Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1

Ein verfehltes Leben

„Das muß man dem Verstorbenen nachsageu: immer ehrlich und anständig
ist er gewesen, und darum ist er auch verhungert, — der dumme Kerl!"

o;

Äobelspäne

„22", ade!

Scheiden tut >veh.

Aber dein Scheiden macht,

Daß uns das Herze lacht
Schäm dich und geh!

Unrecht gedieh
Üppig wie nie.

Scherben, wohin man blickt,

Alles zerstückt, verrückt —

Pack dich und zieh!

Feindliche Wut
Nahm fast den Mut.

Nirgends gibt's Rast und Ruh».

Scher dich zum Kuckuck nun —

„23", mach's gut!

*

Die Zeiten werden billiger: man hat täglich den schönsten Katzen-
jammer, ohne daß man sich vorher einen Rausch zu kaufen brauchte.

*

Lieb Seelchen, las; das Fragen sein:

Was wird das Jahr uns bringen?

Viel Paragraphen, viel Quasselei'»

Und Wucher vor allen Dingen.

Portoerhöhungen gedeih'»

Gleichfalls in künft'gen Tagen,

Und Dollarsprünge obendrein —

Lieb Seelchen, laß das Fragen!

*

„Abonnierst du trotz der schlechten Zeiten den Jacob noch weiter?"
fragte mein Freund Ede, nachdem er kaum sein „Prost Neujahr!" ge-
haucht hatte. „Selbstmurmelnd," sagte ick. „Ich rauche im Monat zwei
Zigarren weniger, da ist schon das Geld für den Jacob erspart. Und
glaube mir, keine Zigarre bekommt mir besser als diese beiden — un-
gerauchten!!" Dein getreuer Säge, Schreiner.


Zur Beachtung!

Der Bezugspreis für den Wahren Jacob
muß vom neuen Jahr an auf 50 Mark für
die Nummer festgesetzt werden.

Auch dieser Preis ist noch freibleibend, da
ein Stillstand derÄcrstellungskosten noch nicht
eingetrelen ist.

Trotzdem hoffen wir auf die Treue unserer
Leser, ist doch der Wahre Jacob das einzige
humoristisch-satirische Blatt der deutschen
Sozialdemokratie.

Zum neuen Jahre entbietet der Wahre
Jacob seinen Lesern und Mitarbeitern die
besten Wünsche.

Redaktion u. Verlag des Wahren Jacob

Ja so!

Erster Franzose: „NurArbeit kann uns
retten!"

Zw etter Franzose (entrüstet): „Was sagen
Sie da?!"

„Nun ja, ich meine natürlich die Arbeit der
Deutschen!"

winler-Wll

Dun kommt äer Winter ins Cand,

Und Schnee und eis,

Oie erd’ zeigt ein feftlid) Geinand,

Don glitzerndem weih.

Im Wald üngt kein Dögeld)en mehr,
vorbei die Freud,

Sie frieren und hungern grad (o lehr
wie manche Leut’! itmiy BOnger

Falsch aufgefaßt

Eine englische Schiffahrtsgesellschaft hat in
Bremerhaven eine Niederlassung eröffnet, aus
diesem Grunde ein Festessen gegeben und da-
bei das Speiseeis in schwarzweißroter Auf-
machung serviert. Ein paar deutsche Journa-
listen haben sich vor Begeisterung verschluckt
und das Genossene in die Spalten ihrer Zei-
tungen entladen. Offenbar ist die Symbolik
mißverstanden worden. Die Engländer wollten
sagen: Schwarzweißrot läßt uns eiskalt —
bringt es endlich in die Kanalisation.

Lieber Jacob!

Die jietije Mutter Natur hat jedes ihrer
Jeschepfe die ihm zukommenden Orjane ver-
liehen, mit die et uff seine Mitjeschepfe los-
dreschen kann. Der Ochse haut mit de Herner,
det Stinktier spritzt, der Mensch muß sich mit
jeistije Waffen bejniejen. Dieset letztere bietet
aber in dem Falle jewisse Schwierigkeeten, wenn
de jeistije» Fähigkeeten stiefmitterlich entwickelt
sind. Det trifft bei de sojenannten Deitsch-
velkeschen zu, die sich infoljedessen andere Weise
zu behelfen suchen missen, un entweder spritzen
oder hauen. Nach Scheidemann'n haben se je-
spritzt, uff Harden haben se injehancn. Man
derf aus diese Tatsache aber nich de Schluß-
foljerung ziehen, det de Deitschvelkeschen een
Mittelding zwischen Ochse un Stinktier sind,
sondern im Jejenteil, se sind eene heher orjani-
sierte Jattung, indem se de Fähigkeeten von
beede in sich vereinijen. Von diesen Gesichts-
punkt aus vasteht man desto wenijer det Bor-
jehe» unserer Rechtsfleje, die von de Deitsch-
velkesche» eene Verleignung ihrer Jottesjaben

verlangt un se dafor bestrafen tut, weil se von
ihre naturjemäßigten Fähigkeeten eenen dies-
bezieglichen Jebrauch machen. De Harden-
Attentäter, die ihre Weltanschauung mit'n
Totschläjer Ausdruck jaden, sollen in't Kitt-
chen jesperrt werden! Un sonn Urteil wird von
geschworene erlassen, die sich in ihre ieber-
wältijende Mehrzahl janz offenbar selber zu
de Deitschvelkeschen rechenten. Denn andern-
falls wäre et nich erklärlich, det se eenen zu-
jestandenen Mordversuch als mißjlickte Kerper-
verletzung uffassen konnten. Wo soll det hin-
fiehren? frage ick. Wollen wir de letzte Reste
unserer Deitschvelkeschen Jugend aus det zivili-
sierte Deitschland verjraulen un offenen Oogen
zusehen, wie se sich schließlich alle in Minchen
ansiedeln, wo de Obrigkeet diese heher organi-
sierte Jattung een liebevolleres Verständnis
entjejenbringt? In Minchen hätte man die
Leite erstens nich jefaßt, un wennschon, denn
hätte man se wejen Wahrnehmung berechtigter
zoolojischer Fähigkeeten sreijesprochen un heech-
sten Harden verknaxt, weil er de Pollezeior-
jane unbefugter Weise belästigt hat. De een-
zigste Hoffnung besteht darin, det et bei uns
mit de Zeit ooch in diesen wunden Punkt
besser werden wird, un zu dem Zweck is et
neetig, de Jeschworenenbänke noch ville sorg-
fältijer zu sieben, als wie det bisher schon
ohnehin jeschehen is.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Ranke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

RcdaktioiieUe Eiineildmige» könne» Im Falle der
Richtaiuiahine »urzurilrkgesandt werde», wen» Rück-
porto beigefiigt tstl Dle Redaktion

RedaktlonSschlutz W. Dezember 1SS2.
 
Annotationen