Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
• . 38

Mummenschanz und Pritscbenscblagen
Rerrscbte einst in diesen tagen;
Lustigkeit war überall.

Alles war mit Witz geladen,

Und es tobten Maskeraden
Unterm Prinzen Karneval.

Reute schweigt das Custgejoble;

Reute herrscht nur die Parole:
„Aschermittwoch."

es Aschermittwoch e®

Zwar es schrecken beut noch jeden
Rocbpolit’scbe „Büttenreden“.

Doch es schweigt des Beifalls Schall,
Und es fehlt am rechten Glanze;
Schwingt man heut das Bein zum tanze.
Ist es nur beim — Lumpenball.

Und der bunten Phrasen Grosse
Deckt nicht mal Europas Blosse —
Aschermittwoch.

CUo in frechem Übermute
Man noch tanzt beim Rebenblute,
Klappert’s wie beim Lotentanz.
Zwecklos wird die Barrenpose:
Deutlich wird der hoffnungslose
Untergang des Abendlands.

In der Kehle würgt der Ekel,

Und es mahnt das Menetekel:
Aschermittwoch!

Karneval

Das Wvrt„Karneval"kommtvom lateinischen
„carne vale“, das Heißt „Fleisch, lebe wohl!"
Demnach feiert das deutsche Volk jetzt andauernd
und täglich gründlichen — Karneval.

Die Ruhr

Eine medizinische Abhandlung von Pan

Die Ruhr (Dysenteria) ist eine schwere Krank-
heit, die sich anatomisch als Entzündung der
Dickdarmschleimhaut kennzeichnet. Neuerdings
ivird sie auch als Begleiterscheinung bei chro-
nischer Entzündung des Gehirnes konstatiert,
und zwar besonders bei großen Staatsmännern,
denen derVerstand in den Dickdarm gerutscht ist.

Die Ruhr tritt in der Regel epidemisch auf.
Sobald nämlich die geistigen Stuhlentleernngen
jener großen Staatsmänner durch das vielver-
zweigte Kanalisationsnetz der chauvinistischen
Presse ins Volk gelangen, kriegen alle wider-
standsunfähigen Gehirne den Durchfall. Die
Patienten fühlen sich wie vor den Kopf ge-
schlagen, Blindheit und Taubheit machen sich
bemerkbar, ja manche Kranke verfallen in Ra-
serei, brüllen nationalistische Lieder und schießen
mit Patronen und Fäkalien. Die kolikartigen
Leibschmerzen, im Beginn der Krankheit mäßig,
nehmen in ihrem Verlauf beängstigend zu,
Fiebererscheinungell stellen sich ein, und die
Wutanfälle schlagen in mutlose Benommen-
heit um. Der Appetit läßt nach, Leber und
Milz schwellen ärgerlich an; dem Patienten
wird zum Sterben übel, und in trüber Stim-
mung verbringt er seine Zeit dauernd auf dem
Nachtstuhl. Unter Delirien und Wassersucht
geben die infizierten Gehirne in der Regel den
letzten Geist als lebensunbrauchbar auf.

Als Heilmittel verordnet die alte Medizin
unter anderem Klistiere, Rizinus, Blutegel und
Umschläge. Es hat sich aber herausgestellt, daß
Ruhrepidemien damit nicht aufzuhalten waren
und frech die Landesgrenze überschritten. Eine
wirksame Bekämpfung der Seuche ist nur mög-
lich, wenn alle von ihr ergriffenen großen
Staatsmänner in einer internationalen Kalt-
wasserheilanstalt untergebracht werden.

Burgfrieden

Pantoffelheld (den seine Xanthippe ver-
prügelt): „Aber Alte, wir haben jetzt doch die
deutsche Einheitsfront!"

Zwiespältige Stimmung

Erregt geht Monarchist Krause iu seinem
Zimmer auf und ab: „Was soll man da eigent-
lich tun, diesen Poincarä in den tiefsten Ab-
grund der Hölle verwünschen oder ihm für die
Neubelebung des deutschen Ehauvinismus aus
den Knien danken?"

Meine Steuereinschähung
Mein bester Freund hatte dem Finanzamt
hinterbracht, daß ich noch verschiedene Neben-
einnahmen habe. Ich wurde aufgefordert, die-
selben zu besteuern, sonst... Da ich weiß, daß
die Obrigkeit von Gott eingesetzt ist, zweifelte
ich als guter Christ nicht im geringen an der
Berechtigung dieser Aufforderung. Umgehend
sandte ich daher folgende Selbsteinschätzung:
Im Kegelklub-„Uiusturz" eine Gans gewonnen
(mit der berühmten Wonnegans im elften Grade
verwandt) — 3000 Mark. Gewinn im Schafs-
kopf, wobei ich als Antimonarchist den Kreuz-
König mit der Kreuz-Dame gestochen habe —
35 Mark. Im Billardspiel drei Glas Bier ge-
wonnen (dabei für 36000 Mark ein Loch in
das Tuch gestoßen) = 210 Mark. Frl. Eulalia
zur 25. Verlobung ein Gedicht verehrt, wofür
sie mir einen ihrer vielen Kanarienvögel schenkte
— 340 Mark. Ein Kuß von Frl. Grete, unserem
Tipp-Schnuckelchen (den sie mir zwar verspro-
chen, bis jetzt aber aus Freude am Spaß vor-
enthalten hat) =* 1000000 Mark. Zusammen
an steuerbaren Nebeneinnahmen 885 Mark,ver-
bleiben mithin 85115 Mark Werbungskosten,
die ich vom Finanzamt zurück erbitte, wobei
noch die Ausgaben für Bier und Zigarren
außer Ansatz bleiben. NB. Sobald ich den Kuß
von Frl. Grete empfange (ah! ah!), werde
ich telephonisch den Steuerbetrag überweisen.
Wahrscheinlich führt sie mich aber nur an der
Nase herum, was mein bester Freund mit dem
hochwohllöblicheu Finanzamt ebenfalls tut. Kan

Fremden-Sport

„Sehr interessant, diese Germans: jeden Tag
stellen sie eine» neuen B e r e l e n d u n g S r e k a r d ans."

%

Fein heraus!

Wucherer: „Famos! Jetzt haben wir zwei
Bemäntelungen für unseren Wucher: Den stei-
genden Dollar und Poincarö!"

Ein Vorschlag

Amerika sieht mit Mißbehagen auf die blöd-
sinnige Wirtschaft in Europa. Man möchte
helfen, weiß aber nicht wie. Wir machen einen
Vorschlag: Die Vereinigten Staaten haben ihren
Uellowstonepark, ein Gebiet, in dem die ur-
sprüngliche Natur nicht verändert werden darf.
Keine Axt darf hier schlagen, keinem Tiere
darf Gewalt geschehen. Dieser Geist der Dul-
dung und des Friedens hat nach zuverlässigen
Berichten sogar auf das Raubzeug übergegriffen:
die Bären benehmen sich anständig, selbst der
berüchtigte Grisly hält seine wilden Instinkte
im Zaum. Wie wäre es, wenn Amerika die un-
gezähmten Staatsmänner Europas, die dauernd
auf Raub ausgehen, im Iellowstonepark inter-
nierte? Möglicherweise werden sie dann ebenso
vernünftig wie die Bären. r>-

Politik

Politik ist angeblich die „Kunst des Mög-
lichen". Neuerdings ist's die Kunst des Un-
möglichen. *

Napoleon sagte zu Goethe: „Die Politik ist
das Schicksal". Und Bismarck meinte, Politik
sei so: „Wenn der eine seine Hand in die Tasche
steckt, so zieht der andere seinen Revolver schon."
Demnach wird unser Schicksal von einer Art
Strauchritter gemacht.

■k

Ich verstehe nichts von Politik. Aber wenn
ich sehe, was die größten Politiker der Welt
anrichten, tröste ich mich damit, daß sie auch
nichts davon verstehen. Pan

Schlemmer-Fastnacht 1923

Laßt laufen heut der Tollheit Lachturbinen,
Schlagt in die Schellen und die Zimbeln alle!
Uns, auf, mein Volk, zum großen Lumpenballe!
In dunkler Kuttenfritte, pierrotts und Kolum-
binen!

Brecht pommry auf! wißt ihrnochbeßre Marken?
Ich seh den Briten mit der Türkin trinken,

Ich seh den Japs einer Kreolin winken,

INit vollbiersaft soll michel sich erstarken!-:

(Ein Menschenklumpen, narrenfleckig, wälzt in
irrem Schmerz

Sich überrunde Flitterblättchen auf dem Pflaster -
wer will 'ne pandvoll? - Pier mein letzter Zaster!

In dunkler Kammer schluchzt das deutsche perz.
 
Annotationen