18
Der Streit
um Eberts Bart
Gedanken eines Nachdenklichen
Wissen Sie es schon, aber —
Sie können es ja gar nicht wis-
sen, denn Sie lesen, wie Sie
selbst sagen, fast keine illustrier-
ten Zeitschriften, und dann
hatten Sie auch keine Gelegen-
heit, auf der Münchener Ge-
werbeschau mit ihn> zusammen-
zutreffen . . ■ um es kurz zil
sagen: Ebert trägt keinen
Bart mehr. Gewiß hat sich
inzwischen mancherlei in der
Welt ereignet, so daß die Sache
fast belanglos erscheint. Im-
merhin dünkt es uns Interes-
sant, namentlich, da es sich
nicht um einen einfachen Pri-
vatmann handelt, einige Mi-
nuten über die Angelegenheit
zu philosophieren.
Der Verzicht auf den Bart,
des Mannes männlichste Zierde,
kann verschiedene Gründe ha-
ben, und so wird es auch vor
Eberts neuestem Bildnis keinem
guten Deutschen verwehrt wer-
den, in tiefes Sinnen darüber
zu versinken-Eben zog ein
Trupp Wandervögel an meinem
Fenster vorüber. „Schön ist die
Jugendzeit, sie kommt nicht
mehr", sangen sie. Sollte es d as
sein? Es ist nicht zu leugnen:
mit sicherem Instinkt begabte
ältere Herren nehmen in jener
Zeit, da der Altweibersommer
durch des Bartes Urwald schim-
mert, die einzig mögliche Ra-
dikalkur vor, auf daß das blau-
schimmernde Kinn durch eine
beschauliche Jugendlichkeit ver-
klärt werde. Vielleicht will mau
auch interessant erscheinen. Die-
ses Argument dürfte in unserem
Falle nicht durchschlaggebend
sein. Ich schätze Ebert höher
ein. Er hätte sich durch ganz
andere Dinge interessant ma-
chen können.
Und Sie erinnern rechtzeitig
an das Sprichwort: Man soll
nicht um des Kaisers Bart strei-
ten und meinen, des Reiches
erster Präsident wolle damit
einerseits die letzten Reste der
Monarchie beseitigen und zum
anderen den sanft streitenden
Parteien das Wasser von der
Mühle leiten? Das ließe sich
hören; aber ich meine, eine
Person im» Ebert, die an der
Spitze eines so wenig florieren-
den Geschäftes steht, wie es das
arme Deutsche Reich zurzeit ist,
kann durch diese Handlung kaum
der Parteien Gunst und Haß
vermindern. Nach unserer An-
sicht ist Eberts Entbartung ein
Akt politischer Schlauheit, eine
Konzession, eine Anpassung an
den westlichen Kurs von Uber-
see, deren große Mode Bart-
losigkeit vorschreibt. Ebert be-
kommt in der Tat durch sein
jetziges Aussehen etwas Ameri-
Der neue Diogenes
Einst saß friedlich im Fasse der griechische Weise
Ach, heut pfeift er auf Philosophie und ähnlichen Rummel;
Lerr Diogenes hat gelernt aus Zeiten und Zeitungl
Kurse, Devisen und Dollars sind wicht'gere Dinge
Als das schäbig bezahlte Gebäude der geistige» Arbeit,
Ler mit dem Rebbach! Es lebe das Wuchern und Schieben!
Reisende kommen. — Lerrreinspaziert in die Tonne!
(Aber nur Ausländer, bitte, die saftig berappen!)
Neppdielen bringen noch mehr? Eröffnen wir eine!
Äußerst originell: Naturmenschen gibt's als Bedienung.
Wer „viel sooft", wird bei mir — „philosophieren".
Nicht gespart mit Reklame, so philosophiert man mit Nutzen..
kanisches, und Amerika ist das,
was wir brauchen. Es ist das
Land, das die vierzehn sagen-
haften Punkte bis in die Höhe
des Kölner Domes mit Gold-
stücken belegen wird. Habe ich
nicht recht?
Damit glaubten wir den
Schlüssel zur ebertininischeu
Bartlosigkeit gefunden zu ha-
ben, wenn — Tante Albertine
nicht gewesen wäre. Als sie
Eberts neues Bildnis sah, ent-
fuhr ihr eine jener weiblichen
Sentenzen, die geeignet sind,
die Situation blitzartig zu be-
leuchten. Sie meinte: „So ge-
fällt er mir besser!" Das Wort
gibt zu denken. Wir stehen vor
allerhand Wahlen, und wie
Frauen wählen, ist immer noch
ein ungelöstes Rätsel. Sollte
Ebert deshalb... aber nein ...
Drum bleibt die Frage, das
Problem um Eberts Bart be-
stehen. Grübeln wir weiter!
Wohlauf, die politische Sta-
gnation der letzten Jahre muß
in Fluß kommen. Der Streit um
Eberts Bart kann beginnen.
Alfred Venter
Äauspolitik
„Also immer, wenn du ihr
nicht zu Willen bist, droht dir
deine Frau mit der Schwieger-
mutter?"
„Ja! Ihr ist die Schwieger-
mutter, was Frankreich die
Ruhrbesetzung ist."
Literatur
Schieber Nassmüller fühlt die
Verpflichtung, sich auch eiumal
ein Buch zu kaufen. Der Ver-
käufer empfiehlt ihm Hölder-
lin; Hölderlin iverde jetzt viel
gelesen. Sagt der Schieber, der
gehört hat, daß Kriegsliteratur
derzeit sehr verpönt sei: „Also
geben Sie mir Hölderlin, vor-
ausgesetzt, daß die Bücher nichts
über den Weltkrieg enthalten."
Wohnungsnot
Nach dem Tode des Groß-
papas fragt die kleine Else die
Mutter: „Wo ist die Seele
Großpapas jetzt?" — „Im
Himmel," lautet die Antwort.
— „Ach," sagt die Kleine mit-
leidig, „da wird sie als Neuzu-
gezogene gewiß ihre Schwie-
rigkeiten mit dem himmlischen
Wohnungsamt haben."
Anlohnender Besuch
Meinem Onkel, dem reichen
Amerikaner, schlage ich den Be-
such unseres Museums vor. „No
no!" wehrt der Iankee ab. „Ich
besuche staatliche Bildersamm-
lungen prinzipiell nicht. Gefällt
einem ein Gemälde, schon muß
man hören: Unverkäuflich!"
Der Streit
um Eberts Bart
Gedanken eines Nachdenklichen
Wissen Sie es schon, aber —
Sie können es ja gar nicht wis-
sen, denn Sie lesen, wie Sie
selbst sagen, fast keine illustrier-
ten Zeitschriften, und dann
hatten Sie auch keine Gelegen-
heit, auf der Münchener Ge-
werbeschau mit ihn> zusammen-
zutreffen . . ■ um es kurz zil
sagen: Ebert trägt keinen
Bart mehr. Gewiß hat sich
inzwischen mancherlei in der
Welt ereignet, so daß die Sache
fast belanglos erscheint. Im-
merhin dünkt es uns Interes-
sant, namentlich, da es sich
nicht um einen einfachen Pri-
vatmann handelt, einige Mi-
nuten über die Angelegenheit
zu philosophieren.
Der Verzicht auf den Bart,
des Mannes männlichste Zierde,
kann verschiedene Gründe ha-
ben, und so wird es auch vor
Eberts neuestem Bildnis keinem
guten Deutschen verwehrt wer-
den, in tiefes Sinnen darüber
zu versinken-Eben zog ein
Trupp Wandervögel an meinem
Fenster vorüber. „Schön ist die
Jugendzeit, sie kommt nicht
mehr", sangen sie. Sollte es d as
sein? Es ist nicht zu leugnen:
mit sicherem Instinkt begabte
ältere Herren nehmen in jener
Zeit, da der Altweibersommer
durch des Bartes Urwald schim-
mert, die einzig mögliche Ra-
dikalkur vor, auf daß das blau-
schimmernde Kinn durch eine
beschauliche Jugendlichkeit ver-
klärt werde. Vielleicht will mau
auch interessant erscheinen. Die-
ses Argument dürfte in unserem
Falle nicht durchschlaggebend
sein. Ich schätze Ebert höher
ein. Er hätte sich durch ganz
andere Dinge interessant ma-
chen können.
Und Sie erinnern rechtzeitig
an das Sprichwort: Man soll
nicht um des Kaisers Bart strei-
ten und meinen, des Reiches
erster Präsident wolle damit
einerseits die letzten Reste der
Monarchie beseitigen und zum
anderen den sanft streitenden
Parteien das Wasser von der
Mühle leiten? Das ließe sich
hören; aber ich meine, eine
Person im» Ebert, die an der
Spitze eines so wenig florieren-
den Geschäftes steht, wie es das
arme Deutsche Reich zurzeit ist,
kann durch diese Handlung kaum
der Parteien Gunst und Haß
vermindern. Nach unserer An-
sicht ist Eberts Entbartung ein
Akt politischer Schlauheit, eine
Konzession, eine Anpassung an
den westlichen Kurs von Uber-
see, deren große Mode Bart-
losigkeit vorschreibt. Ebert be-
kommt in der Tat durch sein
jetziges Aussehen etwas Ameri-
Der neue Diogenes
Einst saß friedlich im Fasse der griechische Weise
Ach, heut pfeift er auf Philosophie und ähnlichen Rummel;
Lerr Diogenes hat gelernt aus Zeiten und Zeitungl
Kurse, Devisen und Dollars sind wicht'gere Dinge
Als das schäbig bezahlte Gebäude der geistige» Arbeit,
Ler mit dem Rebbach! Es lebe das Wuchern und Schieben!
Reisende kommen. — Lerrreinspaziert in die Tonne!
(Aber nur Ausländer, bitte, die saftig berappen!)
Neppdielen bringen noch mehr? Eröffnen wir eine!
Äußerst originell: Naturmenschen gibt's als Bedienung.
Wer „viel sooft", wird bei mir — „philosophieren".
Nicht gespart mit Reklame, so philosophiert man mit Nutzen..
kanisches, und Amerika ist das,
was wir brauchen. Es ist das
Land, das die vierzehn sagen-
haften Punkte bis in die Höhe
des Kölner Domes mit Gold-
stücken belegen wird. Habe ich
nicht recht?
Damit glaubten wir den
Schlüssel zur ebertininischeu
Bartlosigkeit gefunden zu ha-
ben, wenn — Tante Albertine
nicht gewesen wäre. Als sie
Eberts neues Bildnis sah, ent-
fuhr ihr eine jener weiblichen
Sentenzen, die geeignet sind,
die Situation blitzartig zu be-
leuchten. Sie meinte: „So ge-
fällt er mir besser!" Das Wort
gibt zu denken. Wir stehen vor
allerhand Wahlen, und wie
Frauen wählen, ist immer noch
ein ungelöstes Rätsel. Sollte
Ebert deshalb... aber nein ...
Drum bleibt die Frage, das
Problem um Eberts Bart be-
stehen. Grübeln wir weiter!
Wohlauf, die politische Sta-
gnation der letzten Jahre muß
in Fluß kommen. Der Streit um
Eberts Bart kann beginnen.
Alfred Venter
Äauspolitik
„Also immer, wenn du ihr
nicht zu Willen bist, droht dir
deine Frau mit der Schwieger-
mutter?"
„Ja! Ihr ist die Schwieger-
mutter, was Frankreich die
Ruhrbesetzung ist."
Literatur
Schieber Nassmüller fühlt die
Verpflichtung, sich auch eiumal
ein Buch zu kaufen. Der Ver-
käufer empfiehlt ihm Hölder-
lin; Hölderlin iverde jetzt viel
gelesen. Sagt der Schieber, der
gehört hat, daß Kriegsliteratur
derzeit sehr verpönt sei: „Also
geben Sie mir Hölderlin, vor-
ausgesetzt, daß die Bücher nichts
über den Weltkrieg enthalten."
Wohnungsnot
Nach dem Tode des Groß-
papas fragt die kleine Else die
Mutter: „Wo ist die Seele
Großpapas jetzt?" — „Im
Himmel," lautet die Antwort.
— „Ach," sagt die Kleine mit-
leidig, „da wird sie als Neuzu-
gezogene gewiß ihre Schwie-
rigkeiten mit dem himmlischen
Wohnungsamt haben."
Anlohnender Besuch
Meinem Onkel, dem reichen
Amerikaner, schlage ich den Be-
such unseres Museums vor. „No
no!" wehrt der Iankee ab. „Ich
besuche staatliche Bildersamm-
lungen prinzipiell nicht. Gefällt
einem ein Gemälde, schon muß
man hören: Unverkäuflich!"