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Das Spiel an der Ruhr

Was wird auf die Dauer schwerer in die Wagschale fallen:
Der Wille des Bergarbeiters oder der Hunger
nach dem deutschen (Selb ?

Äobelspäne

Jeder, der zwei Ohren hat,

Hört: „Parole Raffke",
überall rülpst ein Zitat
Raffke, August Raffke.

Hochgehoben von der Zeit
Lebt er schon im Drama,

Auf den Bretteln wie im Film
Spuckt er wie ein Lama.

Raffke ist das Symbolum
Unsrer Zeiten Größe,

Raffke zeigt in Reinkultur
Ihres Jammers Blöße.

Raffke trägt den dicksten Pelz, Ist kein heilger Georg,

Kapital im Schlipse, Daß man hoffen dürfe,

Raffke ist das große Tier Der den ganzen Kerl hinab

Der Apokalypse. In die Wolfsschlucht würfe?



Wegen nichterfüllter Holzlieferungen begibt sich Frankreich auf den
— Holzweg. *

Es spukt der Geist des Sonnenkönigs:

Nach deutschem Lande greift man dreist
Und inüht sich kaum um ernste Gründe —

Ja, das ist der Geist von Ludwigs Geist!

Das königliche Raubgesindel
Verscharrte man in seiner Gruft
Nicht tief genug. Darum verpestetes
Des zwanzigsten Jahrhunderts Luft.

*

Ich spiele mit Maxe und Ede'zusammen in der Lotterie. Gestern
sind wir mit einem namhaften Gewinn herausgekommen. Spornstreichs
eile ich zu den Freunden: „Kinder, eine freudige Nachricht!" Einstimmig
rufen Maxe und Ede: „Hat den Poincarö der Schlag getroffen?"

Dein getreuer Säge, Schreiner.

Kirchenausrritl

Ein Pfarrer sprach zu einem Mann über
den Kirchenaustritt. Der Geistliche klagte, er
bete täglich zu Gott, aber es werde immer
schlimmer. Und der Herrgott gebe nicht ein-
mal ein Zeichen, daß er mit der Kirche und
gegen die Austrittsbewegung sei.

Der Mann warf die Frage auf: „Wissen
Sie, Herr Pfarrer, denn auch genau, ob der
liebe Gott noch überhaupt Ihrer Kirche an-
gehört?" _

Bedenkliches Symptom
„Ist Ihr Mann eigentlich ernstlich erkrankt?"
„Sicher! Er ist ja so schwach, daß er
nicht einmal mehr auf die Preise schimp-
fen kann."

Der Stein des Anstoßes
In der kleinen Stadt M. wird Sudermanns
„Stein unter den Steinen" aufgeführt. Die
bestgelungene Figur des Stückes, der alte
Zuchthäusler, heißt Struve. Bei der Auf-
führung in M. figuriert dieser alte Verbrecher
unter dem Namen Maier auf dem Theater-
zettel. Auf die erstaunte Frage eines Literatur-
kundigen gibt der Theaterdirektor folgende
Aufklärung: „Wir haben den Namen des
Zuchthäuslers geändert, weil unser Herr
Bürgermeister, der doch auch Struve heißt,
sich durch diese Namensvetterschaft unange-
nehm berührt fühlen könnte."

Lieber Jacob!

Wie war det doch dunnemals in de jroße
Zeit, wie de janze Welt jejen uns niobil je-
macht jehabt hatte? Wie hieß det doch dunne-

mals immer in de franzeeschen Zeitungen un
in't franzeesche Parlament? For wat kämpfte
doch det edle un ritterliche Volk der Franzosen?
Wenn ick.mir richtig besinne, for de Nieder-
werfung des Milletarismus un for de Rettung
der Kultur jejen det deitsche Hunnen- un Bar-
barenvolk. Det Jeschäft war richtig un de Je-
schäftsjewinne werden oogenblicklich jebucht. De
Niederwerfung des Milletarismus besorjen de
Franzosen, indem det se dem Bergbaubetrieb
in unser Ruhrrevier mit Hilfe von Maschinen-
jewehren, Kavallerie, Tanks, Flammenwerfer
un jroßen Jeneralstab in heheren Schwung
bringen un eene friedliche, unbewaffente Be-
velkerung mit Kriegsjerichte rejieren wollen.
Un wat de Rettung der Kultur anbelangt, da
richten sich de diesbezieglichen Bestrebungen in
erster Linie dadruff, det de Franzosen de deit-
schen Schulen beschlagnahmen un zu Kasernen
inrichten, wat for de Schuljungens een Fest-
essen is, indem det der Unterricht aussallen
muß, for det deitsche Bildungswesen aber
dem Vorteil hat, det et allmählich uff det fran-
zeesche Nivoh jebracht wird, wo bekanntlich
det Lesen- un Schreibenkennen durchaus nich
zu de alljemeen ieblichen Lebensjewohnheeten
jeheeren tut.

Allerdings jibt et in Deitschland un ooch
sonstwo in jottverlassene Kulturländer Leite,
die for det franzeesche Verfahren keen liebe-
vollet Verständnis nich haben un sich in un-
freindliche Weise drieber eißern. Ick kann mir
dem »ich anschließen. De franzeesche Armee
wurde in'n Krieg fast jar keene Jelejenheet nich
jeboten, deitsche Städte zu erobern, de Jn-
wohnerschaft zu malträtieren un sonstije mille-
täresche Ruhmeslorbeeren zu ernten, weil de
deitsche Armee se ieberall hinderlich in'n Weg
stand. Jetz is det anders, un man kann de
kriejerischen Triumpfe nachholen, ohne Nnan-

nehmlichkeeten zu riskieren. Jloahre ohne Risiko
is eene feine Sache un een sicheret Jeschäft,
for det de Franzosen schon in friehere Jahr-
hunderte Verständnis jehabt haben. Dunnemals
war et een jekreenter Ludwig, ick jloobe er hatte
de Nummer vierzehn (de Ludewije waren näm-
lich uff dem franzeesche Thron immer sehr
zahlreich), der mitten im Frieden in Deitsch-
land infiel, det Land verwiestete, de Inwohner
ermordete un schließlich eenen janzen Stremel
for Frankreich okkupierte. Heitzutage tragen de
franzeesche Staatsoberheipter keeneKronen nich
mehr, un se werden ooch nich mehr offiziell
als Ludewije bezeichnet un nummeriert, aber
de Jesinnung is die selbe noble jeblieben, un
auch ihre Taten stehen uff de jleiche ritterliche
Hehe.

Un et is nich richtig, wenn eener det fran-
zeesche Verfahren in unser Ruhrjebiet eenfach
als jemeenes Reiberhandwerk bezeichent. Denn
wat een jemeener Reiberhauptmann is, der
riskiert, det det ieberfallene Opfer sich doch
vielleicht zur Wehre setzt un ihn eens uff de
Kohlriebe jibt, un det es' am Ende jar vor't
Schwurjericht kommt un 'n Kopp kirzer jemacht
wird. Der franzeesche Jeneral in't Ruhrgebiet
aber is ieber sonne entehrende Zumutungen
hoch erhaben, denn det Opfer kann sich nich
wehren, un for Zuchthaus un Schaffott bc
schitzt ihm det starke, edle un unbestechliche
Rechtsjefiehl der hohen Alliierten.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

Redaktionelle Einsendungen können im Falle der
Nichtannahme mir zuriickgesandt werden, wen» Ruck.
Porto bctgcfiigt ist! Die Redaktion

RedakttonSschtutz 28. Januar 1923.
 
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