Adolf Mittel-
mann, ein tüchtiger Börsianer, bekannt als
Spezialist in gelegentlichen Großgeschäften.

Eine Kommission besuchte Herrn Mittelmann
nnd trug ihm im Petententon die von Nansen
mitgeteilte Tatsache vor, daß auf den städti-
schen Märkten des russischen Hungergebiets
ein Handel mit eingesalzenem Menschenfleisch
getrieben werde.

„Scheußlich!" sagte Herr Mittelmann und
rührte sich nicht.

Einer von uns, getroffener Abrede gemäß,
bemerkte nun: „An sich ist natürlich der Ge-
nuß von Menscheufleisch gleich zu achten dem
Genuß irgendeines anderen Fleisches, es hat
Nährwert wie jedes andere Fleisch und ist im
Geschnmck nicht schlecht."

M

Glückliches Pech

„Wenn ich das Bild meiner verflossenen Braut des
Abends sehe, kann ich vor lauter Freude über
ihre Untreue gar nicht einschlasen."

Im Tran

„Die Silvesternacht hast du also feuchtfröhlich
verlebt?"

„Und ob! So bezecht war ich, daß ich sogar
meine Frau geküßt habe."

„Det sage ich dir, Bengel, wenn du dir den Hals
brichst, kriegst du noch Schläge obendrein."

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MANNHEIM

t i /TU*

„Sie nehmen mir eine Last von der Seele,"
sagte Mittelmann mit einem Seufzer der Er-
leichterung.

„Die Abneigung gegen den Genuß von Men-
schenfleisch", fuhr unser Mitglied fort, „gründet
sich auf reine Vorurteile. Es ist wie mit dem
Pferdefleisch . .

„Natürlich, natürlich," sagte Mittelmann,
„reine Gewohnheitssache!"

„Ganz recht. Der Konsum von Menschen-
fleisch in den russischen Hungerdistrikten ist also
nicht die eigentliche Ursache unseres Erschei-
nens vor Ihnen, Herr Mittelmann. Was uns
zu Ihnen führt, ist die Vermutung, daß wahr-
scheinlich in der Organisation des Handels
irgend etwas nicht klappt. Sie wissen, die
Russen sind schlechte Organisatoren . . ."

„Die reinen Schauten," sagte Mittelmann
mit Inbrunst.

Wir schwiegen nunmehr bedeutungsvoll.
Dann sagten wir: „Hilfe tut dringend not,
Herr Mittelmann. Die armen, unschuldigen
Kinder. . ."

„Hilfe tut dringend not," sagte Herr Mittel-
mann, und seine Stimme bebte leise, „die armen
Kleinen..."

Darauf wir: „Wie wäre es, Herr Mittel-
mann, wenn Sie, dessen organisatorisches Genie
bekannt ist, helfend eingreifen würden?"

„Gern," sagte Adolf Mittelmann darauf
schnell, „aber gern, meine Herren! Wie nun
aber sieht die finanzielle Seite der Angelegen-
heit aus? Wir müssen das besprechen, meine
Herren. Mit dem reinen Gefühl, nicht wahr,
ist ja noch nichts getan! Sagen Sie: wie hoch
ungefähr ist das Warenangebot? Sind die
Leute prompte Zahler? Läßt sich erwarten,
daß die Konjunktur, die Hungersnot meine
ich, anhält, so daß, wenn man sich rührt, die
Betriebsunkosten sichergestellt sind? Js doch
immerhin 'n riesiger Apparat erforderlich! Und
wie ist es mit meiner Provision? Sie ver-
stehen, meine Herren, man muß von kauf-
männischen Gesichtspnnkten ... mit dem reinen
Gefühl, nicht wahr ..."

Wir hatten unsere Wette gewonnen. Das
Stenogramm der Unterhaltung ist Professor
Nansen zugestellt worden. w.
 
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