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Stelle sein. Die 25 alarmierten Feuerwachen,
die 75 Sanitätswagen und die 35 Gefangen-
wagen konnten jedoch begreiflicherweise nicht
gleichzeitig vor dem Hause anfahren, aus dessen
Fenstern ein immer betäubenderes Geheul ihnen
entgegentobte. Dies befeuerte den ohnedies nicht
mangelhaften Diensteifer aller Beamten um so
mehr. Abgesehen von der Polizei, die infolge
des Andranges nicht herantreten konnte, be-
gann ein edler Wettlauf des Pflichtgefühls unter
den übrigen. Die Feuerwehrleute, die Gefangen-
wärter und die Sanitäter wollten alle als erste
zur Unfallstelle sein, da schleunigste Hilfeleistung
offensichtlich geboten schien.
Es kam zu einer scharfen Auseinandersetzung
zwischen denVertretern der verschiedenenHilfs-
mannschaften, in deren Verlauf die Feuerwehr-
leute ihre Spritzen gegen die Sanitäts- und
Gefangenwagenburgen richteten. Ein ausge-
dehnter Stadtteil lieferte hierzu die notwen-
digen Wassermengen. 600 Hydranten spieen
unter höchstem Druck sintflutartige Wogen und
Wellen. Im Nu waren sämtliche Sanitäts- und
Gefangenwagcn fortgeschwemmt. Die Feuer-
wehrleute hatten Anker geworfen und von hohen
Leitern aus den Kampf geführt. Nachdem ihnen
auf diese Weise die Bahn für ihre Tätigkeit
frei geworden war, richteten sie die Schläuche
gegen das Haus, in dem ich mich mit der Ge-
sellschaft befand.
Das eindringende Wasser wirkte lösend auf
die inzwischen festgeklebten Kavaliere. Sie er-
innerten sich wieder der Pflicht, den gebrochenen
Hausfrieden zu ahnden, um mit Punschgips-
lehm nach mir zu schmeißen. Ich wusch mich
jedesmal, wenn ich getroffen worden war, mit
dem von der Feuerwehr gespendeten Wasser
wieder rein und rauchte kaltblütig meine Ziga-
rette weiter.
Meine Feinde mußten aber, solange ich ihnen
den Rücken kehrte, irgendwo einen Hausknecht
von wahrlich riesenhaften körperlichen Aus-
maßen aufgefunden und zur Beihilfe heran-
gezogen haben, denn ich empfing plötzlich einen
solch urgewaltigen Schlag ins Gesäß, daß ich
wie ein mit einem Bogen abgeschossener Pfeil
aus dem Saal durchs Fenster ins Freie flog.
Bedenkt man dabei noch, daß wir im sechsten
Stockwerk des Turmpalastes jenes Protzen ver-
sainmelt waren, so begreift man am besten
den Eindruck der Gefühle, der mich beschlich.
Ich empfahl schnell meine Seele den Göttern
aller Glaubensbekenntnisse — um den richtigen
und alleinseligmachenden nicht fahrlässig zu
übergehen — und fuhr schon, demGravitations-
gesetz der Erdschwere gehorchend, abwärts.
Da geschah das Wunder! Das Silvester-
wunder!
Die außerordentliche Kälte, die — kurz vor
Mitternacht — eben einsetzte, ließ die Wasser-
strahlen der Feuerwehrspritzen in der Luft zu
dicken Eisstangen gefrieren. Ich ergriff beim
Sturz einen dieser gefrorenen Wasserstrahlen,
die wie ein Wald phantastischer Eisbaum-
stämme sich ausnahmen, und kam dabei gerade
auf die Stelle zu sitzen, wo der ursprüngliche
Wasserstrahl die Kurve nach der Hauswand
machte. Hier verharrte ich um Atem zu schöp-
fen, als mein Freund August von dem glück-
lichen Einfall gesegnet wurde, das letzte Glas
Punsch, das der allgemeinen Verheerung ent-
gangen war, mir auf meinen kühl luftigen Sitz
herüber zu reichen. Und da zu gleicher Zeit
von den Glockentürmen der Stadt das neue
Jahr eingeläutet zu werden begann, rief ich,
wobei ich das gefüllte Glas hochschwang, aus
Leibeskräften fröhlich: „Prost Neujahr!"
Als mich die Feuerwehrleute auf dem mut-
maßlichen Wasserstrahl sitzen sahen, ergriff
sie namenlose Bestürzung. Sie kniffen mit
Schwimmgürteln und Schlittschuhen aus. Kein
Kommando und keine Drohung beirrte sie
darin. Unisonst schrien sich die Feuerwehrhaupt-
leute und -leutnante die Zungen sußelig, man
hörte nur das knarrende Eis und, wo die Flut
noch nicht ganz zugefroren war, das Plät-
schern der rudernden Schwimmgürtel.
Als ich die Situation sich so günstig für
mich verändern sah, wagte ich mich etwas
herunter. Ich glitt vorerst in bestimmten Ab-
ständen an der Eisstange langsam abwärts
unb hielt immer wieder, meinen Abstieg unter-
brechend, sorgfältig Ilmschau, welche moralische
Wirkung mein Näherkommen auf die unent-
wegten Chargen ausübe. Sie starrten mich nur
höchst benommen an, ohne um Schritteslänge
zurückzuweichen. (Solche Leute haben noch Dis-
ziplin im Leibe!) Ich sah ein, daß nur eine
List ihre Aufmerksamkeit von mir ablenken
könne.
„Schnell, schnell einen Sanitätswagen," schrie
ich und rutschte vollends so weit, daß ich mich
kurz v.or der Spitze einer Leiter befand, „ich
bin verletzt!" Automatisch geriet der Apparat
ihres berufsmäßigen Heroismus in die von
mir gewiesene Richtung. Ohne Schwinnngürtel
und ohne Schlittschuhe! Ehre dem Andenken
dieser Tapferen! Bis ich die Leiter mit meinen
Füßen erreichen konnte, kämpsten sie sich schon
durch die wütenden Elemente des Eises und
der Wasser, die immer noch von der Massen-
flucht der Mannschaft her in ungestümer Be-
wegung waren.
Rasch stieg ich vollends zu Boden und rief
meinem Freunde August ermunternd zu, mir
aus demselben Wege zu folgen.
Das tat er auch, so daß wir uns bald die
Hände beglückwünschend schütteln konnten.
Hierauf verwendeten wir eine Feuerwehrleiter
als Eisbrecher, schwammen mit ihr in die
Stadt und begaben uns zur nächsten Tele-
phonzelle.
Hier riefen wir der gesamten Protzengesell-
schaft ein herzliches „Prosit Neujahr!" z>i.
Eine Antwort bekamen wir bis heute nicht—
Schwarzhemden
„Nee, Artur, bitte' kcene Beleidijung! Del is keen
Dreck aus Hemde, det kommt von
meinen Faschismus."
1923
Neunzehnhundertdreiundzwanzig,
Kinder, vor Vergnügen tanz ich.
Stresemichel musiziert.
Aus den Beinen fliegt der Knoten.
Lei, wir schwenken uns nach Noten,
Die Lerr Cuno redigiert.
Ja, du galoppierst und trabst
Nicht mehr schiebend, nur geschoben:
Aller Segen kommt von oben.
Dös glaabst!
Neunzehnhundertdreiundzwanzig
Mindert nicht mehr die Substanz sich.
Leiter, schwungvoll, kühn und stark
Auf der Börsenhimmelsleiter
Weiter, weiter, immer weiter
Klettert aufwärts unsre Mark.
Lerrlich lebst du, wie der Papst,
Weil die Wucherer sich kränkten
!lnd sich endlich selber henkten —
Dös glaabst!
Neunzehnhundertdreiundzwanzig
Zeigt die Welt in neuem Glanz sich;
Denn auch Lerr Poincarö
Raffelt nicht mehr mit dem Schnabel,
Und der Flinte und dem Sabel
Sagt er reuevoll ade.
Daß du dich am Frieden labst,
Lilft er Deutschland auf die Beine.
Abgerüstet wird am Rheine...
Dös glaabst! p.
Patriotische Gemütsathleten
Monarchisten sprechen über den Untergang
der Osterinsel, wohin man bekanntlich seiner-
zeit den Exkaiser Wilhelm verbannen wollte.
„Wäre das nur geschehen," sagt einer der
„Patrioten", „dann wäre Wilhelms Wieder-
verheiratung wahrscheinlich nicht zustande ge-
kommen." ___
Eine Neuigkeit
Wucherer: „Nicht schlecht, da lese ich eben
eine große Neuigkeit: Wir sollen in Deutsch-
land auch eine Regierung haben!"
Lieber Jacob!
Eine evangelische Kirchengemeinde wollte in
der Schloßkirche ein kirchliches Orgelkonzert
geben zur Erbauung ihrer Mitglieder und bei
gänzlich freiem Eintritt. Das Bürgermeisteramt,
dem man die Veranstaltung anzeigen mußte,
bestand darauf, das Konzert sei als Lustbarkeit
anzusehen und unterliege der Vergnügungs-'
steuer.
Das Geld für diese Steuer hätte nun die
Kirchengemeinde aus eigener Tasche aufbringen
müssen. Ein Kenner der Verhältnisse machte
aber den Vorschlag, zu Beginn des Konzertes
einfach den Prediger Modersohn eine kurze
Predigt über einen Bibeltext halten zu lassen,
so daß das Ganze den Anstrich einer gottes-
dienstlichen Handlung bekäme.
So wurde es denn auch ins Werk gesetzt.
Dem Bürgermeister wurde von der stattfinden-
den Predigt Kenntnis gegeben. Er ärgerte sich
über den Schlich, konnte aber nichts machen,
und nun kam folgendes Schreiben vom Bürger-
meisteramt an die Kirchengemeinde zurück:
„Der Standpunkt, daß das Orgelkonzert der
Vergnügungssteuer unterliegen müsse, wird
diesseits nicht mehr aufrechterhalten: wenn der
Geistliche Modersohn tatsächlich die Veranstal-
tung mit einer Predigt eingeleitet hat, kann
die Veranstaltung für die Teilnehmer nicht
als ein Vergnügen angesehen werden." f. u.
Stelle sein. Die 25 alarmierten Feuerwachen,
die 75 Sanitätswagen und die 35 Gefangen-
wagen konnten jedoch begreiflicherweise nicht
gleichzeitig vor dem Hause anfahren, aus dessen
Fenstern ein immer betäubenderes Geheul ihnen
entgegentobte. Dies befeuerte den ohnedies nicht
mangelhaften Diensteifer aller Beamten um so
mehr. Abgesehen von der Polizei, die infolge
des Andranges nicht herantreten konnte, be-
gann ein edler Wettlauf des Pflichtgefühls unter
den übrigen. Die Feuerwehrleute, die Gefangen-
wärter und die Sanitäter wollten alle als erste
zur Unfallstelle sein, da schleunigste Hilfeleistung
offensichtlich geboten schien.
Es kam zu einer scharfen Auseinandersetzung
zwischen denVertretern der verschiedenenHilfs-
mannschaften, in deren Verlauf die Feuerwehr-
leute ihre Spritzen gegen die Sanitäts- und
Gefangenwagenburgen richteten. Ein ausge-
dehnter Stadtteil lieferte hierzu die notwen-
digen Wassermengen. 600 Hydranten spieen
unter höchstem Druck sintflutartige Wogen und
Wellen. Im Nu waren sämtliche Sanitäts- und
Gefangenwagcn fortgeschwemmt. Die Feuer-
wehrleute hatten Anker geworfen und von hohen
Leitern aus den Kampf geführt. Nachdem ihnen
auf diese Weise die Bahn für ihre Tätigkeit
frei geworden war, richteten sie die Schläuche
gegen das Haus, in dem ich mich mit der Ge-
sellschaft befand.
Das eindringende Wasser wirkte lösend auf
die inzwischen festgeklebten Kavaliere. Sie er-
innerten sich wieder der Pflicht, den gebrochenen
Hausfrieden zu ahnden, um mit Punschgips-
lehm nach mir zu schmeißen. Ich wusch mich
jedesmal, wenn ich getroffen worden war, mit
dem von der Feuerwehr gespendeten Wasser
wieder rein und rauchte kaltblütig meine Ziga-
rette weiter.
Meine Feinde mußten aber, solange ich ihnen
den Rücken kehrte, irgendwo einen Hausknecht
von wahrlich riesenhaften körperlichen Aus-
maßen aufgefunden und zur Beihilfe heran-
gezogen haben, denn ich empfing plötzlich einen
solch urgewaltigen Schlag ins Gesäß, daß ich
wie ein mit einem Bogen abgeschossener Pfeil
aus dem Saal durchs Fenster ins Freie flog.
Bedenkt man dabei noch, daß wir im sechsten
Stockwerk des Turmpalastes jenes Protzen ver-
sainmelt waren, so begreift man am besten
den Eindruck der Gefühle, der mich beschlich.
Ich empfahl schnell meine Seele den Göttern
aller Glaubensbekenntnisse — um den richtigen
und alleinseligmachenden nicht fahrlässig zu
übergehen — und fuhr schon, demGravitations-
gesetz der Erdschwere gehorchend, abwärts.
Da geschah das Wunder! Das Silvester-
wunder!
Die außerordentliche Kälte, die — kurz vor
Mitternacht — eben einsetzte, ließ die Wasser-
strahlen der Feuerwehrspritzen in der Luft zu
dicken Eisstangen gefrieren. Ich ergriff beim
Sturz einen dieser gefrorenen Wasserstrahlen,
die wie ein Wald phantastischer Eisbaum-
stämme sich ausnahmen, und kam dabei gerade
auf die Stelle zu sitzen, wo der ursprüngliche
Wasserstrahl die Kurve nach der Hauswand
machte. Hier verharrte ich um Atem zu schöp-
fen, als mein Freund August von dem glück-
lichen Einfall gesegnet wurde, das letzte Glas
Punsch, das der allgemeinen Verheerung ent-
gangen war, mir auf meinen kühl luftigen Sitz
herüber zu reichen. Und da zu gleicher Zeit
von den Glockentürmen der Stadt das neue
Jahr eingeläutet zu werden begann, rief ich,
wobei ich das gefüllte Glas hochschwang, aus
Leibeskräften fröhlich: „Prost Neujahr!"
Als mich die Feuerwehrleute auf dem mut-
maßlichen Wasserstrahl sitzen sahen, ergriff
sie namenlose Bestürzung. Sie kniffen mit
Schwimmgürteln und Schlittschuhen aus. Kein
Kommando und keine Drohung beirrte sie
darin. Unisonst schrien sich die Feuerwehrhaupt-
leute und -leutnante die Zungen sußelig, man
hörte nur das knarrende Eis und, wo die Flut
noch nicht ganz zugefroren war, das Plät-
schern der rudernden Schwimmgürtel.
Als ich die Situation sich so günstig für
mich verändern sah, wagte ich mich etwas
herunter. Ich glitt vorerst in bestimmten Ab-
ständen an der Eisstange langsam abwärts
unb hielt immer wieder, meinen Abstieg unter-
brechend, sorgfältig Ilmschau, welche moralische
Wirkung mein Näherkommen auf die unent-
wegten Chargen ausübe. Sie starrten mich nur
höchst benommen an, ohne um Schritteslänge
zurückzuweichen. (Solche Leute haben noch Dis-
ziplin im Leibe!) Ich sah ein, daß nur eine
List ihre Aufmerksamkeit von mir ablenken
könne.
„Schnell, schnell einen Sanitätswagen," schrie
ich und rutschte vollends so weit, daß ich mich
kurz v.or der Spitze einer Leiter befand, „ich
bin verletzt!" Automatisch geriet der Apparat
ihres berufsmäßigen Heroismus in die von
mir gewiesene Richtung. Ohne Schwinnngürtel
und ohne Schlittschuhe! Ehre dem Andenken
dieser Tapferen! Bis ich die Leiter mit meinen
Füßen erreichen konnte, kämpsten sie sich schon
durch die wütenden Elemente des Eises und
der Wasser, die immer noch von der Massen-
flucht der Mannschaft her in ungestümer Be-
wegung waren.
Rasch stieg ich vollends zu Boden und rief
meinem Freunde August ermunternd zu, mir
aus demselben Wege zu folgen.
Das tat er auch, so daß wir uns bald die
Hände beglückwünschend schütteln konnten.
Hierauf verwendeten wir eine Feuerwehrleiter
als Eisbrecher, schwammen mit ihr in die
Stadt und begaben uns zur nächsten Tele-
phonzelle.
Hier riefen wir der gesamten Protzengesell-
schaft ein herzliches „Prosit Neujahr!" z>i.
Eine Antwort bekamen wir bis heute nicht—
Schwarzhemden
„Nee, Artur, bitte' kcene Beleidijung! Del is keen
Dreck aus Hemde, det kommt von
meinen Faschismus."
1923
Neunzehnhundertdreiundzwanzig,
Kinder, vor Vergnügen tanz ich.
Stresemichel musiziert.
Aus den Beinen fliegt der Knoten.
Lei, wir schwenken uns nach Noten,
Die Lerr Cuno redigiert.
Ja, du galoppierst und trabst
Nicht mehr schiebend, nur geschoben:
Aller Segen kommt von oben.
Dös glaabst!
Neunzehnhundertdreiundzwanzig
Mindert nicht mehr die Substanz sich.
Leiter, schwungvoll, kühn und stark
Auf der Börsenhimmelsleiter
Weiter, weiter, immer weiter
Klettert aufwärts unsre Mark.
Lerrlich lebst du, wie der Papst,
Weil die Wucherer sich kränkten
!lnd sich endlich selber henkten —
Dös glaabst!
Neunzehnhundertdreiundzwanzig
Zeigt die Welt in neuem Glanz sich;
Denn auch Lerr Poincarö
Raffelt nicht mehr mit dem Schnabel,
Und der Flinte und dem Sabel
Sagt er reuevoll ade.
Daß du dich am Frieden labst,
Lilft er Deutschland auf die Beine.
Abgerüstet wird am Rheine...
Dös glaabst! p.
Patriotische Gemütsathleten
Monarchisten sprechen über den Untergang
der Osterinsel, wohin man bekanntlich seiner-
zeit den Exkaiser Wilhelm verbannen wollte.
„Wäre das nur geschehen," sagt einer der
„Patrioten", „dann wäre Wilhelms Wieder-
verheiratung wahrscheinlich nicht zustande ge-
kommen." ___
Eine Neuigkeit
Wucherer: „Nicht schlecht, da lese ich eben
eine große Neuigkeit: Wir sollen in Deutsch-
land auch eine Regierung haben!"
Lieber Jacob!
Eine evangelische Kirchengemeinde wollte in
der Schloßkirche ein kirchliches Orgelkonzert
geben zur Erbauung ihrer Mitglieder und bei
gänzlich freiem Eintritt. Das Bürgermeisteramt,
dem man die Veranstaltung anzeigen mußte,
bestand darauf, das Konzert sei als Lustbarkeit
anzusehen und unterliege der Vergnügungs-'
steuer.
Das Geld für diese Steuer hätte nun die
Kirchengemeinde aus eigener Tasche aufbringen
müssen. Ein Kenner der Verhältnisse machte
aber den Vorschlag, zu Beginn des Konzertes
einfach den Prediger Modersohn eine kurze
Predigt über einen Bibeltext halten zu lassen,
so daß das Ganze den Anstrich einer gottes-
dienstlichen Handlung bekäme.
So wurde es denn auch ins Werk gesetzt.
Dem Bürgermeister wurde von der stattfinden-
den Predigt Kenntnis gegeben. Er ärgerte sich
über den Schlich, konnte aber nichts machen,
und nun kam folgendes Schreiben vom Bürger-
meisteramt an die Kirchengemeinde zurück:
„Der Standpunkt, daß das Orgelkonzert der
Vergnügungssteuer unterliegen müsse, wird
diesseits nicht mehr aufrechterhalten: wenn der
Geistliche Modersohn tatsächlich die Veranstal-
tung mit einer Predigt eingeleitet hat, kann
die Veranstaltung für die Teilnehmer nicht
als ein Vergnügen angesehen werden." f. u.