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Valuta-Konfetti

„Nobel, Kinder! Ist die Mark
Heute auch nur reiner Quark,
Laßt die Scheine als Konfetti
Durch die Amorsäle wehn:
Immer nobel, Kinder, nobel
Muß die Welt zugrunde gehn!"

Kobelspäne

Die heutige Wirtschaftsordnung
Mit Widersprüchen nicht geizt:
Es werden in Argentinien
Die Züge mit — Mais geheizt.

Man läßt das Fleisch verkommen
Und gießt die Milch ins Meer:
Es gäbe der Kapitalismus
Sie sonst zu billig her.

Zwecklos verfaulen dort Ernten,
Wir nagen am Hungertuch —

Die heutige Wirtschaftsordnung
Wird der Millionen Fluch.

*

„Glüh, heil'ge Flamme, glüh!" singen die Hitlerleute. Sie nieinen da-
niit aber nur die Flamme, an der sie ihr monarchistisches Süppchen kochen.

*

Heut kämpfen, neben des Feindes Armee,
Auch Deutsche gegen Deutsche:

Es schwingt der Wucher hart ivie je
Die Hungerpeitsche.

Rings friert und hungert der Kinder Schar
Zu unsrer Zeiten Schande:

Die Wuchrer herrschen immerdar
Im Vaterlande.

Kraft, Mut und Hoffnung fast entschwand
Der armen Volksgemeinde —

Der innre Feind drückt lachend die Hand
Dem äußren Feinde.

*

Die deutsche Notgemeinschaft wäre schon gut, wenn nur nicht auch
die — Notausnützungsgcmeinschaft der Wucherer bestände.

*

„Warum nannte man einst die Arbeiter —vaterlandslose Gesellen?"
fragte mein Jüngster. Ick sagte: „Wahrscheinlich, weil sie nicht vom
Vaterlande los wollen!" Dein getreuer Säge, Schreiner.

Der gefährliche Schiller

In Koblenz wurde die Aufführung von Schil-
lers „Wilhelm Tell" von der Besatzungsbehörde
verboten. Ja, du lieber Gott, soll man denn
dort — „Die Räuber" spielen??

Militärische Tätigkeit

„Das alte Offizierkorps ist zum groben Teil noch immer
Feind der Republik, von der es bl» Milliarden Mark
Pensionen bezieht.' Wels im Reichstage.

Sie schimpfen auf die Republik
And lassen den Kaiser leben.

Zwar haben wir keinen Kaiser mehr.

Sie möchten uns einen geben.

Die Herren verloren einen Krieg;

Sie sind noch nicht zufrieden:

Es gibt noch andre Leute als
Zerschoßne Invaliden.

Drum zetern sie aus ihrem Bark:

Es gilt, das Höchste zu wagen!

And wer noch heile Knochen hat,

Der lass' sie sich zerschlagen.

Geht's schief, wie Anno dazumal.
Verdrücken wir uns stille.

Wir finden schon ein Auto und
Auch eine blaue Brille.

Es dauert auch nur kurze Zeit,

Dann sieht man heim uns schleichen.
Gerührt umarmt die Republik
Die alten deutschen Eichen.

Man führt uns an die Krippe und
Wir fahren fort, zu prahlen
Vom Kaiser und vom nächsten Krieg.
Die Republik wird's zahlen. . . . Tee.

Wieder die Sprache des Krieges

„Bitte, Papa, lies uns den Heeresbericht
aus dem Ruhrgebiet vor!"

Neues Äoffen

Freudestrahlend wendet sich Wilhelm in
Doorn an seine junge Frau: „Minchen, Min-
chen, am Ende wirst du durch diesen Poincars
doch noch regierende deutsche Kaiserin!"

Lieber Jacob!

Wenn eener jloobte, die jroße Zeit wäre seit
Anno achtzehn zu Ende, denn hat er sich mit'n
Irrwisch jefächelt. Se is nich zu Ende, se fängt
jetz erst richtig an. For de Franzosen schon
allemal janz jewiß. Die lernen nu, wenn ooch
mit'n bißken Verspätung, bet erhebende Be-
wußtsein eenes siegreichen Feldzuges kennen,
un ihr Jroßer Jeneralstab derf endlich mal un-
jelogene Eroberungen melden. Deitsche Städte
werden injenommen, in de Bieros werden
deitsche Beamte zu Jefangenen jemacht, uff de
Straßen haut de schwarze franzeesche Kaffern-
jarde deitsche Frauen un Kinder in Klump,
un kurz un jut, bet jlorreiche Frankreich zeigt
de Welt, wat et kann, wenn et unjesteert is,
un de deitschen Hunnen bejrcifen endlich, wie
de Kultur aussieht, for die de Entente dünne-
mals in Krieg jezogen jewesen is.

Aber ooch wir in Deitschland merken, det
de Zeit ooch for uns wieder anfängt, jroß zu
werden. In Bayern is se schon 'n janzes Ende
jewachsen. Ludendorff hat de Fiehrung ieber-
nommen in'n Hakenkreizzug jejen dem invern
Feind.

Der Mann versteht det Jeschäst un iveeß,
wo et druff ankommen tut. Weil er noch

keene richtije Munizion nich hat, sammelt er
vorleifig Spucke un ereffent dem Feldzug in
Minchen mit'n jroßmächtijes Maulsperrfeier.
Aber er is nich bloß een Held, sondern ooch
een jewiegter Strateje, un er versteht Rickzieje
zu arranschieren un Deckung zu nehmen. Wie
der „Vorwärts" ihm seine Reden ankreidte, da
stellte er sich dot an, un de blaue Brille tregt
er ejal in de Hosentasche.

Wo een Aas is, versammeln sich de andern
— sagt der Volksmund, un demensprechend
streemten denn ooch sofort de Wulle- un Roß-
bach-Zavaliere nach Minchen zusammen. Aus
Pommern, Mecklenburg un andere ländliche
Jntellijenz-Zentralen kamen se un beehrten ooch
Berlin mit ihre Durchreise, wo man se de
Taschen revedierte un ville Zehntausender von
diskrete Herkunft vorfand, ooch zwee Haken-
kreizfahnen, die man se abkneppte. In Minchen
wurde denn jleich det neie Heldenzeitalter in
Anjriff jenommcn un mit Hurra een Sturm
uff't Hotel Jrienwald ausjeiebt, wobei 'ne
scheene Menge Leffeln un Jabeln jcklaut wurde
un ooch sonst eene enerjische Erfassung von
Sachwerten stattfand. De Pollezei stand da-
neben un paßte Obacht, det keene Steerungen
»ich vorfielen. Mit dieset nazionalsozialistesche
Stahlbad in Silberwaren hat de jroße Zeit in
de Ordnungszelle Bayern bejonnen, un wenn
allens jut jetzt, werden wir bald noch mehreres
erleben.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Zur gefälligen Beachtung!

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Nichtannahme nur zuriickgesandt werde», wen» Rück-
porto beigefllgt ist! Die Redakkio»

Redakttonsschlub ö. Februar 1923.
 
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