Bauernregeln für 1923
Mein LauswirL
Das Lied „Ich bin so gern, so gern daheim"
sang man einstmals mit besonderem Behagen.
Heute klingt es meinem Herzen weniger wohl,
denn durch die Fensterscheiben pfeift der Wind,
von den Decken bröckelt der Kalk und mit den
Ofen ist es schon lange arg bestellt. Alle Vor-
stellungen beim Hauswirt blieben indes bis-
her erfolglos. Er selbst hat sich freilich gut
eingewintert und fristet in seinen: „Jungge-
sellenheim" ein wohliges Dasein. Bei einer
Mieterversammlung erfuhr ich, daß es allen
Hausbewohnern nicht besser erging wie mir:
der Hausgewaltige war auch zu der allernot-
wendigsten Reparatur nicht zu bewegen. Zu
meinem Schreck wählte man mich in den Mie-
terrat. Bereits am nächsten Morgen wurde mit
dem Hauswirt in aller Form verhandelt. Er
zeigte sich diesmal etwas zugänglicher, doch erst
am Mittag wollte er seine Anordnungen treffen.
Mittags aber war unser Hauswirt nicht zu
Hause. So ging das acht Tage lang, weshalb
ich nunmehr alle Hausbewohner beauftragte,
auf ihn zu fahnden und ihn gegebenenfalls
mit Gewalt festzuhalten, bis der Mieterrat zur
Stelle sei. Mein Hauswirt aber blieb ver-
schwunden. Nach vierzehn Tagen entdeckten
wir plötzlich einen Zettel an der Tür seiner
Parterrewohnung mit der Aufschrift: „Bin
verreist!" Merkwürdig! Wer läßt heutzutage
seine Wohnung wochenlang ohne Aufsicht?
Mein Hauswirt ist eben ein Prachtexemplar.
Er lebt, ohne zu arbeiten, und nun ist er zur
Abwechslung verreist. Er kann's sich leisten! —
Neulich nachts wollte es der Zufall, daß
ich zur Mitternachtsstunde heimkam. Da sah
ich bereits von weiten: Licht in der Wohnung
meines Hauswirtes. „Ei schau," sagte ich mir,
„der Herr ist endlich von seiner Reise zurück-
gekehrt." Sogleich teilte ich die erfreuliche An-
kunft des so sehnsüchtig Erwarteten meiner
Ehehälfte mit, die diese Nachricht aufnahm,
als handelte es sich un: einen nahen Ver-
wandten aus Amerika.
An: nächsten Morgen ging es sofort zu dem
Ausreißer. Aber o Schreck, der Zettel klebte
noch an derselben Stelle, und auf das Klin-
geln wurde absolut nicht reagiert. Mittags,
abends, die nächsten Tage, immer klebte der
Zettel, doch von: Hauswirt keine Spur.
Vor kurzem nun hatte ich verwandtschaft-
lichen Besuch, den ich um die zwölfte Stunde
hinunter begleitete. Da entdeckte ich zu mei-
nem Schrecken, daß die Stube des Hauswirts
wiederum hell erleuchtet war. Ich ließ die
ganze Verwandtschaft warten und retirierte
leis in den Hausflur. Richtig, der Zettel saß
noch. Also ohne Zweifel: Einbrecher!
Sogleich klingelte ich einige Hausbewohner
wach, ließ mit kriminalistischer Geschwindigkeit
das Haus umstellen und holte den nächsten
Nachtschutzmann. Der setzte zuvor seine Pfeife
inBewegung, worauf noch einige wachthabende
Kollegen von ihm hinzueilten, und dann flog
ich :nit zwei Beamten vor die Tür des Haus-
wirts. Die übrigen Beamten postierten sich ge-
wissenhaft unter die Parterrefenster, so daß ein
Entrinnen der Verbrecher ausgeschlossen war.
Ein Schlosser, der in der ersten Etage wohnte,
war bereits mit einem Brecheisen zur Stelle.
Dann klingelten wir. Noch rührte sich nichts.
Als wir jedoch die Klingel energischer ertönen
ließen, öffnete sich vorsichtig die Tür. Die Be-
amten wollten schon zugreifen, als ich zu ni ei-
nem Schreck — den Hauswirt erblickte. Was
blieb mir nun weiter übrig, als die ganze
Sachlage aufzuklären und Beamte und Haus-
wirt um Verzeihung zu bitten. Schimpfend
gingen die Beamten von dannen.
Am nächsten Tage ging es wieder energisch
zum Hauswirt. Doch er war wieder verreist,
und er ist es bis heute. Der Zettel sitzt noch
an der alten Stelle und ist mit allerlei Rand-
bemerkungen versehen. (Ich will sie lieber nicht
wiedergeben.)
Jetzt weist man, daß sich der scheue Mann
irgendwo ein möbliertes Zimmer gemietet hat
und gelegentlich nachts nach seiner Wohnung
schaut, um sich dann aus den: schnellsten Wege
wieder zu verflüchten.
llnsere Ungeduld ist inzwischen auf das äu-
ßerste gestiegen. Seit drei Tagen hat je ein
Hausbewohner Nachtwache ... Willy Bünger.
Großer Vorsatz
Intimus: „Hast du für das neue Jahr-
große Pläne und Vorsätze?"
Schieber: „Ja, ich will mir in: Laufe des
neuen Jahres das Fressen mit dem Messer
abgewöhnen!"
Erschwerte Arbeit
Gardekavallerieleutnant a. D. Baron von W.
ist infolge seiner nicht glänzenden Vermögens-
Verhältnisse genötigt, in einem kaufmännischen
Bureau zu arbeiten. Ob diese Arbeit ihm sehr-
schwer falle? wird er gefragt. „Furchtbar-
schwer," seufzt der ehemalige Gardekavallerist.
„Kann im Kontor ja kein Monokel tragen!"
Anker Junkern
„Viel Glück zun: neuen Jahre, und daß uns
1923 bald einen Butterpreis von 6000 Mark
bringen möge!"
Gibi's in: Januar Eis und Schnee,
Gehen die Preise in die Höh.
Fällt das Quecksilber im Februar,
Steigen die Preise wunderbar.
Es naht der Lenz, es wächst im März:
Die Preise wachsen allerwärks.
April, so wechselvoll, wollt ihr nicht loben?
Warum? Auch diePreisewechseln—nach oben.
2m Wonnemonat Mai die Knospen springen,
Und die Preise springen vor allen Dingen.
Der Juni ist die Rosenzeik:
Die Preise blühen weit und breit.
Der Juli Ferien uns verspricht:
Der Preis macht keine Ferien nicht.
2m August fallen Sternschnuppen groß und
klein:
Den Preisen fällt das gar nicht ein.
Der September bringt uns den welkenden
Herbst:
Aber die Preise grünen, bis du sterbst.
Datz die Nebel steigen, ist des Oktobers Brauch,
Preis ist zwar kein Nebel, doch er steigt auch.
2m November steigt der Wettersturm:
Fröhlich pfeift auch der Preis vom Turm.
Der Dezember bringt uns das Christfest, wie
sich's gehört.
Das uns höhere Preise endlich wieder beschert.
p-
Mein LauswirL
Das Lied „Ich bin so gern, so gern daheim"
sang man einstmals mit besonderem Behagen.
Heute klingt es meinem Herzen weniger wohl,
denn durch die Fensterscheiben pfeift der Wind,
von den Decken bröckelt der Kalk und mit den
Ofen ist es schon lange arg bestellt. Alle Vor-
stellungen beim Hauswirt blieben indes bis-
her erfolglos. Er selbst hat sich freilich gut
eingewintert und fristet in seinen: „Jungge-
sellenheim" ein wohliges Dasein. Bei einer
Mieterversammlung erfuhr ich, daß es allen
Hausbewohnern nicht besser erging wie mir:
der Hausgewaltige war auch zu der allernot-
wendigsten Reparatur nicht zu bewegen. Zu
meinem Schreck wählte man mich in den Mie-
terrat. Bereits am nächsten Morgen wurde mit
dem Hauswirt in aller Form verhandelt. Er
zeigte sich diesmal etwas zugänglicher, doch erst
am Mittag wollte er seine Anordnungen treffen.
Mittags aber war unser Hauswirt nicht zu
Hause. So ging das acht Tage lang, weshalb
ich nunmehr alle Hausbewohner beauftragte,
auf ihn zu fahnden und ihn gegebenenfalls
mit Gewalt festzuhalten, bis der Mieterrat zur
Stelle sei. Mein Hauswirt aber blieb ver-
schwunden. Nach vierzehn Tagen entdeckten
wir plötzlich einen Zettel an der Tür seiner
Parterrewohnung mit der Aufschrift: „Bin
verreist!" Merkwürdig! Wer läßt heutzutage
seine Wohnung wochenlang ohne Aufsicht?
Mein Hauswirt ist eben ein Prachtexemplar.
Er lebt, ohne zu arbeiten, und nun ist er zur
Abwechslung verreist. Er kann's sich leisten! —
Neulich nachts wollte es der Zufall, daß
ich zur Mitternachtsstunde heimkam. Da sah
ich bereits von weiten: Licht in der Wohnung
meines Hauswirtes. „Ei schau," sagte ich mir,
„der Herr ist endlich von seiner Reise zurück-
gekehrt." Sogleich teilte ich die erfreuliche An-
kunft des so sehnsüchtig Erwarteten meiner
Ehehälfte mit, die diese Nachricht aufnahm,
als handelte es sich un: einen nahen Ver-
wandten aus Amerika.
An: nächsten Morgen ging es sofort zu dem
Ausreißer. Aber o Schreck, der Zettel klebte
noch an derselben Stelle, und auf das Klin-
geln wurde absolut nicht reagiert. Mittags,
abends, die nächsten Tage, immer klebte der
Zettel, doch von: Hauswirt keine Spur.
Vor kurzem nun hatte ich verwandtschaft-
lichen Besuch, den ich um die zwölfte Stunde
hinunter begleitete. Da entdeckte ich zu mei-
nem Schrecken, daß die Stube des Hauswirts
wiederum hell erleuchtet war. Ich ließ die
ganze Verwandtschaft warten und retirierte
leis in den Hausflur. Richtig, der Zettel saß
noch. Also ohne Zweifel: Einbrecher!
Sogleich klingelte ich einige Hausbewohner
wach, ließ mit kriminalistischer Geschwindigkeit
das Haus umstellen und holte den nächsten
Nachtschutzmann. Der setzte zuvor seine Pfeife
inBewegung, worauf noch einige wachthabende
Kollegen von ihm hinzueilten, und dann flog
ich :nit zwei Beamten vor die Tür des Haus-
wirts. Die übrigen Beamten postierten sich ge-
wissenhaft unter die Parterrefenster, so daß ein
Entrinnen der Verbrecher ausgeschlossen war.
Ein Schlosser, der in der ersten Etage wohnte,
war bereits mit einem Brecheisen zur Stelle.
Dann klingelten wir. Noch rührte sich nichts.
Als wir jedoch die Klingel energischer ertönen
ließen, öffnete sich vorsichtig die Tür. Die Be-
amten wollten schon zugreifen, als ich zu ni ei-
nem Schreck — den Hauswirt erblickte. Was
blieb mir nun weiter übrig, als die ganze
Sachlage aufzuklären und Beamte und Haus-
wirt um Verzeihung zu bitten. Schimpfend
gingen die Beamten von dannen.
Am nächsten Tage ging es wieder energisch
zum Hauswirt. Doch er war wieder verreist,
und er ist es bis heute. Der Zettel sitzt noch
an der alten Stelle und ist mit allerlei Rand-
bemerkungen versehen. (Ich will sie lieber nicht
wiedergeben.)
Jetzt weist man, daß sich der scheue Mann
irgendwo ein möbliertes Zimmer gemietet hat
und gelegentlich nachts nach seiner Wohnung
schaut, um sich dann aus den: schnellsten Wege
wieder zu verflüchten.
llnsere Ungeduld ist inzwischen auf das äu-
ßerste gestiegen. Seit drei Tagen hat je ein
Hausbewohner Nachtwache ... Willy Bünger.
Großer Vorsatz
Intimus: „Hast du für das neue Jahr-
große Pläne und Vorsätze?"
Schieber: „Ja, ich will mir in: Laufe des
neuen Jahres das Fressen mit dem Messer
abgewöhnen!"
Erschwerte Arbeit
Gardekavallerieleutnant a. D. Baron von W.
ist infolge seiner nicht glänzenden Vermögens-
Verhältnisse genötigt, in einem kaufmännischen
Bureau zu arbeiten. Ob diese Arbeit ihm sehr-
schwer falle? wird er gefragt. „Furchtbar-
schwer," seufzt der ehemalige Gardekavallerist.
„Kann im Kontor ja kein Monokel tragen!"
Anker Junkern
„Viel Glück zun: neuen Jahre, und daß uns
1923 bald einen Butterpreis von 6000 Mark
bringen möge!"
Gibi's in: Januar Eis und Schnee,
Gehen die Preise in die Höh.
Fällt das Quecksilber im Februar,
Steigen die Preise wunderbar.
Es naht der Lenz, es wächst im März:
Die Preise wachsen allerwärks.
April, so wechselvoll, wollt ihr nicht loben?
Warum? Auch diePreisewechseln—nach oben.
2m Wonnemonat Mai die Knospen springen,
Und die Preise springen vor allen Dingen.
Der Juni ist die Rosenzeik:
Die Preise blühen weit und breit.
Der Juli Ferien uns verspricht:
Der Preis macht keine Ferien nicht.
2m August fallen Sternschnuppen groß und
klein:
Den Preisen fällt das gar nicht ein.
Der September bringt uns den welkenden
Herbst:
Aber die Preise grünen, bis du sterbst.
Datz die Nebel steigen, ist des Oktobers Brauch,
Preis ist zwar kein Nebel, doch er steigt auch.
2m November steigt der Wettersturm:
Fröhlich pfeift auch der Preis vom Turm.
Der Dezember bringt uns das Christfest, wie
sich's gehört.
Das uns höhere Preise endlich wieder beschert.
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